Bereits vor der Corona-Krise haben amerikanische und asiatische Digitalgiganten die Praxis der Unternehmensführung weiterentwickelt. Auch Europa muss seinen Weg zu einem 21st Century Management finden.
In diesem Blogpost berichten wir über Management-Innovationen in Pionier-Unternehmen, die die Grundlage für entscheidende Wettbewerbsvorteile bilden.
Management-Innovationen in Pionier-Unternehmen
In den letzten Jahren ist eine Fülle interessanter Publikationen erschienen, die Management-Innovationen bei Unternehmen wie Amazon, Alphabet (Google), Alibaba und Tencent beschreiben. Wir haben diese Literaturflut zum Anlass genommen, gemeinsam mit Partnern im Rahmen unseres Projekts „21st Century Management“ einen Orientierungsrahmen zu entwickeln, der es europäischen Organisationen ermöglicht, die Erfahrungen dieser Pionier-Unternehmen zu nutzen und an ihre spezifische Situation anzupassen. Angesichts der sich verschärfenden wirtschaftspolitischen Konflikte erscheint es wichtig, dass europäische Unternehmen nicht in eine zu starke Abhängigkeit von IT-Partnern geraten, aus denen Wettbewerber werden können.
Ein solches 21st Century Management muss neben der Corona-Krise große Herausforderungen wie den digitalen Wandel und das Thema Nachhaltigkeit meistern. Dabei bieten gerade Nachhaltigkeitsinnovationen, wie z.B. die Wasserstoff-Herstellung1, Chancen für europäische Unternehmen, die diese gemeinsam mit der Politik nutzen sollten.
In diesen und folgenden Beiträgen skizzieren wir ein solches 21st Century Management.
Integriertes Management als Ausgangspunkt
In den 1990er Jahren ist das Konzept eines integrierten Managements entstanden, das die Betriebswirtschaftslehre geprägt hat. Dieses unterscheidet zwischen den Ebenen eines normativen, strategischen und operativen Managements. Aufgabe des normativen Managements ist die Gestaltung der Unternehmenspolitik im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen dem Unternehmen und relevanten Bezugsgruppen (Stakeholdern). Im Mittelpunkt des strategischen Managements stehen Programme zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Das operative Management bewältigt die konkreten Aufträge im Tagesgeschäft.2
Dieser integrierte Ansatz bildet den Ausgangspunkt für ein 21st Century Management. Er bedarf jedoch einer Weiterentwicklung auf allen Ebenen. Diese Weiterentwicklung nutzt die Erfahrung erfolgreicher Management-Pioniere.
Lernen von erfolgreichen Management-Pionieren
Ein 21st Century Management verknüpft innovative Konzepte auf der normativen und der strategischen Ebene mit neuen Ansätzen auf der Ebene der organisatorischen Gestaltung. Diese Management-Innovationen sind
- die Schaffung von Vertrauen durch einen gemeinsamen Sinn (Purpose)
- eine Entwicklung des Portfolios entstehender und neuer Geschäftsmodelle sowie
- der Wandel zu Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams als Organisationsform
Die in der Praxis erfolgreicher Unternehmen entstandenen Neuerungen beeinflussen sowohl die klassischen betriebswirtschaftlichen Funktionslehren für die Produktion und das Marketing als auch Querschnittsdisziplinen wie Strategie, Innovation, Organisation und Personal.
Ein Kennzeichen der entstehenden Purpose Economy ist, dass große Innovationsaufgaben seitens der Stakeholder Vertrauen bezüglich des Sinns der beteiligten Unternehmen erfordern. Im Unterschied zu traditionellen Leitbildern entfaltet sich ein Purpose durch das konkrete Verhalten der Akteure im Tagesgeschäft.
Auf der strategischen Ebene stehen Unternehmen vor der Aufgabe, das Portfolio ihrer bestehenden Geschäftsmodelle gegen Risiken zu verteidigen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Das Ziel ist die Schaffung eines nachhaltigen Nutzens.
Neue Organisationsformen konnten sich lange Zeit nicht gegen die traditionellen Konzepte des Industriezeitalters durchsetzen. Hier zeichnet sich eine Veränderung ab. Erfolgreiche Digitalgiganten kombinieren Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams und erreichen so Wettbewerbsvorteile. Die Herausforderung für die etablierten Unternehmen liegt in einer situativ angemessenen Bewältigung des Wandels zu einer agilen Plattform-Organisation.
Mit dem vor einigen Jahren entstandenen Begriff 21st Century Management wollen wir zum Ausdruck bringen, dass die skizzierten neuen Managementaufgaben etwa seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts eine konkretere Form annehmen.3 In diesem Projekt entwickeln wir unsere Überlegungen zu einem Management 4.0 weiter.4
Bosch als Vorreiter
Ein europäisches Vorreiter-Unternehmen des 21st Century Management ist Bosch. Der Vorsitzende der Geschäftsführung Volkmar Denner sieht das Unternehmen mit seiner IoT Cloud auf dem Weg zu einer Internet of Things Company. Das bedeutet, dass eine eigene IoT-Infrastruktur die Basis für unterschiedliche Anwendungsmuster bildet. Außerdem arbeitet Bosch seit langem mit agilen Methoden und erprobt die Skalierung von agilen Innovationsteams. Wichtig ist darüber hinaus, dass Führungskräfte bei Bosch in ihrer Arbeit selbst agile Prinzipien anwenden. Seine Software- und Elektronikkompetenz bündelt das Unternehmen nun in einer neuen Geschäftseinheit.5 Dies sind wichtige Schritte in Richtung auf eine agile Plattform-Organisation.
Aber auch ein solches Vorreiter-Unternehmen muss sich der härter werdenden Konkurrenz durch Microsoft und Amazon Web Services (AWS), den führenden Anbietern von Cloud-Infrastrukturen, stellen. Diese Hyperscaler mit ihren großen Rechenzentren schaffen die Grundlage für eine Optimierung von Standorten und Lieferketten, wie z.B. bei VW.6 Der Wettlauf um die führende Rolle bei der Digitalisierung der Industrie ist also noch nicht entschieden.
Fazit
- Amerikanische und chinesische Unternehmen haben das integrierte Management auf der normativen, strategischen und organisatorischen Ebene weiterentwickelt
- Auf der normativen Ebene trägt der im Tagesgeschäft gelebte gemeinsame Sinn (Purpose) dazu bei, Vertrauen bei Stakeholdern zu schaffen
- Ein Portfolio neuer und bestehender Geschäftsmodelle hilft auf der strategischen Ebene, Risiken zu bewältigen und einen nachhaltigen Nutzen zu schaffen
- Der Wandel zu Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams ermöglicht auf der organisatorischen Ebene die Realisierung eines 21st Century Managements
- Wir unterstützen Unternehmen dabei, den für ihre spezifische Situation richtigen Ansatz zu finden
Literatur
[1] Stratmann, K., Witsch, K.: Die Wasserstoff-Welt der Zukunft. In: Handelsblatt, 08. Juli 2020, S. 8-9
[2] Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt 1991
[3] Lindgren, M.: 21st Century Management – Leadership and Innovation in the Thought Economy, Basingstoke 2012
[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020
[5] Buchenau, M., Tyborski, R.: Bosch programmiert das Auto der Zukunft. In: Handelsblatt, 22. Juli 2020, S. 18-19
[6] Müller, E.: Aus allen Wolken. In: Manager Magazin, August 2020, S. 96-99