Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber in der Purpose Economy | Competivation

Die Wertsteigerung von innovativen Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, könnte dem Thema Purpose zum Durchbruch verhelfen. Europäische Firmen sollten diese Chance nutzen.

 

In diesem Blogpost behandeln wir die Entwicklung zu einer stärkeren Sinnorientierung von Mitarbeitern, Kunden und Aktionären und die Implikationen, die sich hieraus für Unternehmen ergeben.

 

Werttreiber nachhaltige Mobilität

Die Wertsteigerung des amerikanischen Elektromobilitätspioniers Tesla dient einer Reihe von Start-ups als Vorbild. So erzielt Nikola, dessen Mission die Transformation der Transportindustrie ist, eine Milliardenbewertung. Als Vehikel nutzte das Unternehmen dabei das Instrument einer an der Börse gelisteten Platzhalterfirma. Nach Betrugsvorwürfen ist der Gründer Trevor Milton allerdings zurückgetreten.1 Zu den Mobilitäts-Start-ups mit hoher Bewertung gehört auch Rivian, an dem sich der Amazon-Gründer Jeff Bezos beteiligt hat.

Eine spannende Frage ist, warum es weder etablierten Automobil-Unternehmen noch heimischen Start-ups gelingt, von dem Trend zur Wertsteigerung mit Nachhaltigkeitsinnovationen in diesem Ausmaß zu profitieren.

Eine Erklärung könnte sein, dass diesen Unternehmen häufig die an einem höheren Sinn oder Purpose orientierte Börsenstory fehlt, die offensichtlich ein wichtiger Werttreiber geworden ist.

 

Sind wir auf dem Weg zu einer Purpose Economy?

Den Begriff Purpose Economy hat 2014 der US-Autor Aaron Hurst geprägt. Er sieht die Wirtschaft nach der Agrar- und Industrie-Ökonomie am Übergang zu einer vierten Entwicklungsstufe von der Informations- zur „Sinn-Ökonomie“.2 Diese sei durch die Suche der Menschen nach mehr Purpose in ihrem Leben gekennzeichnet. Vorreiter dieser Entwicklung sind gemeinnützige Organisationen.

Die zunehmende Relevanz für Wirtschaftsunternehmen zeigte sich zunächst vor allem im Marketing und Personalmanagement. Ein Pionier beim Thema Purpose ist der Hersteller von Reinigungsmitteln Seventh Generation, der damit wirbt, die Gesundheit der nächsten sieben Generationen zu fördern. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Person des Gründers bzw. CEO, der einen solchen Sinn für Mitarbeiter und Kunden glaubwürdig vermittelt.3

Man könnte argumentieren, dies sei alter Wein in neuen Schläuchen und Purpose oder Sinn sei nichts anderes als das, was im normativen Management seit langem der Begriff Mission oder Leitbild beschreibt.4 Die gemeinsame Wurzel dieser Begriffe ist die Orientierung an einer Identitätsvermittlung für die relevanten Stakeholder (Bezugsgruppen) des Unternehmens. Während Mission Statements aber häufig in Aktern verschwinden und keine große praktische Relevanz haben, kann das Thema Purpose einen wichtigen Beitrag zur wettbewerblichen Differenzierung und Wertsteigerung leisten. Der Unterschied zwischen Leitbild und Purpose zeigt sich also insbesondere in der Bedeutung für den Unternehmenswert. Eine zentrale Rolle können dabei Nachhaltigkeitsinnovationen spielen. Interessanterweise kommunizieren einige Unternehmen, wie z.B. Henkel, sowohl eine Mission als auch einen Purpose. Der Purpose bei Henkel lautet „Creating Sustainable Value“ für die Stakeholder.

 

Purpose in der Corona-Krise

Eine aktuelle Befragung deutscher Manager kommt zu dem Ergebnis, dass für 53 Prozent der Befragten die Relevanz des Themas Purpose durch die Corona-Krise gestiegen ist. Aber nur 41 Prozent geben an, den Purpose ihres Unternehmens zu kennen. Dies zeigt, dass die Sinnorientierung bei vielen noch nicht angekommen zu sein scheint.5

Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Unternehmen, die durch die gegenwärtige Pandemie existenziell bedroht sind, andere Sorgen haben, als sich intensiver mit dem Purpose zu beschäftigen. Andererseits kann die aktive Beschäftigung mit dem Sinn der eigenen Tätigkeit gerade in Krisenzeiten auch Hoffnung vermitteln und die Widerstandskraft erhöhen. Daher überrascht es nicht, dass ein Purpose-Schwerpunkt der Befragten beim Thema Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit liegt.

 

Wechselseitige Verstärkung der Sinnsuche

Eine andere Untersuchung zeigt, dass auch B2B-Unternehmen die Bedeutung des Themas Purpose erkannt haben.6 So glauben 82 Prozent der befragten B2B-Manager, Unternehmen mit Purpose-Orientierung seien erfolgreicher als solche ohne. Allerdings haben bislang nur 24 Prozent das Thema durchgängig im Unternehmen verankert.

Zu den Akteuren, die das Thema Purpose vorantreiben, gehören die großen Vermögensverwalter, die genauer auf die Aspekte Environment, Social and Governance (ESG) achten. Negativbewertungen stellen ein Reputationsrisiko für Unternehmen dar, die z.B. den Klimaschutz vernachlässigen. Gleichzeitig drängen immer mehr Ratingagenturen in den Markt für ESG-Bewertungen. Deren Ergebnisse sind jedoch untereinander schwer vergleichbar. Unternehmen sollten daher mehr auf Nachhaltigkeitsinnovationen und eine transparente Kapitalmarktkommunikation setzen.

Ein wichtiges Kennzeichen der Purpose Economy ist, dass sich die Sinnsuche für das Unternehmen und relevante Stakeholder wechselseitig verstärkt. Der Purpose des Unternehmens und seiner Marke ergibt sich aus dem Beitrag für Umwelt und Gesellschaft. Über Führungskräfte, Mitarbeiter und Kunden erreicht diese Sinnvermittlung auch die Shareholder und den Kapitalmarkt.

Wechselseitige Verstärkung von Purpose zwsichen Unternehmen und Stakeholdern

Für die Kongruenz des Purpose ist Glaubwürdigkeit gegenüber den Stakeholdern auch bei Zielkonflikten zwischen Wirtschaft, Umwelt und Sozialem von großer Bedeutung. Nachhaltigkeitsinnovationen sind ein Mittel zur Aufladung der Arbeitsgeber- und der Kundenmarke mit Purpose. Dabei agieren Führungskräfte und Mitarbeiter als Markenbotschafter. Ein wichtiger Anreiz für die Shareholder ist die resultierende finanzielle Wertsteigerung.

 

Nutzung des Wertsteigerungspotenzials von Nachhaltigkeitsinnovationen

Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Nachhaltigkeitsinnovationen wie die Stahlproduktion mit Wasserstoff das klassische Innovationsmanagement erweitern und sein Wertsteigerungspotenzial vergrößern.7 Auf diese Weise eröffnen sich für etablierte Unternehmen neue Möglichkeiten zur positiven Aufladung ihrer Marke und der Börsenstory. Dabei hängt der dauerhafte Erfolg natürlich von dem finanziellen Ergebnis ab.

Die spannende Frage ist, wie es europäischen Unternehmen besser gelingt, Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber zu nutzen. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine Harmonisierung der Innovations- und Nachhaltigkeitspolitik der EU und der Länder mit der Unternehmenspolitik in relevanten Branchen, wie z.B. der Automobilindustrie. Während die EU die Hersteller mit immer härteren Abgasnormen zum Handeln zwingt, setzt man im Silicon Valley und an der Wall Street auf Wertsteigerung als Anreiz für Innovationen. Das Ergebnis ist ein verzerrter internationaler Wettbewerb. Eine solche Harmonisierung erfordert neue Dialogformate für die Zusammenarbeit von Unternehmen mit ihren Stakeholdern in Politik und Gesellschaft mit dem Ziel, Barrieren zu überwinden. Daneben spielt die Kapitalmarktkommunikation eine entscheidende Rolle. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Parteien bei diesem Thema im kommenden Bundestagswahlkampf positionieren.

 

Fazit

  • Mobilitäts-Start-ups erzielen erstaunlich hohe Börsenbewertungen
  • Man könnte dies als Bestätigung der These deuten, dass wir uns auf dem Weg zu einer Purpose Economy befinden
  • Nachhaltigkeitsinnovationen sind eine wichtige Quelle für die Sinnsuche von Stakeholdern
  • Bislang gelingt es erst wenigen europäischen Unternehmen, das Wertsteigerungspotenzial von Nachhaltigkeit auszuschöpfen

 

Literatur

[1] Hubik, F., John, T.: Start-up ohne Mastermind. In: Handelsblatt, 22. September 2020, S. 20

[2] Hurst, A.: The Purpose Economy – Expanded and Updated, Boise 2016

[3] Izzo, J., Vanderwielen, J.: The Purpose Revolution – How Leaders Create Engagement and Competitive Advantage in the Age of Social Good, Oakland 2018

[4] Servatius, H.G.: 21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. In: Competivation Blog, 29. Juli 2020

[5] Backovic, L., Scheppe, M.: Purpose in der Krise. In: Handelsblatt, 5. Oktober 2020, S. 22-23

[6] ANA (Center of Brand Purpose): B2B Companies See Purpose as a Path to Success, 28. Februar 2020

[7] Servatius, H.G.: Erfolgreiche Nachhaltigkeitsinnovationen mit verbesserten Stakeholder-Beziehungen. In: Competivation Blog, 20. Februar 2020

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