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Evolution des strategischen Managements

Evolution des strategischen Managements

Digital-Unternehmen haben die erste Entwicklungsstufe des markt- und finanzorientierten strategischen Managements mit einer zweiten Stufe verbunden, die durch Technologie und Innovation geprägt ist. Bereits vor der Entstehung des strategischen Managements ist eine solche Konnektivität grundlegender Orientierungen ein Erfolgsfaktor der europäischen Hidden Champions gewesen. In der Fähigkeit zur Verbindung liegt auch gegenwärtig eine Chance für die europäische Industrie, die sich ausgehend von ihren traditionellen Stärken neu in Richtung auf Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz ausrichten muss.

In diesem Blogpost erläutere ich die Grundlagen und Charakteristika der ersten beiden Entwicklungsstufen des strategischen Managements und gehe auf die Rolle der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) als Game Changer ein.

 

Verbindung von Strategie 1.0 und 2.0

Fast jedes zweite deutsche Unternehmen befürchtet, dass eine Deindustrialisierung des Standorts Deutschlands kaum noch aufzuhalten ist und dieser weiter an Attraktivität verliert. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer Studie des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Nach Meinung der Befragten sei die Lage so schlecht wie schon lange nicht mehr.1

Natürlich ist dies vor allem ein Weckruf an die Politik. Daneben stellt sich aber die Frage, wie Unternehmen ihr strategische Managements an ein verändertes Umfeld anpassen können.

Aufgabe des strategischen Managements als interdisziplinäres Fachgebiet ist es, die Unternehmensentwicklung zu gestalten und neue Herausforderungen zu meistern. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft grundlegend verändert. Die sich daraus ergebende Evolution des strategischen Managements gliedern wir in fünf Entwicklungsstufen.2 Zwischen diesen Stufen gibt es vielfältige Wechselwirkungen und Rückkopplungen. Gegenwärtig von besonderer Bedeutung ist die Verbindung zwischen der Strategie 1.0 und der Strategie 2.0. Eine wichtige Rolle spielen dabei Digital-Unternehmen.3

 

Vier grundlegende Orientierungen

Das strategische Management hat sich seit den 1960er Jahren aus der strategischen Planung entwickelt.4 Bereits lange vorher lag eine Stärke der wenig bekannten europäischen Weltmarktführer in ihrer Verbindung der Technologie-, Innovations-, Markt- und Finanzorientierung. Bis heute sind die vier grundlegenden Orientierungen bei diesem Unternehmenstyp auf spezifische, wissensintensive Geschäftsfelder fokussiert.5 Dies hat zum hohen Ansehen des German Engineering in der Welt beigetragen.

Der Siegeszug der ersten Entwicklungsstufe eines markt- und finanzorientierten strategischen Managements begann hingegen in diversifizierten US-amerikanischen Großunternehmen. Ein wichtiger Nutzen für die Verantwortlichen lag in der integrativen Sicht betrieblicher Funktionen und der Unterstützung von Portfolio-Entscheidungen. In den 1970er Jahren erreichte diese neuen Managementlehre deutsche Großunternehmen. Parallel dazu gewannen Funktionalstrategien an Bedeutung. Die Strategieumsetzung scheiterte aber häufig an einer von der Personalführung nicht bewältigten Komplexität.

Technologie- und Innovationsaspekte spielten in dieser ersten Stufe eine untergeordnete Rolle. Daher war die Verbreitung des strategischen Managements bei europäischen Hidden Champions und im Mittelstand eher gering. Dies hat mich Ende der 1970er Jahre bewogen, mit einer Promotion zum strategischen Technologie-Management zu beginnen. Interessanterweise befand sich in dieser Zeit die US-amerikanische Industrie in einer tiefen Krise.6 In meiner Dissertation habe ich eine ressourcenorientierte Methodik für die Entstehung von Technologiestrategien entwickelt und damit einen Beitrag zur zweiten Entwicklungsstufe eines technologie- und innovationsorientierten strategischen Managements geleistet.7 Dabei war eine wichtige Erkenntnis, dass erfolgreiche Innovationssysteme von Unternehmen aus verbundenen Handlungsfeldern bestehen. Bei deren Gestaltung kommt es auf die Fähigkeit an, die Entstehung und Umsetzung von Strategien mit einer unternehmerischen Kultur zu verbinden.8

In Europa weniger erfolgreich verlaufen ist die Erschließung des Potenzials digitaler Querschnittstechnologien. So waren es letztlich US-amerikanische Start-ups, die im Rahmen von verschiedenen Digitalisierungswellen die erste und die zweite Entwicklungsstufe des strategischen Managements zusammengeführt haben. Auf diese Weise sind die heute wertvollsten Unternehmen der Welt entstanden. Die Abbildung veranschaulicht die vier Orientierungen, die die ersten beiden Entwicklungsstufen des strategischen Managements verbinden.

Lernprozess Innovationsstrategie

Im folgenden möchte ich die Grundlagen und Charakteristika dieser beiden Entwicklungsstufen näher erläutern.

 

Markt- und finanzorientiertes strategisches Management

Die Ursprünge des Strategiebegriffs liegen im militärischen Sektor. Eine frühe Übertragung auf die Wirtschaft erfolgte an der Harvard Business School, wo man 1911 einen Kurs zum Thema Business Policy startete, um eine Klammer für die betriebswirtschaftlichen Funktionslehren zu schaffen. Schwerpunkt der Unternehmenspolitik sind die Themen Vision und Mission.9 Eine weitere Grundlage der ersten Stufe ist der Blick in mögliche Zukünfte, was der Begriff Foresight umschreibt.10 In dieser Entstehungsphase hat das strategische Management allmählich die bis dahin verbreitete Langfristplanung verdrängt.  Allerdings ist das strategische Management nie ein homogenes Konzept gewesen. Relativ früh sind verschiedene Schulen entstanden, die die Vielzahl möglicher Strategieprozesse beschreiben. Dabei ist der analytische Prozess nur eine der Varianten.11

Lernprozess Innovationsstrategie

Im Mittelpunkt der ersten Entwicklungsstufe des strategischen Managements (Strategie 1.0) steht der Fokus auf Wettbewerbsvorteile in Absatzmärkten.12 Das übergeordnete Ziel ist eine Steigerung des Unternehmenswertes für die Anteilseigner.13 Gegen diese dominierende Shareholder-Value-Sicht konnte sich die Stakeholder-Theorie zunächst nicht durchsetzen. Einen starken Einfluss auf die praktische Strategiearbeit hatte die durch Wissenschaftler und Managementberatungen geprägte Positionierungsschule, die die Strategieentwicklung als primär analytischen Prozess betrachtet. Eine populäre Methode ist die aus heutiger Sicht relativ mechanistisch erscheinende Portfolio-Analyse strategischer Geschäftselder.14

Der Hauptkritikunkt an der Strategie 1.0 ist, dass es mit dem primär analytischen Vorgehen allein nicht gelingt, Umsetzungsprobleme zu meistern. Zu einem Scheitern der Strategie-Implementierung tragen die Top-down-Vorgehensweise und die schwierige Harmonisierung von Funktionalstrategien bei. Trotz der Kritik ist diese erste Entwicklungsstufe vor allem in etablierten Großunternehmen lange Zeit weit verbreitet gewesen. Sie steht auch immer noch im Mittelpunkt der Lehre vieler Hochschulen, die zwischen den Fächern strategisches Management und Technologie- und Innovationsmanagement unterscheiden.

 

Technologie- und innovationsorientiertes strategisches Management

Die zweite, technologie- und innovationsorientierte Stufe des strategischen Managements basiert stärker auf Unternehmertum. Daher liefert für eine Strategie 2.0 die Entrepreneurship-Forschung eine wichtige Grundlage.15 In den USA haben die Finanzierung von Start-ups durch Venture Capital16 und das Corporate Venture Management viel früher an Bedeutung gewonnen als in Europa.17 Eine weitere wichtige Grundlage ist die ganzheitliche Designtheorie, die der Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon geprägt hat.18 Von den betriebswirtschaftlichen Funktionslehren behandeln vor allem das Forschungs- und Entwicklungs-(F&E) Management19 und das Produktionsmanagement20 technologische Themen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Seit den 1980er Jahren hat sich die zweite Stufe des strategischen Managements sehr dynamisch in verschiedenen Phasen entwickelt.21 Der Fokus liegt dabei auf Technologien und Innovationsvorteilen. Das Technologie- und Innovationsmanagement integriert klassische Managementaufgaben in einem systemorientierten Ansatz.22 Hervorzuheben ist dabei die Bedeutung der Personalführung, Kultur und Organisation. Die Aufgabe von Innovationsmanagern liegt in der Gestaltung der verbundenen Handlungsfelder des Innovationssystems ihres Untenehmens.23 Diese systemorientierte Betrachtung von Handlungsfeldern bildet für die beteiligten Akteure einen gemeinsamen Rahmen. Die Evolution eines solchen offenen, komplexen Systems ergibt sich aus der Interaktion der Akteure mit ihrem Umfeld. In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung von neuen Geschäftsmodellen24 und einer innovationsfördernden Kultur25 stark zugenommen. Dabei haben zunächst vor allem Start-ups mit agilen Methoden das Potenzial digitaler Technologien genutzt.26

Aus diesen Start-ups sind die US-amerikanischen Digital-Giganten hervorgegangen, deren Marktmacht teilweise auch kritisch gesehen wird. Für etablierte Unternehmen stellen der digitale Wandel und die damit verbundene Abhängigkeit von IT-Unternehmen eine große Herausforderung dar.27 In der folgenden Abbildung ist die zeitliche Entwicklung des technologie- und innovationsorientierten strategischen Managements zusammengefasst.

Lernprozess Innovationsstrategie

Eine neue Digitalisierungswelle geht von der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) mit großen Sprachmodellen aus, die Produktivitätsvorteile und veränderte Formen der Wissensarbeit ermöglicht. Im Juni 2024 ist der KI-Ausrüster Nvidia kurzfristig das wertvollste börsenorientierte Unternehmen der Welt geworden.28 In dieser aktuellen Welle könnten die Karten zwischen Unternehmen und Wirtschaftsblöcken neu gemischt werden. Es stellt sich die Frage, wie Europa die sich hieraus ergebenden Risiken meistern kann.

 

Die generative KI als Game Changer für Europa

Als wir 2020 unser Buch Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer publiziert haben, war der gegenwärtige Hype um die generative KI noch nicht absehbar. Im letzten Kapitel des Buchs setzen wir uns kritisch mit der europäischen und der deutschen Innovationspolitik auseindander.29 Eine spannende Frage ist, inwieweit die generative KI zu einer erfolgreichen Neuausrichtung der deutschen Wirtschaft beiträgt oder ihren weiteren Niedergang beschleunigt. Beides erscheint möglich. Daher befindet sich unser Land an einem Wendepunkt.

Aus der Erfolgsgeschichte der europäischen Hidden Champions können wir lernen, dass es entscheidend auf eine Verbindung der Sektoren Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sowie der strategischen Handlungsfelder von Unternehmen ankommt. Unsere Empfehlung ist daher zu versuchen, eine Kultur der Verbundenheit zurückzugewinnen. Wichtig wäre es, dass alle Beteiligten einen entsprechenden Mindset entwickeln. Den sollten die Eliten vorleben und hoffen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihrem Beispiel folgen. Die Aus- und Weiterbildung zum Thema Cultural Connectedness kann hierzu einen Beitrag leisten.

 

Fazit

– Der Erfolg von Digital-Unternehmen resultiert aus der Verbindung der ersten und  der zweiten Entwicklungsstufe des strategischen Managements

– Ein Problem der ersten markt- und finanzorientierten Stufe ist die Komplexitätsbewältigung bei der Strategieumsetzung

-Den Digital-Champions gelingt es besser als etablierten Unternehmen, das Potenzial der Informationstechnik zu nutzen und die verbundenen Handlungsfelder ihrer Innovationssysteme erfolgreich zu gestalten

– Mit dem Thema generative Künstliche Intelligenz (KI) hat bei der Verbindung von Strategie 1.0 und 2.0 ein neues Kapitel begonnen

 

Literatur

[1] Höpner, A., „Deindustrialisierung kann kaum noch aufgehalten werden“. In: Handelsblatt, 18.Juni 2024, S.18

[2] Servatius, H.G., Strategie 5.0 zur Bewältigung der neuen Herausforderungen. In: Competivation Blog, 28.06.2022

[3] Servatius, H.G., Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2021

[4] Ansoff, I.H., Declerck, R.P., Hayes, R.L. (Hrsg.), From Strategic Planning to Strategic Management, John Wiley 1976

[5] Simon, H., Hidden Champions des 21.Jahrhunderts –  Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Campus 2007

[6] Hayes, R.H., Wheelwright, S.C., Restoring Our Competitive Edge – Competing Through Manufacturing, John Wiley 1984

[7] Servatius, H.G., Methodik des strategischen Technologie-Managements – Grundlage für erfolgreiche Innovationen, Erich Schmidt 1985

[8] Schein, E.H., Organizational Culture and Leadership – A Dynamic View, Jossey Bass 1986

[9] Bleicher, K., Das Konzept Integriertes Management, Campus 1991

[10] Müller, A.W., Müller-Stewens, G., Strategie Foresight –  Trend- und Zukunftsforschung in Unternehmen –  Instrumente, Prozesse, Fallstudien, Schäffer Poeschel 2009

[11] Mintzberg, H., Ahlstrand, B., Lampel, J., Strategy Safari – Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements, Ueberreuter 1999

[12] Porter, M.E., Competitive Strategy – Techniques for Analyzing Industries and Competititors, The Free Press 1980

[13] Rappaport A., Creating Shareholder Value – The New Standard for Business Performance, The Free Press 1986

[14] Kirsch, W., Roventa, P. (Hrsg.), Bausteine des Strategischen Managements – Dialoge zwischen Wissenschaft und Praxis, De Gruyter, 1983

[15] Ronstadt, R.C., Entrepreneurship – Text, Cases and Notes, Lord Publishing 1984

[16] Gladstone, D.J., Venture Capital Handbook – An Entrepreneur’s Guide to Obtaining Capital To Start a Business, Buy a Business, Or Expand An Existing Business, Reston Publishing 1983

[17] Servatius, H.G., New Venture Management – Erfolgreiche Lösung von Innovationsproblemen für Technologie-Unternehmen, Gabler 1988

[18] Simon, H.A., The Sciences of the Artificial, 2.Aufl., MIT Press 1981 (1.Aufl. 1969)

[19] Brockhoff, K., Forschung und Entwicklung – Planung und Kontrolle, Oldenbourg 1988

[20] Zäpfel, G., Strategisches Produktionsmanagement, De Gruyter Oldenbourg 2000

[21] Zahn, E. (Hrsg.), Handbuch Technologie-Management, Schäffer-Poeschel 1995

[22] Servatius, H.G., Piller, F.T. (Hrsg.), Der Innovationsmanager – Wertsteigerung durch ein ganzheitliches Innovationsmanagement, Symposion 2014

[23] Servatius, H.G., Dreifache strategische Neuausrichtung, In: Competivation Blog, 07.06.2024

[24] Osterwalder, A., Pigneur, Y., Business Model Generation – A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers, Wiley 2010

[25] Mc Afee, A., The Geek Way – The Radical Mindset That Drives Extraordinary Results, Macmillan Business 2023

[26] Ries, E., The Lean Startup – How Today’s Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses, Crown Currency 2011

[27] Rogers, D.L., The Digital Transformation Roadmap – Rebuild Your Organization for Continuous Change, Columbia Business School Publishing 2023

[28] Brüntjen, J.S., Narat, I., Maisch, M., Kursbebeben erschüttert Nvidia. In: Handelsblatt, 26.Juni 2024, S.30-31

[29] Kaufmann, T. Servatius, H.G., Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Springer Vieweg 2020, S.203 ff.

Connective Management als Erfolgsfaktor von Game Changern

Connective Management als Erfolgsfaktor von Game Changern

Gibt es eine Handlungsempfehlung für Unternehmen, die die Spielregeln des Wettbewerbs verändern wollen? Wir denken, dass es die gibt und sie darin besteht, von den Vorreitern eines Connective Managements zu lernen.

 

In diesem Blogpost skizzieren wir den Weg zu einem neuen Management-Paradigma

 

Mit KI Silos überwinden

Die Vision des Knowledge Managements war, das in den Köpfen von Menschen vorhandene Wissen zu verbinden, organisatorische Silos zu überwinden und so den Wert von Unternehmen zu steigern.1 Bei Henkel tragen Künstliche Intelligenz (KI) und eine cloudbasierte Wissensdatenbank dazu bei, dieser Vision einen Schritt näher zu kommen. Michael Nilles, der Chief Digital Information Officer (CDIO) von Henkel sieht hierin ein wichtiges Element der strategischen und organisatorischen Neuausrichtung des Unternehmens.2

Das Beispiel zeigt, dass sich mit Covid-19 der Wandel von Unternehmen noch einmal beschleunigt hat. Diese Situation nehmen wir zum Anlass, unsere Arbeit im vergangenen Jahr zu reflektieren.

 

Auftakt einer thematischen Reise

Das letzte physische Treffen unseres Expertenkreises für Innovationsmanager in Familienunternehmen fand im November 2019 bei SAP in Ratingen statt. In diesem Meeting haben Tim Kaufmann von SAP und ich unser Buch „Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer“ vorgestellt.3 Weitere geplante Treffen mussten wir dann wegen der Corona-Pandemie verschieben.

Die Frage, was die Erfolgsfaktoren von Game Changern sind, hat uns seitdem weiter beschäftigt. Diese Unternehmen verändern mit radikalen Innovationen die Spielregeln des Wettbewerbs. Sie werden in den Medien gefeiert. Aber man weiß relativ wenig darüber, wie diese Erfolge zustande kommen.

Daher bildete die Publikation unseres Buchs im Frühjahr 20204 eine Art Auftakt für die weitere Beschäftigung mit dem Thema. Diese thematische Reise, die in spannenden Projekten, digitalen Lehrveranstaltungen und gemeinsamen Reflektionen stattfand, wollen wir kurz skizzieren.

 

Gemeinsamkeiten von Game-Changer-Themen

Ein erster Schritt auf dieser Reise war der Versuch, eine Art Typologie von Game-Changer-Themen zu entwickeln. Diese Typologie haben wir im Januar 2020 zur Diskussion gestellt5 und einzelne Themen, wie z.B. die disruptive Wirkung digitaler Technologien6 in weiteren Blogposts vertieft.

Eine interessante Erkenntnis war, dass Game-Changer-Themen einige Gemeinsamkeiten zu haben scheinen, wie z.B. dass sie für Unternehmen sowohl eine Bedrohung als auch eine Chance darstellen.

 

Eine Pandemie als Game Changer

Im Winter 2020 begann dann die Corona-Pandemie, ihre Game-Changer-Wirkung zu entfalten.7

Hieraus entstand die Notwendigkeit, mit radikalen Innovationen gegen diese Pandemie anzukämpfen. Wir haben dies zum Anlass genommen, uns intensiver mit dem Stand der Forschung beim Thema radikale Innovationen zu beschäftigen und hierüber in einer von Professor Frank Piller organisierten digitalen Vorlesung der RWTH Aachen berichtet.8

Es ergab sich eine spannende Diskussion der Frage, ob radikale Innovationen einen Paradigmawechsel im Management erfordern und wie ein solcher grundlegender Wandel aussehen könnte.

 

Integriertes Management als Ausgangspunkt

Ein möglicher Ausgangspunkt für einen solchen Wandel ist das Konzept eines integrierten Managements, das allerdings im 21. Jahrhundert einer Weiterentwicklung bedarf. In unserem Blogpost im Juli 2020 haben wir eine solche Weiterentwicklung auf den verschiedenen Managementebenen skizziert, die für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen von großer Bedeutung sein könnte.9

 

Purpose, Geschäftsmodell-Portfolios und KI-basierte Wertschöpfung

Ein spannendes neues Thema auf der normativen Managementebene ist die verstärkte Sinnsuche von Unternehmen. Ein wichtiger Treiber in der Purpose Economy sind Nachhaltigkeitsinnovationen, mit denen wir uns – unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften – in einem Expertenkreis-Treffen an der RWTH Aachen beschäftigt haben.10

Neben der normativen Ebene verändert sich auch die Ebene des strategischen Managements. Im Mittelpunkt steht dabei die Gestaltung des Innovationsstrategie-Prozesses. In meinen Vorlesungen im Rahmen der von Professor Rainer Paffrath koordinierten digitalen Lehre an der zur Klett Gruppe gehörenden EUFH habe ich dieses Thema ausführlich behandelt.

Am Anfang des Strategieprozesses steht eine Weiterentwicklung der Vorausschau von Unternehmen (Corporate Foresight) mit einem Game-Changer-Radar.11 Die Portfolio-Methode erlebt eine Renaissance in Form von Portfolios für entstehende und vorhandene Geschäftsmodelle.12 Wichtige Impulse gehen dabei von Geschäftsmodell-Mustern aus. Viele neue Geschäftsmodelle ergeben sich aus der Zusammenarbeit von Partnern in Innovationsökosystemen. Dabei wird eine gute Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor immer wichtiger.13

Auf der operativen Managementebene gehen wichtige Veränderungen von digitalen Technologien wie dem Internet of Things (IoT) und Künstlicher Intelligenz (KI) aus. In Unternehmen wie Amazon und Microsoft ist eine KI-basierte Wertschöpfung entstanden, die neue Möglichkeiten zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ermöglicht. Gleichzeitig wird das operative Management zum Treiber neuer Organisationsformen.

 

Game Changer mit neuen Organisationsformen

In meiner digitalen Wintervorlesung im Januar 2021 bei Professor Birgit Renzl an der Universität Stuttgart habe ich erläutert, wie einige der wertvollsten Unternehmen der Welt in den USA und in China Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams als neue Organisationsform erproben.14 Eine spannende Frage ist, ob und wie etablierte europäische Unternehmen auf diese organisatorische Innovation von Game Changern reagieren.

Ein gemeinsames Kennzeichen dieser Unternehmen ist, dass alle ein neues Connective Management praktizieren, das die Verbindung zwischen Management- und Organisationsbausteinen betont. Dieses Management erfordert eine stärker „verbindende“ Personalführung,15 die in eine innovationsfördernde Kultur eingebettet ist.16

Lernprozess Innovationsstrategie

Es stellt sich nun die Frage, was dies alles für die praktische Tätigkeit in etablierten Unternehmen bedeutet.

 

Besseres Verständnis eines Connective Managements

Unsere thematische Reise während des letzten Jahres hat zu interessanten Erkenntnissen geführt. Wir haben eine Zwischenstation erreicht, die durch die Schlussfolgerung geprägt ist, dass wir das neue Connective Management besser verstehen möchten.

Wir würden uns freuen, wenn Sie als interessierter Leser in Wissenschaft und Praxis uns auf dieser Reise begleiten. Gerade in Corona-Zeiten sind Verbindungen besonders wichtig und – wie die zahlreichen digitalen Veranstaltungen zeigen – auch möglich. Also lassen Sie uns diese thematische Reise gemeinsam fortsetzen.

 

Fazit

  • Unser Buch zur Game-Changer-Wirkung digitaler Technologien, die Gemeinsamkeiten von Themen, die die Spielregeln des Wettbewerbs verändern und die Corona-Pandemie haben die Anregung zu einer vertieften Beschäftigung mit radikalen Innovationen geliefert
  • Eine wichtige Erkenntnis ist, dass radikale Innovationen einen Paradigmawechsel im Management erfordern
  • Dieser grundlegende Wandel betrifft die verschiedenen Managementebenen und davon ausgehend die Organisationsform sowie die Kultur und Personalführung
  • Es zeichnet sich die Entwicklung eines neuen Connective Managements ab, das erfolgreiche Game Changer bereits praktizieren

 

Literatur

[1] Palass, B., Servatius, H.G.: WissensWert – Mit Knowledge Management erfolgreich im E-Business, Stuttgart 2001

[2] Bialek, C.: Henkel kämpft mit KI gegen die Silos. In: Handelsblatt, 21. Januar 2021, S. 26-27

[3] Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer. In: Competivation Blog, 21.11.2019

[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020

[5] Servatius, H.G.: Game-Changer-Themen meistern. In: Competivation Blog, 07.01.2020

[6] Servatius, H.G.: Entwicklung von digitalen Anwendungen mit Low-Code-Plattformen. In: Competivation Blog, 23.01.2020

[7] Servatius, H.G.: Eine Pandemie als Game-Changer. In: Competivation Blog, 26.03.2020

[8] Servatius, H.G.: Mit radikalen Innovationen gegen die Corona-Krise. In: Competivation Blog, 28.04.2020

[9] Servatius, H.G.: 21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. In: Competivation Blog, 29.07.2020

[10] Servatius, H.G.: Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020

[11] Servatius, H.G.: Strategische Vorausschau mit einem Game-Changer-Radar. In: Competivation Blog, 27.01.2021

[12] Servatius, H.G.: Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements. In: Competivation Blog, 19.11.2020

[13] Servatius, H.G.: Connective Management in Public-Private Innovation Ecosystems. In Vorbereitung

[14] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[15] Servatius, H.G.: Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2021

[16] Servatius, H.G.: Förderung einer Innovationskultur durch die Führung. In: Competivation Blog, 07.01.2020

Eine Pandemie als Game Changer

Eine Pandemie als Game Changer

Während die Covid-19-Pandemie die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzt, zeichnet sich perspektivisch die Notwendigkeit grundlegend neuer Spielregeln ab, um derartige Krisen in Zukunft besser zu bewältigen.

 

Das Coronavirus und seine Folgen

In dem Bestseller „Der Schwarze Schwan“ zeigt der Autor Nassim Nicholas Taleb, dass es extrem unwahrscheinliche Ereignisse sehr viel häufiger gibt, als wir denken und dass wir systematisch deren gewaltige Folgen unterschätzen.1

Bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie hätte Europa von früheren Krankheitsverläufen vor allem in Asien lernen können, mit welcher Dynamik das exponentielle Wachstum von Infektionen verläuft, vor dem Experten seit langem warnen.

Die Covid-19-Pandemie ist ein solcher schwarzer Schwan, auf den Politik und Wirtschaft nicht gut vorbereitet sind. Die Wirkungen auf Menschen, Gesellschaft und Unternehmen sind bislang in ihrer Gesamtheit noch nicht abzuschätzen. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Corona-Krise eine Rezession auslöst und ökonomische Handlungsmuster verändert. Sie ist ein Beispiel für ein Game-Changer-Thema vom Typ fünf, bei dem Ereignisse mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit große Auswirkungen haben.2

 

Auswirkungen für Unternehmen

Die Auswirkungen für Unternehmen resultieren aus der Gleichzeitigkeit von Krisen des Gesundheitssystems, der Angebots- und Nachfrageseite der Realwirtschaft sowie des Finanzsektors. Dabei ist zwischen kurzfristigen und mittel- bis langfristigen Effekten zu unterscheiden. Für ein wirkungsvolles Krisenmanagement ist es außerdem wichtig, die Höhe der Auswirkungen für Unternehmen abzuschätzen. Hieraus ergibt sich eine Impact-Matrix, die als eine erste grobe Orientierung dienen kann.

 

 

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass das Gesundheitssystem auch in Deutschland seine Grenzen erreicht. Dies gilt zum einen für Intensivbetten, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel. Zum anderen berichten Patienten, die sich auf das Coronavirus testen lassen wollen, von einer Odysse durch Praxen und Kliniken. Die Schlussfolgerung ist, dass mittelfristig das Zusammenspiel der Akteure zu verbessern ist und sich die Verantwortlichen besser auf Pandemien vorbereiten müssen.3

Dramatisch ist die Situation auch für viele Selbständige, die ihre MitarbeiterInnen in Kurzarbeit schicken müssen und denen Insolvenzgefahr droht.4 Besonders von Corona betroffen sind Branchen wie die Gastronomie, die Touristik und der Handel.

Aber auch Großunternehmen z. B. in der Automobilindustrie sind in einer schwierigen Lage. Nachdem zunächst in den Büros auf Home Office umgeschaltet wurde, drohen immer mehr Produktionsausfälle. Das Virus hat das Herz der deutschen Industrie erreicht.5

Das Ergebnis sind sinkende Unternehmenswerte. Nie zuvor fiel der Dax so rasant und die Frage ist, wie stabil die globalen Finanzmärkte sind.6 Das Münchener Ifo-Institut rät in dieser Situation, jeden denkbaren Betrag für gesundheitliche Maßnahmen wie umfangreiche Tests einzusetzen, um so die Dauer des wirtschaftlichen Shutdown zu verkürzen.7 Die Unternehmen der meisten Branchen sehen sich gezwungen, auf Krisenmanagement umzuschalten und ergreifen Maßnahmen zur Liquiditätssicherung und Kostensenkung.

Daneben praktizieren die Unternehmen mehr digitale Kommunikation und weniger Geschäftsreisen. Bei dem Schub für den E-Commerce, von dem Händler unterschiedlich profitieren,8 ist zu hoffen, dass möglichst viele Geschäfte in den Innenstädten die Corona-Krise überleben.

Neben der besseren Vorbereitung auf Pandemien gehören zu den mittel- bis langfristigen Auswirkungen die Impulse für die medizinische Forschung. So sind die deutschen Biotech-Unternehmen CureVac und Biontech, die an Impfstoffen gegen das Coronavirus arbeiten, erst durch die Pandemie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.9

Einen Wachstumsschub erlebt auch der Hygienesektor. Damit einher geht ein besseres Verständnis komplexer Systeme z. B. bei der Verbesserung des Qualitätsmanagements in Krankenhäusern. Die Erfahrungen im Rahmen der Skalierung agiler Methoden zeigen, dass es neben leistungsfähigen Scrum-Teams entscheidend auf die Rolle der Führung, eine Vermittlung der relevanten Werte und eine „Minimum Viable Burocracy“ ankommt, also eine Organisation, die gerade genug Struktur liefert, aber nicht mehr.10

Insgesamt wird die Pandemie vermutlich dazu beitragen, dass Werte wie Sicherheit an Bedeutung gewinnen. Von diesem Trend zu einem neuen Cocooning profitieren Unternehmen, die die Krise als Chance zu einem Umdenken nutzen. So glaubt der Chef des Küchenherstellers Bulthaup Marc O. Eckert, dass wir vor einer Zeitenwende stehen, in der es um die Grundfrage geht, was wirklich wichtig ist im Leben.11

 

Multiple-Sourcing-Strategie für kritische Lieferketten

Eine der möglicherweise weitreichendsten Veränderungen betrifft kritische globale Lieferketten. Seit Jahrzenten hat es im Supply Chain Management vieler Branchen nur eine Richtung gegeben: Kostensenkung und eine Verringerung der Anzahl der Lieferanten. In der Pharmabranche, der Chemie, aber auch in der Elektronikindustrie sind dabei gefährliche Abhängigkeiten z. B. von indischen und chinesischen Herstellern entstanden. Die Corona-Krise zwingt immer mehr Unternehmen, eine Multiple-Sourcing-Strategie zu realisieren und in kritischen Lieferketten mit mehreren oder zumindest einem alternativen Lieferanten zu arbeiten.12

Unterstützt wird dieser Strategiewechsel durch Risikomanagementsysteme, bei denen KI-basierte Software, wie die des Münchener Start-ups Riskmethods hilft, Risiken in der Lieferkette proaktiv zu identifizieren, das Schadensausmaß zu bewerten und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. So erkennt das Coronavirus Supply Chain Visibility KitTM Gefährdungen in der Lieferkette und ist in 48 Stunden einsatzbereit. Dieses Nutzenversprechen könnte Riskmethods zu einem echten Game Changer machen, der Unternehmen dabei unterstützt, ihre Risikointelligenz zu verbessern.

Die emotionale Wirkung einer solchen Lösung hängt damit zusammen, dass Science Fiction Thriller, wie der Film Contagion des Starregisseurs Steven Soderbergh aus dem Jahr 2011, plötzlich Wirklichkeit geworden zu sein scheinen. Daher verändert sich gerade die Einstellung gegenüber „Schwarzen Schwänen“ und Unternehmen beginnen, traditionelle Managementpraktiken zu hinterfragen.

 

Politischer Richtungswechsel

Während die Corona-Krise in China und in Italien schon weit fortgeschritten war, durften deutsche Jecken noch ausgelassen Karneval feiern. Die Politik glaubte in dieser ersten Phase, restriktive Maßnahmen seien der Bevölkerung nicht zu vermitteln und setzte auf ein Primat der wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Nach dem zu erwartenden dramatischen Anstieg der Infektionszahlen kam dann in Phase zwei eine Kehrtwende und der Schutz auf Gesundheit jedes Einzelnen erhielt die oberste Priorität. Damit ist der scheinbare Zielkonflikt zwischen Gesundheitsschutz und der Inkaufnahme einer schweren Rezession aber nicht gelöst.

In dieser Situation stellt Alexander Dibelius, der Deutschland-Chef des Private-Equity-Unternehmens CVC, die Frage, was passieren soll, wenn der kollektive Shutdown der Wirtschaft nicht kurzfristig die gewünschte Wirkung bringt.13 Möglicherweise wird es in dieser dritten Phase dann einen breiteren politischen Diskurs über das weitere Vorgehen geben. Ein mögliches Vorbild ist Südkorea, wo man massiv testet, Infizierte schnell isoliert und eine Quarantäne für Kontaktpersonen realisiert.14

 

Literatur

[1] Taleb, N.N.: The Black Swan – The Impact of the Highly Improbable, New York 2007

[2] Servatius, H.G.: Game-Changer-Themen meistern. In: Competivation Blog, 07. Januar 2020

[3] Koch, M. et al.: Gesundheitssystem am Limit. In: Handelsblatt, 18. März 2020, S.1, 4-5

[4] Bialek, C. et al.: Im Überlebenskampf. In: Handelsblatt, 23. März 2020, S. 26

[5] Buchenau, M. et al.: Der große Stillstand. In: Handelsblatt, 18. März 2020, S.14-15

[6] Blume, J. et al.: Börsen-Crash 2020. In: Handelsblatt, 13./14./15. März 2020, S. 45-51

[7] Riedel, D.: Ökonomen im Panikmodus. In: Handelsblatt, 24. März 2020, S.12

[8] Kolf, F.: Onlinehandel will gelernt sein. In: Handelsblatt, 23. März 2020, S. 26

[9] Brors, P. et al.: Die Jagd nach Impfstoffen. In: Handelsblatt, 17. März 2020, S. 16-17

[10] Sutherland, J.J.: The Scum Fieldbook – A Master Class on Accelerating Performance, Getting Results, and Defining the Future, New York 2019

[11] Eckert, M.O.: „Wir stehen vor einer Zeitenwende“ (Interview). In: Handelsblatt, 23. März 2020, S. 23

[12] Neßhöver, C.: Ketten-Reaktion. In: Manager Magazin, April 2020, S. 106-110

[13] Dibelius, A.: „Eine teuflische Spirale“ (Interview). In: Handelsblatt, 24. März 2020, S. 32-33

[14] Riedel, D.: Der falsche Gegensatz. In: Handelsblatt, 26. März 2020, S. 15

Game-Changer-Themen meistern

Game-Changer-Themen meistern

Game-Changer-Themen wie die Digitalisierung und der Klimawandel haben das Potenzial, die Spielregeln für Unternehmen und den Wettbewerb grundlegend zu verändern. Wie aber meistern Führungskräfte eine solche Herausforderung? Das ist die Frage, die bei dem vorliegenden und weiteren Blog-Beiträgen im Mittelpunkt steht. 

 

Neubeginn im Startup-Verband

Christian Miele, Ururenkel des gleichnamigen Unternehmensgründers und Partner beim Risikokapitalgeber Eventures möchte den Bundesverband Deutsche Startups neu ausrichten. Dazu tritt er mit einem prominent besetzten Vorstand und einem Team für Präsidium, Beirat und Kuratorium an. Diese neue Führungsmannschaft plant eine Fokussierung auf zwei Themen: Mitarbeiterbeteiligung und Zukunftsfonds. Die Digitalisierung sei wie der Klimaschutz das Thema der Stunde. Mit seiner Agenda will Miele die Politik wachrütteln, damit aus Deutschland doch noch ein digitaler Vorzeigestaat wird. Hierzu seien neue Ökosysteme aus Startups und Partnern sowie verbesserte politische Rahmenbedingungen erforderlich.1

Das Beispiel zeigt, dass ein Game-Changer-Thema, wie die Verbesserung der Situation von Startups innovative Ansätze erfordert. In diesem Fall die Neuausrichtung eines Verbandes.

 

Defizite bei Game-Changer-Themen

Im Rahmen der Arbeit an unserem Buch „Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer“2 mussten wir feststellen, dass viele Unternehmen Schwierigkeiten bei der Identifikation und Bewältigung von Game-Changer-Themen haben. Aus dieser Erkenntnis ist die Arbeitshypothese entstanden, dass Game-Changer-Themen bestimmte Charakteristika aufweisen. Ein Verständnis dieser Charakteristika – so unsere Überlegung – bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung geeigneter Lösungsansätze. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sehr unterschiedliche Themen ein solches Game-Changer-Potenzial aufweisen. Daher haben wir die Themen in eine Typologie eingeordnet.

 

Game-Changer-Typologie

Viele Game-Changer-Themen kann man einem der folgenden fünf Typen zuordnen. Zu Typ eins gehören Themen, deren Bedeutung häufig unterschätzt wird und die etablierte Unternehmen daher nicht gut beherrschen. Ein Beispiel ist die Förderung der Innovationskultur durch die Führung. Sowohl Digital-Champions als auch Startups sind bei diesem Thema deutlich besser als Durchschnittsunternehmen. Aufgrund verbreiteter Defizite ist das Thema seit einiger Zeit zum Game-Changer geworden.

 

 

Der Game-Changer-Typ zwei hat die Diskussion im letzten Jahrzehnt stark geprägt. Dabei geht es um die disruptive Wirkung digitaler Technologien auf Geschäftsmodelle, Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. Ein Beispiel ist die Entwicklung von digitalen Anwendungen (Apps) mit Low-Code-Plattformen. Bei diesem Typ werden die Notwendigkeit zum Ausbau von digitaler Kompetenz und einer Zusammenarbeit mit Plattformpartnern besonders deutlich.

Angesichts der globalen Herausforderungen des Klimawandels ist das Streben nach Nachhaltigkeit ein wichtiger Treiber des Game-Changer Typs drei. Es gibt jedoch eine Reihe von Themen, bei denen Defizite bei den Beziehungen zu Stakeholdern Durchbrüche erschweren. Beispiele sind Nachhaltigkeitsinnovationen im Energie- und Mobilitätssektor, wie die Einführung von Smart Meter Gateways oder eine fehlende Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. In beiden Fällen verläuft die Abstimmung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor nicht optimal.

Der Ursprung von Game-Changer-Typ vier liegt in einem veränderten Kundenverhalten. Seit einigen Jahren gelingt es vor allem Startups, wie dem Dollar Shave Club, die Kundenwertschöpfung digital zu entkoppeln und so etablierte Unternehmen wie die Procter & Gamble-Marke Gilette massiv unter Druck zu setzen. Die Herausforderung für die Etablierten liegt in der Beantwortung der Frage, welche Gegenstrategie Erfolg versprechend ist.

Game Changer vom Typ fünf werden von Ereignissen initiiert, die eine geringe Eintrittswahrscheinlichkeit und große Auswirkungen haben. Der Autor Nassim Nicholas Taleb beschreibt die Macht dieser höchst unwahrscheinlichen Ereignisse in seinem berühmten, 2007 erschienenen Buch „Der Schwarze Schwan“. Ein aktuelles Beispiel ist die Corona-Pandemie, die nicht nur die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzt, sondern voraussichtlich auch wichtige ökonomische Handlungsmuster verändern wird.

 

Gemeinsamkeiten bei Game-Changer-Themen

Die Beispiele zeigen, dass es bei den Game-Changer-Themen deutliche Unterschiede gibt. Neben diesen Unterschieden existieren aber auch einige Gemeinsamkeiten, die sich in den folgenden Punkten zusammenfassen lassen:

  1. Game-Changer-Themen haben das Potenzial, die Spielregeln für Unternehmen und den Wettbewerb grundlegend zu verändern.
  2. Die Wirkung für ein Unternehmen kann sowohl den Charakter einer Bedrohung als auch einer Chance haben.
  3. Für die beteiligten Akteure stellt das Thema eine besondere Herausforderung dar.
  4. Game-Changer-Themen zu meistern erfordert eine komplexitätsbewusste Führung und häufig auch Digitalkompetenz.

 

 

Die Typologie und die Gemeinsamkeiten verdeutlichen, dass Game-Changer-Themen eine spezifische Haltung von Führungskräften erfordern, die im Rahmen der traditionellen Managementaus- und Weiterbildung kaum vermittelt wird.

Dies wird am Beispiel des früheren Continental-Chefs Hubertus von Grünberg deutlich, dessen neu gegründetes Unternehmen Avateramedical einen Operationsroboter auf den Markt bringt, der den Weltmarktführer Intuitive Surgical angreift. „Wir wussten, dass es schwer wird“, sagt von Grünberg. Die besondere Herausforderung war für ihn der Anreiz.3 In diesem Punkt gleichen die Akteure, die ein Game-Changer-Thema vorantreiben, Spitzensportlern, die sich immer wieder neue ehrgeizige Ziele setzen. Weniger verbreitet als bei Sportlern ist bei wirtschaftlichen Game Changern allerdings ein maßgeschneidertes Coaching zur Unterstützung der Spielveränderer.

 

Integraler Ansatz für das Game-Changer-Management

Interessant ist, dass eine theoretische Grundlage für das Game-Changer-Management allenfalls in Grundzügen existiert. Wichtige Impulse kommen aus der Entrepreneurship-Forschung.4 Aber die Herausforderung, Game-Changer-Themen zu meistern, stellt sich nicht nur für Unternehmensgründer, sondern auch für Manager in späteren Phasen des Geschäftszyklus. Das Game-Changer-Management erfordert einen Ansatz, der neue Konzepte aus den Feldern Unternehmertum, Strategie, Technologie, Innovation, Wandel, Organisation und Nachhaltigkeit zusammenführt. In unserer praktischen Tätigkeit und der begleitenden Forschung beschäftigen wir uns seit einiger Zeit mit der Entwicklung eines solchen integralen Ansatzes. Ein wichtiger Unterschied zum traditionellen Change Management liegt dabei in der großen Unsicherheit der Veränderungsvorhaben.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Bewältigung von Game-Changer-Themen einer breiten Anwendung von Erkenntnissen der Theorie komplexer Systeme zum Durchbruch verhelfen kann. Daher sprechen wir von einer komplexitätsbewussten Führung (Complexity Conscious Leadership).

 

Literatur

  1. Brors, P., Tuma, T: Neustart im Startup-Verband (Interview mit Christian Miele). In: Handelsblatt, 9. Dezember 2019, S. 1, 4-5
  2. Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020
  3. Telgheder, M.: Angriff im Robotermarkt. In: Handelsblatt, 13./14./15. Dezember 2019, S. 60
  4. Grichnik, D., Brettel, M., Koropp, C., Mauer, R.: Entrepreneurship – Unternehmerisches Denken, Entscheiden und Handeln in innovativen und technologieorientierten Unternehmungen, 2. Aufl., Stuttgart 2017
Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer

Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer

Beim Herbsttreffen des Expertenkreises Innovationsmanagement in Familienunternehmen bei SAP in Ratingen haben wir unser Anfang 2020 erscheinendes neues Buch vorgestellt und uns mit der Frage beschäftigt, wie das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz das Management, die IT-Architekturen und die Innovationspolitik verändern.

 

Wertsteigerung mit datengetriebenen Geschäftsmodellen

Zu Beginn unseres Treffens in der von Walter Brune erbauten SAP-Niederlassung in Ratingen1 erläuterte unser Gastgeber Timothy Kaufmann die Aktivitäten seines Unternehmens beim Thema Internet der Dinge (IoT) und Künstliche Intelligenz (KI). Von zentraler Bedeutung ist dabei die Wertsteigerung von Unternehmen mit datengetriebenen, digitalen Geschäftsmodellen. Eine solche Wertsteigerung gelingt jedoch nur mit einer guten Verknüpfung der IoT- und KI-Systeme mit den Geschäftsprozessen des Unternehmens und seiner Partner. Dies erfordert eine Weiterentwicklung der IoT- und KI-Architekturen.

 

 

Anschließend präsentierte Herr Kaufmann die Referenzarchitektur der Open Industry 4.0 Alliance, deren Gründungsmitglied SAP ist.2 In der Diskussion standen die Herausforderungen von Familienunternehmen bei der Gestaltung von Innovationsökosystemen und der Zusammenarbeit mit Plattformpartnern im Mittelpunkt.

 

Neues Buch zum Thema der Veranstaltung

Anfang 2020 erscheint bei Springer Vieweg das neue Buch von Timothy Kaufmann und mir zum Thema: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer.3 Ich habe beschrieben, wie es zu unserer Zusammenarbeit gekommen ist und was die Schwerpunkte des Buches sind. Wir analysieren anhand von zahlreichen Praxisbeispielen, wie digitale Technologien das Management, die IT-Architekturen und die Innovationspolitik verändern. Dieser Game-Changer-Effekt betrifft auch Familienunternehmen, die einen Großteil der Beschäftigten in Deutschland sichern.

 

 

Ausführlich bin ich dann auf einen der Bausteine des neuen Management 4.0-Paradigmas eingegangen, den wir in unserem Buch behandeln: Den digitalen Wandel in einer evolutionären Organisation. Mit den Teilnehmern haben wir die Frage diskutiert, ob die in den letzten Jahren entstandenen Digitaleinheiten lediglich eine erste Phase auf dem Weg zu einer stärkeren Digitalisierung der gesamten Organisation kennzeichnen und wie es Unternehmen gelingt, neue Ansätze wie Scrum@Scale umzusetzen.

 

 

Ausgehend von einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Schlagwort „digitale Transformation“ habe ich unseren Ansatz zur Gestaltung einer evolutionären Organisation vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei gemeinsame Lernprozesse zu drängenden organisatorischen Fragen, wie der Produktivitätssteigerung mit KI-Technologien. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang neue Formen des Lernens am Arbeitsplatz.4

 

Besuch im SAP Digital Studio und Impulsstatements

Wie SAP Unternehmen bei derartigen Lernprozessen unterstützt, konnten wir anschließend beim Besuch des SAP Digital Studios erleben. Kai Wussow von SAP zeigte, wie SAP in diesem Studio mit Erklärgrafiken und Modellen arbeitet und die Design-Thinking-Methode als Keimzelle für neues Denken nutzt.5

 

 

Im Rahmen von Impulsstatements stellte Dr. Stefan Neuhaus von Insta, dem Spezialisten für Gebäude- und Lichtlösungen, die Smart-Living-Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums vor, bei der sein Unternehmen mitwirkt.6 Ein Schwerpunkt liegt bei KI-Anwendungen. Wir haben intensiv hinterfragt, wie Unternehmen die Ergebnisse einer solchen vorwettbewerblichen Projektphase anschließend im Kampf mit den Digital-Giganten aus den USA und China nutzen können.

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die teilnehmenden Unternehmen die Relevanz von IoT- und KI-Technologien erkannt haben. Eine Herausforderung ist zum Teil jedoch noch, aus dieser Erkenntnis passgenaue Programme abzuleiten und die richtigen Partner zu finden.

 

Literatur

  1. Kleeberg, N.: Neue Zentrale kostet 48 Millionen Euro. In: RP Online, 28. Juni 2017
  2. Herzberg, N.: Purpose of the Open Industry 4.0 Alliance.
  3. Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020
  4. Servatius, H.G.: Wie sich die Rolle des Chief Learning Officers verändert. In Competivation Blog, 5. Juni 2019
  5. Schmitz, A.: Innovation – In NRW schlummert noch Potenzial, 1. Oktober 2019
  6. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Konferenz „Mega-Ökosystem Smart Living“, 23. September 2019

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