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Corporate Governance für den strategischen Wandel

Corporate Governance für den strategischen Wandel

Angesichts neuer strategischer Herausforderungen stellt sich die Frage nach einer weiterentwickelten Corporate Governance. Ausgehend von den gesetzlichen Rahmenbedingungen erfordert die Beantwortung dieser Frage eine enge Zusammenarbeit von Führung und Aufsichtsrat.

 

In diesem Blogpost beschäftigen wir uns mit den Implikationen für die Governance von Unternehmen, die sich aus einer zunehmenden Dynamik des strategischen Wandels und der wachsenden Bedeutung von Stakeholdern ergeben.

 

Kompetenzen von Business Transformation Managern

Seit einigen Jahren bietet die RWTH Aachen einen Zertifikatskurs für Business Transformation Manager an, den das FIR organsiert.1 In diesem Kurs behandele ich seit seinem Beginn das Thema Transformation Governance. Aufgrund der gravierenden Veränderungen im Umfeld von Unternehmen habe ich in diesem Jahr meinen Kursbeitrag neugestaltet. Im Mittelpunkt steht eine dynamische Corporate Governance, die sich an den Entwicklungsstufen des strategischen Managements orientiert. Wir unterscheiden zwischen:2

  • Einer markt- und entwicklungsorientierten Stufe (Strategie 1.0)
  • einer technologie- und innovationsorientierten Stufe (Strategie 2.0)
  • einer nachhaltigkeitsorientierten Stufe (Strategie 3.0)
  • einer resilienzorientierten Stufe (Strategie 4.0) und
  • der Notwendigkeit einer stärker verbindenden Stufe (Strategie 5.0)

In der nachhaltigkeitsorientierten Stufe drei erscheint beim Thema ESG-Bewertung neben den Kriterien Environment and Social explizit der Begriff Governance. Was genau unter einer verantwortungsvollen Unternehmerführung und -kontrolle zu verstehen ist, wird von den Rating-Agenturen allerdings unterschiedlich interpretiert. Dies hat im Finanzsektor zu einem verstärkten Greenwashing beigetragen.

Die Führung und der Aufsichtsrat eines Unternehmens haben die Aufgabe, dessen Situation richtig einzuschätzen, einen Ordnungsrahmen für den strategischen Wandel zu gestalten und daraus Anforderungen an das Management und die Personalentwicklung abzuleiten. Mit dieser Herausforderung beschäftigt sich mein Kursbeitrag. Aus den Fragen der Teilnehmer hat sich eine spannende Diskussion zu den spezifischen Themen ergeben, die ihre Unternehmen beschäftigen.

 

Transparenz durch ein Strategie-Audit

Nach meiner Erläuterung der Wurzeln und Charakteristika der fünf Entwicklungsstufen des strategischen Managements von den 1970er Jahren bis heute interessierten sich die Teilnehmer für einen konzeptionellen Rahmen zur Analyse der Situation ihres Unternehmens.

In unserer praktischen Projektarbeit machen wir die strategischen Herausforderungen eines Unternehmens mit Hilfe eines Strategie-Audits transparent. Darin betrachten wir die fünf Entwicklungsstufen mit einer SWOT-Analyse. Das Ergebnis stellen wir in einer Matrix der Entwicklungsstufen von Strategie 1.0 bis Strategie 5.0 dar. Die Positionen ergeben sich aus einer Analyse der x- und der y-Achse. Aus der Analyse der Stärken und Schwächen bei den fünf Entwicklungsstufen des strategischen Managements resultiert die Position auf der x-Achse. Die Position auf der y-Achse ergibt sich aus einer Analyse der Möglichkeiten und Bedrohungen im Umfeld des Unternehmens. In der Abbildung ist das Ergebnis für einen traditionellen mittelständischen Automobilzulieferer dargestellt.

 

Lernprozess Innovationsstrategie
 

Dieses Audit-Ergebnis zeigt ein klar erkennbares Muster. Im Verlauf der fünf Entwicklungsstufen haben sich die Bedrohungen gehäuft. Gleichzeitig hat sich die eigene Position verschlechtert. Wir wollen kurz erläutern, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist.

 

Sich häufende Bedrohungen und eigene Schwächen

Das Unternehmen verfügt bei der ersten Entwicklungsstufe (Strategie 1.0) über viel Branchen-Erfahrung sowie methodisches Knowhow mit traditionellen Ansätzen wie der Portfolio-Analyse und dem Balanced Scorecard-Konzept. Man tut sich jedoch bei der Bewältigung des strategischen Wandels schwer. Als Herausforderung empfinden die Führungskräfte neue Wettbewerber mit disruptiven Geschäftsmodellen.

Eine wichtige Bedrohung im Rahmen einer Strategie 2.0 sind digitale Technologien. Der Versuch, diese Technologien mit der Bildung einer Digitaleinheit zu meistern war bislang nur mäßig erfolgreich. Es ist nicht gelungen, die Möglichkeiten agiler Methoden mit dem traditionellen Geschäftsmodell zu verknüpfen. Das Problem ist zwar erkannt, die kulturellen Barrieren erweisen sich jedoch als schwer überwindbar.

Etwas anders gelagert sind die Herausforderungen beim Thema Nachhaltigkeit, also der dritten Entwicklungsstufe des strategischen Managements. Man gehört hier nicht zu den Vorreitern und empfindet die bürokratischen Anforderungen der neuen EU-Taxonomie als starke Belastung.

Überlagert wird dies alles durch die gegenwärtige Energiekrise. Das Unternehmen musste zwar auch in der Vergangenheit schon einige Krisen meistern. Die gegenwärtige Explosion der Strom- und Gaspreise ist jedoch existenzbedrohend.3 Ein resilienzorientiertes strategisches Management der Stufe vier betrachten die Führungskräfte auch nach der Corona-Pandemie noch weitgehend als Neuland.

Das Zusammenwirken all dieser Bedrohungen löst bei dem Unternehmen ein gewisses Gefühl der Ohnmacht aus. Im Hinblick auf eine verbindende Stufe fünf fällt es den Verantwortlichen schwer, die richtige Balance aus Krisenbewältigung und Chancennutzung zu finden. In dieser Situation suchen Führung und Aufsichtsrat gemeinsam nach neuen Formen der Governance zur Bewältigung des strategischen Wandels. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine angemessene Reaktion auf disruptive Stakeholder-Ökosysteme ausländischer Wettbewerber, die von ihrer hohen IT-Kompetenz und von niedrigen Energiekosten profitieren.4

Die Führung und der Aufsichtsrat müssen sich angesichts dieser Ergebnisse fragen, welche Versäumnisse bei der Antizipation des strategischen Wandels vorliegen. Wie viele traditionelle Unternehmen hat der Automobilzulieferer den sich seit den 1990er Jahren abzeichnende Paradigmenwechsel im strategischen Management von mechanistisch zu komplexitätsbewusst zu spät erkannt.5 Symptome sind der zögerliche Übergang zur Elektromobilität und der erst relativ spät erfolgte Einsatz agiler Methoden bei der Produktentwicklung. Zu diesen Bedrohungen und sich abzeichnenden Schwächen ist dann die gegenwärtige Multikrise hinzugekommen.

 

Zusammenhang zwischen Strategie, Governance, Führung und Personalentwicklung

Eine wichtige Erkenntnis des von dem Unternehmen hierzu gestarteten Projekts ist, dass Strategie, Governance, Führung und Personalentwicklung zusammenwirken und sich wechselseitig verstärken sollten. Die gegenwärtigen Krisen lassen Versäumnisse der Vergangenheit deutlicher zutage treten. Das Strategie-Audit hat die Transparenz bezüglich der Entwicklungsstufen des strategischen Managements verbessert. Der Führung und dem Aufsichtsrat ist klarer geworden, dass Corporate Governance – also die Gestaltung eines Ordnungsrahmen und die Definition der Rollen der Akteure – ein dynamischer Prozess ist, der einer regelmäßigen Anpassung bedarf. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die veränderten Anforderungen an Führungskräfte. Für den hart umkämpften Management-Nachwuchs gilt es, neue Wege in der Personalentwicklung zu beschreiten und die erforderlichen konnektiven Fähigkeiten (π-shaped Skills) stärker zu fördern.6

 

Lernprozess Innovationsstrategie
 

Eine Frage von zentraler Bedeutung ist, welche strategischen Optionen in dieser Situation Erfolg versprechend sind, um die gegenwärtigen Risiken zu bewältigen, gleichzeitig aber auch die sich bietenden Chancen zu nutzen.

Der neue Weltchef der Personalberatung Egon Zehnder vertritt hierzu die Ansicht, dass wir gerade einen perfekten Stresstest für Führungskräfte erleben. Neben Industrieexpertise brauche man Verantwortliche mit Erfahrung in anderen gesellschaftlichen Bereichen. Für Unternehmen werde es außerdem immer wichtiger, zukünftige Führungskräfte selbst zu entwickeln.7

 

Bewältigung von Risiken und Nutzung von Chancen

Ein von uns zur Bewältigung dieser Herausforderungen veranstalteter Workshop kommt zu dem Ergebnis, dass sich vier relevante strategische Optionen aus dem Erfolg bzw. Misserfolg von zwei Dimensionen ergeben:

  1. Der Bewältigung der gegenwärtigen Multikrise mit Hilfe einer resilienzorientierten Strategie 4.0 und
  2. einer längerfristig orientierten Nutzung von Chancen bei den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit (Strategie 2.0 und 3.0)

Führung und Aufsichtsrat entscheiden, dass man gemeinsam die vierte Option verfolgen möchte, bei der das Unternehmen anstrebt, die Krisenbewältigung und Chancennutzung mit einer Strategie 5.0 zu verbinden. Angesichts der Unterschiedlichkeit dieser Aufgabe beschließt man, hierzu zwei agile Programme aufzusetzen. Die Umsetzung erfolgt mit Hilfe der Objectives and Key Results (OKR-) Methode, mit der die Digitaleinheit bereits Erfahrung gesammelt hat.

 

Lernprozess Innovationsstrategie
 

Aus dem Strategie-Audit ergeben sich wichtige Impulse, welche Ziele und Schlüsselergebnisse der Automobilzulieferer mit Hilfe eines solchen agilen Performance Management-Konzepts erreichen möchte. Aufgabe der Führung und des Aufsichtsrates ist es, sich mit der notwendigen Weiterentwicklung der Corporate Governance zu beschäftigen.

 

Implikationen für eine dynamische Corporate Governance

Die erste wichtige Implikation ist also, Corporate Governance stärker als dynamische Aufgabe zu interpretieren. Eine gute Orientierungshilfe liefert dabei die Gliederung des strategischen Managements in fünf Entwicklungsstufen, die jeweils mit spezifischen Herausforderungen verbunden sind.

Eine zweite Implikation ergibt sich aus der Erkenntnis, dass ein wichtiger Erfolgsfaktor in diesen Entwicklungsstufen die stärkere Berücksichtigung von Stakeholdern ist, Corporate Governance entwickelt sich also in Richtung auf deine Stakeholder- oder Ecosystem Governance.8 Wir wollen dies am Beispiel des betrachteten Unternehmens verdeutlichen.

 

Lernprozess Innovationsstrategie
 

Kennzeichnend für die erste Entwicklungsstufe des strategischen Managements sind veränderte Kundenerwartungen z.B. bezüglich der IT-Kompetenz des Automobilzulieferers und neue Risiken auf den Beschaffungsmärkten. Diese Risiken betreffen neben den Lieferketten vor allem die Energieversorgung. Neben dieser Marktorientierung ist die zweite Komponente einer Strategie 1.0 die Veränderungsorientierung. Hier befinden sich die Führungskräfte in einem zunehmenden Spannungsverhältnis zwischen den Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung im Rahmen des Themas New Work und der aktuellen Krisenbewältigung. Mit dieser Herausforderung sehen sich viele Unternehmen konfrontiert. So kommt eine aktuelle Studie des Personalberater Odgers Berndtson zu dem Ergebnis, dass ein Viertel aller Bereichs- und Abteilungsleiter gegenwärtig bereit wäre, das Unternehmen zu wechseln. Als Begründung nennen sie den zunehmenden Druck, den ihre Sandwich-Position im Mittelmanagement mit sich bringt.9

Die Herausforderung in der technologie- und innovationsorientierten zweiten Entwicklungsstufe ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern bei der Digitalisierung des Geschäftsmodells. Neue Impulse kommen dabei von Hochschulen aus der Region und den aus diesen Hochschulen hervorgegangenen Start-ups. Eine wichtige Frage ist, wie das Unternehmen eine zunehmende Abhängigkeit von Cloud-Anbietern und Artificial Intelligence of Things (AIoT-) Plattformen vermeiden kann. Dies gelingt mit dem systematischen Aufbau von eigener Kompetenz. Auf diese Weise steigert der Automobilzulieferer seine Attraktivität als Arbeitgeber für junge Mitarbeiter. In den letzten Jahren wurde hierzu ein Partnernetzwerk mit anderen Unternehmen aus der Region und den Verantwortlichen für das Regionalmarketing aufgebaut.

Ein weiteres Feld für die Zusammenarbeit mit Partnern ist die Entwicklung eines nachhaltigen Geschäftsmodells im Rahmen der dritten Entwicklungsstufe des strategischen Managements. Das Unternehmen sieht Differenzierungsmöglichkeiten beim Thema Digital GreenTech, also der Verbindung von Umwelttechnik und digitalen Technologien. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Mitgliedschaft in Verbänden, die die Zusammenarbeit mit der Politik orchestrieren. Auf diese Weise möchte der Automobilzulieferer neue Arbeitsplätze in der Region schaffen, um den Arbeitsplatzverlust bei Komponenten für traditionelle Antriebe auszugleichen. Von den Führungskräften erfordert dies viel kommunikative Kompetenz, um eine angemessene Balance zwischen Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz und sozialen Aspekten zu finden.

Besonders gefordert sind die Führung und der Aufsichtsrat bei der Entwicklung einer stärker resilienzorientierten Strategie 4.0 Dies ist mit einer Neubewertung von geopolitischen Risiken und Chancen verbunden, für die es in der jüngeren Unternehmensgeschichte keine vergleichbaren Vorbilder gibt. Der Automobilzulieferer arbeitet mit externen Experten zusammen, um die eigene Resilienzfähigkeit zu verbessern. Die Experten bringen neue wissenschaftliche Erkenntnisse ein und organisieren einen Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen und der Politik.

Eine Verbindung und Weiterentwicklung dieser vier Entwicklungsstufen erfolgt im Rahmen der Arbeit an einer Strategie 5.0. Diese liefert die Grundlage für die Gestaltung eines eigenen disruptiven Stakeholder-Ökosystems. Das Unternehmen möchte so Schritt für Schritt seine Rolle als Angreifer zurückgewinnen. Das Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind agile intersektorale Programme für die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Hierbei bringen die Führung und der Aufsichtsrat ihre gesamte Erfahrung und ihr umfangreiches Netzwerk ein.

 

Fazit

  • Aus den fünf Entwicklungsstufen des strategischen Managements ergibt sich die Notwendigkeit einer dynamischen Corporate Governance
  • Ein bewährtes Konzept zum Verständnis der Ausgangssituation von Unternehmen ist ein Audit in Form einer SWOT-Analyse der Bewältigung des strategischen Wandels
  • Hieran schließt sich ein Projekt zur Verbesserung der Zusammenhänge zwischen Strategie, Governance, Führung und Personalentwicklung an
  • Ein wichtiges Kennzeichen einer dynamischen Corporate Governance ist die stärkere Stakeholder-Orientierung, die auf die spezifische Situation des Unternehmens zugeschnitten sein sollte.

 

Literatur

[1] Wolan, M.: Next Generation Digital Transformation – 50 Prinzipien für erfolgreichen Unternehmenswandel im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz, Wiesbaden 2020

[2] Servatius, H.G.: Strategie 5.0 zur Bewältigung der neuen Herausforderungen. In: Competivation Blog, 28.06.2022

[3] Greive, M., Olk, J., Specht, F.: Industrie steckt in der Energiefalle. In: Handelsblatt, 1. November 2022, S. 9

[4] Adner, R.: Winning the Right Game – How to Disrupt, Defend, and Deliver in a Changing World, Cambridge 2021

[5] Servatius, H.G.: Komplexitätsbewältigung als Treiber eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 31.03.2021

[6] Servatius, H.G.: Mentoring-Programme zur Entwicklung konnektiver Fähigkeiten. In: Competivation Blog, 10.05.2021

[7] Ensser, M.: „Wir erleben gerade den perfekten Stresstest für Führungskräfte“ (Interview). In: Handelsblatt, 1. November 2022, S. 24-25

[8] Hilb, M. (Hrsg.): Governance of Ecosystems – The Role of Governance in Collaborative Value Creation, Bern 2021

Nachhaltige Entwicklung von Unternehmen mit einer Sustainability Map

Nachhaltige Entwicklung von Unternehmen mit einer Sustainability Map

Angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Nachhaltigkeitsbewertung suchen Unternehmen nach einem geeigneten konzeptionellen Rahmen für ihre nachhaltige Entwicklung. In der Praxis bewährt hat sich dabei eine Sustainability Map.

In unserem neuen Blogpost erläutern wir ein Vorgehen für die nachhaltige Entwicklung in sechs Schritten.

 

Ansätze zur Nachhaltigkeitsbewertung

In der Vergangenheit ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Nachhaltigkeitsbewertung entstanden. Eine erste Gruppe von Kriterienkatalogen stammt von überstaatlichen oder staatlichen Institutionen. Hierzu zählen z.B. die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Daneben gibt es eine zweite Gruppe, die von internationalen Organisationen oder Normungsinstituten entwickelt worden ist. Ein Beispiel ist die Zertifizierung nach ISO 14001 für das Umweltmanagement. Eine dritte Gruppe sind Ansätze von Rating-Unternehmen. Ein Beispiel ist das Environment, Social und Governance (ESG-)Rating von MSCI. Die vierte Gruppe sind Reporting-orientierte Ansätze, wie z.B. die Global Reporting Initiative (GRI).1

Von besonderer Relevanz für europäische Unternehmen ist die neue Nachhaltigkeitstaxonomie der EU. Dazu gehört ein Taxonomie-Kompass mit den folgenden sechs Umweltzielen:2

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.

Außerdem soll die Berichtspflicht für Nachhaltigkeit ab 2024 von gegenwärtig circa 600 Unternehmen in Deutschland auf 15.000 ausgeweitet werden. Grundlage dafür ist die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU.

Für die betroffenen Unternehmen ist dies einerseits mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden, es bieten sich andererseits aber auch Chancen. Viele Manager handeln heute jedoch noch eher reaktiv und nicht proaktiv.

 

Vor- und Nachteile unterschiedlicher Vorgehensweisen

Unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Nachhaltigkeitsbewertung haben spezifische Vor- und Nachteile. So ist ein Nachteil der Nachhaltigkeitsbewertung ausgehend von externen Kriterienkatalogen die verwirrende Vielfalt der unterschiedlichen Ansätze. Außerdem besteht eine Schwierigkeit in der Anpassung an die spezifische Situation des Unternehmens. Ein Vorteil liegt darin, dass diese Kataloge Anregungen für eigene Ansätze liefern können. Darüber hinaus haben die Vorgaben z.B. der EU und von wichtigen Rating-Agenturen eine gewisse Verbindlichkeit und Relevanz.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Der Vorteil von Ansätzen, die vom eigenen Geschäftsmodell des Unternehmens und der eigenen Strategie ausgehen, liegt darin, dass diese eine passgenauere Lösung als Basis für eine erfolgreiche nachhaltige Entwicklung des Unternehmens liefern. Ein Nachteil ist allerdings, dass hierzu möglicherweise eine höhere Aktivierungsenergie erforderlich ist. Außerdem fehlt in vielen Unternehmen bislang noch ein konzeptioneller Rahmen für das praktische Vorgehen. Wir haben diese Situation zum Anlass genommen, einen solchen konzeptionellen Rahmen zu entwickeln. Ein bewährter Ausgangspunkt ist ein Beschreibungsrahmen für nachhaltige Geschäftsmodelle.

 

Der Sustainable Business Model Canvas als Rahmen für Nachhaltigkeitsthemen

Viele Unternehmen arbeiten seit langem mit einem Business Model Canvas zur Beschreibung ihres vorhandenen Geschäftsmodells und der Entwicklung neuer Geschäftsmodell-Bausteine.3 Diese sogenannten Canvas- oder Leinwand-Konzepte berücksichtigen zwar Nachhaltigkeitsthemen nicht, bilden aber eine gute Grundlage für einen Sustainable Business Model Canvas, den Unternehmen an ihre spezifische Situation anpassen können.4 Neben den bekannten Bausteinen enthält dieses Konzept einige Ergänzungen wie z.B. nachhaltige Energien und Ressourcen und eine nachhaltigkeitsorientierte Interaktion mit Stakeholdern. Außerdem wurden im Nachhaltigkeits-Canvas als neue Bausteine die Beiträge des Unternehmens für eine natürliche Umwelt und den sozialen Zusammenhalt hinzugefügt.

 

 

Der Nutzen dieses Konzepts liegt darin, dass Unternehmen einen Rahmen für die systematische Sammlung ihrer relevanten Nachhaltigkeitsthemen bekommen. Damit ist ein Sustainable Business Model Canvas wesentlich differenzierter als z.B. die Nachhaltigkeitstaxonomie der EU.

Von diesem Ausgangspunkt geht dann die nachhaltige (Weiter-)Entwicklung des Unternehmens aus. Mögliche Wege zur nachhaltigen Entwicklung des Geschäftsmodells eines Unternehmens beschreibt die Nachhaltigkeitsstrategie. Dabei unterscheiden wir zwischen den Ebenen

  • einer Identifikation von Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken z.B. aufgrund von Treibhausgas-Emissionen
  • der Effizienzsteigerung bei Nachhaltigkeitsthemen z.B. durch erneuerbare Energie sowie
  • inkrementellen oder radikalen Nachhaltigkeitsinnovationen z.B. mit neuen Batterietechnologien.

Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie kann mit Änderungen des Geschäftsmodells verbunden sein

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Im Folgenden skizzieren wir, wie Unternehmen und ihre Stakeholder die nachhaltige Entwicklung als gemeinsamen Lernprozess gestalten können.

 

Nachhaltige Entwicklung als gemeinsamer Lernprozess

Die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens lässt sich in sechs Schritte eines iterativen Prozesses gliedern. Dieser Sustainable Development Cycle ähnelt Lernprozessen, wie sie aus dem Qualitätsmanagement5 und dem strategischen Management6 bekannt sind. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine Verbesserung der Fähigkeiten des Unternehmens. Dies erfordert eine intensive Zusammenarbeit der Organisationseinheiten und eine gute Interaktion mit relevanten Stakeholdern.

 

 

Im ersten Schritt erfolgt eine Analyse und Bewertung der relevanten Nachhaltigkeitsthemen mit Hilfe der neuen Sustainability Map. In dieser Nachhaltigkeitslandkarte sind die Positionen aller relevanten Themen in einer Matrix dargestellt. Neben dieser statischen Betrachtung verdeutlichen Pfeile mögliche Nachhaltigkeitsaktivitäten.

Die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie ist Gegenstand des zweiten Schritts. Dabei kommt es auf eine Verbindung der Handlungsebenen Risikoidentifikation, Effizienzsteigerung und Innovation an.7 Bei der Strategieentwicklung kann die Zusammenarbeit mit Partnern eine wichtige Rolle spielen. Wegen dieser zwei Arten von Verbindungen zwischen Ebenen und mit Partnern sprechen wir von konnektiven Nachhaltigkeitsstrategien. Anregungen kommen dabei von nachhaltigen Geschäftsmodellmustern.8 Hierzu sind in den letzten Jahren verschiedene Mustersammlungen entstanden.9

Aus der Strategie leitet das Unternehmen dann im dritten Schritt Nachhaltigkeitsziele und Schlüsselergebnisse ab. Dabei hat eine Anwendung der bei Intel entstandenen und durch Google bekannt gewordenen Objectives and Key Results (OKR-)Methode den Vorteil, dass transparente Ziele und Ergebnisse die horizontale und vertikale Koordination fördern.10 In seinem neuen Buch Speed & Scale beschreibt John Doerr, der Chairman des Venture-Capital-Unternehmens Kleiner Perkins, die Anwendung der OKR-Methode bei Nachhaltigkeitsthemen und die Zusammenarbeit von Unternehmen mit der Politik.11

Die Umsetzung der geplanten Aktivitäten zur Risikoidentifikation, Effizienzsteigerung und Innovation erfolgt dann im vierten Schritt. Hieran schließen sich regelmäßige Reviews der Ergebnisse an, aus denen sich Richtungsänderungen ergeben können.

Der sechste und letzte Schritt dieses Sustainable Development Cycles ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dabei kann man zwischen einer Erfüllung des rechtlichen Rahmens z.B. der neuen EU-Taxonomie sowie den Möglichkeiten zur wettbewerblichen Differenzierung und Wertsteigerung durch freiwillige Aktivitäten unterscheiden. Unternehmen haben die Wahl, ob sie sich mit der Rolle eines reinen Nachhaltigkeitsregelerfüllers zufriedengeben wollen oder sich auf dem Weg zum Nachhaltigkeitschampion ehrgeizigere Ziele setzen.

 

Analyse und Bewertung von Nachhaltigkeitsthemen mit einer Sustainability Map

In seinem Buch Sustainable Innovation schreibt der US-Professor Andrew Hargadon, dass die effektivsten Innovationsstrategien zur Landschaft passen, in der sie verfolgt werden.12 Hierzu benötigen Unternehmen eine Nachhaltigkeitslandkarte. Unsere Sustainability Map erfüllt diese Funktion.

Der Grundgedanke ist, die Positionen und Aktivitäten des Unternehmens bei wichtigen Nachhaltigkeitsthemen in einer Matrix darzustellen. Die beiden Achsen der Matrix sind

  • die Bewertung von relevanten Nachhaltigkeitsthemen und -aktivitäten sowie
  • die Ebenen einer konnektiven Nachhaltigkeitsstrategie.

Die Bewertung unterscheidet zwischen problematisch, mittel und gut. Die Ebenen sind die Risikoidentifikation, eine Effizienzsteigerung sowie eine inkrementelle oder radikale Innovation.

 

 

So ergibt sich aus einer Analyse und Bewertung der Ausgangssituation bei einem Nachhaltigkeitsthema eine Position in der Matrix. Wenn das Unternehmen z.B. bei einem risikobehafteten Thema nichts unternimmt, so wird sich seine Position vermutlich verschlechtern. Aktivitäten zur vertieften Beschäftigung mit dem Thema führen zu einer Verbesserung. Weiter gehende Aktivitäten zur Risikobewältigung können einen Ebenenwechsel zur Effizienzsteigerung oder Innovation ergeben. Auf diese Weise wird aus der strategischen Landkarte der Positionen eine dynamische Karte der Aktivitäten.

Der Nutzen einer solchen Sustainability Map liegt darin, dass sie allen Akteuren eine Orientierungshilfe liefert und einen Kommunikationsrahmen für die Strategiearbeit schafft.

Ein Beispiel ist die Position eines Automobilunternehmens beim Nachhaltigkeitsthema Recycling von Batterien. Ein effizientes Recyclingsystem reduziert das Risiko einer internationalen Abhängigkeit. Nach Meinung von Experten würde man so bis 2050 ein Viertel des Eigenbedarfs an Kobalt und Nickel decken.13 Die Nachhaltigkeitsstrategie kann aber auch deutlich über ein effizientes Batterierecycling hinausgehen, wie BMW mit seinem Konzeptfahrzeug Vision Circular zeigt, das aus recyceltem Altmaterial und biobasierten Rohstoffen besteht.14

 

Differenziertes Bild der Rollen eines Unternehmens

Größere Unternehmen arbeiten oft gleichzeitig an vielen Nachhaltigkeitsthemen. Eine Landkarte der Nachhaltigkeitspositionen zeigt ein differenziertes Bild der unterschiedlichen Rollen bei diesen Themen. So kann das Unternehmen beim ersten Thema auf der Ebene der Risikoidentifikation als Beobachter agieren, beim Thema zwei als Verbesserer auf Effizienzsteigerung setzen und erwägen, beim Thema drei als Innovator eine Vorreiterrolle einzunehmen. Ein solches differenziertes Bild liefert eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Fähigkeiten und die Verteilung der benötigten Finanzmittel.

 

 

Diese Rollenanalyse verbessert nicht nur die Transparenz nach innen, sondern liefert auch die Grundlage für eine glaubwürdige Interaktion mit externen Stakeholdern. Unsere Erfahrung aus Praxisprojekten zeigt, dass die nachhaltige Entwicklung von Unternehmen mit der Sustainability Map einen wichtigen Beitrag zur Schließung der bislang vorhandenen konzeptionellen Lücke leisten kann, aber ein gewisses Maß an methodischen Fähigkeiten erfordert.

 

Fazit

  • Die neue Nachhaltigkeitstaxonomie der EU und die entsprechende Berichtspflicht führen zu einer intensiveren Beschäftigung von Unternehmen mit ihrem Nachhaltigkeitsmanagement
  • Ein Vorgehen ausgehend vom eigenen Geschäftsmodell und der eigenen Strategie hat deutliche Vorteile
  • Der Sustainable Development Cycle liefert einen geeigneten konzeptionellen Rahmen
  • Dabei bildet eine Analyse und Bewertung von relevanten Themen mit Hilfe der Nachhaltigkeitslandkarte einen wichtigen ersten Schritt zu einer qualifizierten Nachhaltigkeitsberichterstattung

 

Literatur

[1] Ahrend, K.M.: Geschäftsmodell Nachhaltigkeit – Ökologische und soziale Innovationen als unternehmerische Chance, Berlin 2016, S. 49 ff.

[2] Rat für nachhaltige Entwicklung: EU-Taxonomie – So steht es auf dem Weg zur nachhaltigen Wirtschaft, 22.10.2021

[3] Osterwalder, A., Pigneur, Y.: Business Model Generation, Hoboken 2010

[4] Servatius, H.G.: Nachhaltige Geschäftsmodelle durch eine verbesserte Stakeholder-Interaktion. In: Competivation Blog, 11.04.2018

[5] Schmitt, R., Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement – Strategien, Methoden, Techniken, 4. Aufl., München 2010, S.34 ff.

[6] Kaplan, R.S., Norton, D.P.: The Execution Premium – Linking Strategy to Operations for Competitive Advantage, Boston 2008, S. 7 ff.

[7] Servatius, H.G.: Konnektive Geschäftsmodelle mit Nachhaltigkeitsrisiken und Innovationschancen. In: Competivation Blog, 13.10.2021

[8] Gassmann, O., Frankenberger, K., Czik, M.: Geschäftsmodelle entwickeln – 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model Navigator, München 2013

[9] Ahrend, a.a.O., S. 72 ff.

[10] Doerr, J.: Measure What Matters – OKRs: The Simple Idea That Drives 10x Growth, London 2018

[11] Doerr, J.: Speed & Scale – An Action Plan for Solving our Climate Crisis, London 2021

[12] Hargadon, A.: Sustainable Innovation – Build Your Company’s Capacity to Change the World, Stanford 2015, S. 7

[13] Hubik, F., Menzel, S.: Wie Autokonzerne grün werden. In: Handelsblatt, 12./13./14. November 2021, S. 22

[14] Hubik, F.: Das Auto als Rohstoffquelle. In: Handelsblatt, 13. September 2021, S. 18-19

Ebenenmodell für ein Connective Management

Ebenenmodell für ein Connective Management

Eine Verbindung zwischen Managementbausteinen und zwischen relevanten Stakeholdern kann über verschiedene Wege erfolgen. Wir beschreiben ein Ebenenmodell für das Connective Management.

 

In diesem Blogpost erläutern wir, wie Unternehmen ihre interne und externe Verbundenheit (Connectedness) verbessern können.

 

App-Plattformen für die Mitarbeiter in der Produktion

In vielen Unternehmen scheitert die Umsetzung ihrer Digitalstrategien an fehlenden IT-Kapazitäten und begrenzten Fähigkeiten der Mitarbeiter. Einen Ausweg aus diesem Dilemma eröffnen App-Plattformen für „Connected Workers“, wie die von Tulip. Mit einer solchen Plattform arbeitet z.B. der Werkzeughersteller DMG Mori. Die Apps gestalten die Mitarbeiter in der Produktion selbst – ohne Softwareentwickler, IT-Abteilung und eigene Programmierkenntnisse. Der App-Baukasten funktioniert nach dem Prinzip: „Wenn dies passiert, dann tue das“. So erklärt das Programm z.B., welches Bauteil als nächstes montiert werden muss und ermöglicht so eine digitale Ermächtigung des Shop Floors.1 Damit setzt sich der Trend zu Low-Code- oder No Code-Technologien fort, mit denen Unternehmen unabhängiger von hoch-qualifizierten Softwarespezialisten werden.2 Neben dieser neuen technologischen Ebene gibt es weitere Wege zur Verbindung von Managementbausteinen und Akteuren. Wir haben uns gefragt, wie man diese Wege zu einem Connective Management systematisieren kann.

 

Systematisierung der Wege zu mehr Konnektivität

Eine relativ abstrakte theoretische Grundlage für die Erforschung von Verbindungen in sozialen Systemen liefert Ralph Stacey mit seinem Konzept der „complex responsive processes of relating“. Stacey geht davon aus, dass das Lernen und die Wissenserzeugung komplexe, responsive Beziehungsprozesse erfordern.3 Unser Ebenenmodell eines Connective Managements versucht, diese Theorie in einen Umsetzungsrahmen für die Praxis zu übersetzen. Dabei unterscheiden wir zwischen einer normativen, einer strategischen, einer operativen und einer technologischen Ebene.

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Auf der normativen Ebene führt ein Weg zum Connective Management über die Suche nach einem gemeinsamen Sinn oder Purpose.4 Die Harvard-Professorin Rebecca Henderson plädiert in ihrem neuen Buch „Reimagining Capitalism in a World on Fire“ für verbesserte Beziehungen zu Stakeholdern, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.5 Ebenfalls auf der normativen Ebene angesiedelt ist eine konnektive Führung mit erweiterten Verhaltenspräferenzen bei der Zielerreichung. Neue Herausforderungen wie die Digitalisierung und der Klimawandel erfordern eine Erweiterung der Führungsmuster z.B. in Richtung auf eine stärker beziehungsorientierte Führung.6

Auf der strategischen Ebene gewinnt in Innovationsökosystemen eine Harmonisierung (Alignment) der Strategien verschiedener Akteursgruppen z.B. aus dem privaten und dem öffentlichen Sektor weiter an Bedeutung. Eine solche Harmonisierung kann durch transparente Zielsysteme z.B. mit Hilfe der Objectives and Key Results (OKR-) Methode unterstützt werden.7

Ein seit langem bewährter Weg auf der operativen Ebene sind agile Methoden für die interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie z.B. das Design Thinking.8 Im Rahmen der bereichs- und sektorübergreifenden Projektarbeit sind dabei eine begleitende Personalentwicklung und ein Führungskräfte-Mentoring hilfreich.

Neben den bereits erwähnten App-Baukästen haben sich auf der technologischen Ebene Kommunikations-Apps wie Microsoft Teams zu einer Art Schaltzentrale für den digitalen Alltag entwickelt. Auf seiner Ignite-Konferenz hat Microsoft zahlreiche Neuerungen vorgestellt. Ein Beispiel ist die Funktion „Connect“, die es erlaubt, Kanäle zu den Mitarbeitern anderer Unternehmen zu implementieren.9

 

Zusammenspiel der Ebenen und Wege

Die große Herausforderung für Unternehmen liegt wohl darin, das Zusammenspiel der Ebenen und Wege zu einem Connective Management situativ angemessen zu gestalten. Dieses Zusammenspiel kann man durch eine gezielte Managementaus- und -weiterbildung verbessern.

In unseren Kursen zum Connective Management mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Disziplinen trainieren wir die wechselseitige Verbundenheit bei der Lösung komplexer Probleme. Die Teilnehmer berichten, dass dies für sie mit dem Erlernen eines neuen Spielsystems vergleichbar sei. Dieser Lernprozess erinnert an die Ergänzung der funktional ausgerichteten Betriebswirtschaftslehre durch das strategische Management vor einem halben Jahrhundert. Heute sind es die Digitalisierung, der Klimawandel und die Pandemie-Bekämpfung, die ein neues Managementkonzept erfordern.

In einer Zeit, in der das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz die technologische Connectedness steigern10, kommt es nun darauf an, auch die Verbundenheit von Managern und Stakeholdern zu verbessern. Technologische und soziale Connectedness sind zwei komplementäre Seiten einer Medaille.

 

Fazit

  • App-Plattformen für Mitarbeiter in der Produktion sind ein neuer Weg auf der technologischen Ebene des Connective Managements
  • Unser Ebenenmodell für dieses neue Management-Paradigma basiert auf einer Theorie sozialer Systeme, in deren Mittelpunkt komplexe Beziehungsprozesse stehen
  • Neben der technologischen Ebene unterscheiden wir zwischen einer normativen, einer strategischen und einer operativen Ebene
  • Bei der Bewältigung komplexer Probleme wie dem digitalen Wandel kommt es auf das Zusammenspiel der verschiedenen Ebene und Wege an
  • Ein Training in Connective Management ergänzt die vorhandene Personal- und Führungskräfteentwicklung

 

Literatur

[1] Knitterscheidt, K.: Wenn Arbeiter mit Maschinen sprechen. In: Handelsblatt, 17. Februar 2021, S. 24-25

[2] Servatius, H.G.: Entwicklung von digitalen Anwendungen mit Low-Code-Plattformen. In: Competivation Blog, 23.01.2020

[3] Stacey, R.D.: Complex Responsive Processes in Organizations – Learning and Knowledge Creation, London 2001

[4] Servatius, H.G.: Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020

[5] Henderson, R.: Reimagining Capitalism in a World on Fire, New York 2020

[6] Servatius, H.G.: Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2021

[7] Doerr, J.: Measure What Matters – OKRs: The Simple Idea That Drives 10x Growth, New York 2018

[8] Glitza, C., Hamburger, R.S., Metzger, M.: Hands on Design Thinking, München 2019

[9] Kerkmann, C., Matthes, S.: Schaltzentrale für den digitalen Wandel. In: Handelsblatt, 03. März 2021, S. 18-19

[10] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020

Management 4.0 mit Objectives and Key Results (OKRs)

Management 4.0 mit Objectives and Key Results (OKRs)

Das Thema Management 4.0 erreicht die Familienunternehmen. In unserem Treffen des Expertenkreises haben wir verschiedene Aspekte diskutiert.

 

Hybrides Innovationssystem und neuartiges Organisationsdesign

Ein beeindruckendes Beispiel, wie neue Managementansätze in der Praxis funktionieren, lieferte zunächst unser Gastgeber, der geschäftsführende Gesellschafter des Sensorspezialisten FRABA, Christian Leeser. Er stellte die Entwicklung und das Wertsystem seines Unternehmens vor, das von der Leitidee der Spielfreude geprägt ist. Mit einem hybriden Innovationssystem strebt man die Balance zwischen einem fluiden Design und exakten Systemen an.1 Besonders spannend ist, wie FRABA dieses Prinzip organisatorisch umsetzt. Dabei wurde die klassische Linienorganisation durch das Zusammenwirken von Prozessen, Aktoren und Rollen ersetzt. In der regen Diskussion haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob und wie dieses Organisationsdesign auf andere Unternehmen übertragbar ist. Für die Teilnehmer ergaben sich hieraus vielfältige Anregungen.

 

Entwicklungsstufen des Management

Anschließend habe ich unsere Interpretation des Management 4.0-Paradigmas erläutert. Wir gehen davon aus, dass ein Management 4.0 zur Bewältigung des digitalen Wandels auf drei Vorläufer-Paradigmen aufbaut. Ein operatives und strategisches Management 1.0 ist vor allem rationalitätsorientiert. Beim Management 2.0 bzw. der Führung kommt die Verhaltensorientierung ins Spiel. Im systemorientierten Management 3.0 erfolgt dann eine Synthese. Dabei bauen die gegenwärtig aktuellen agilen Prozesse und Methoden auf der Theorie komplexer evolvierender Systeme auf. Daher basiert ein Management 3.0 in seinem Kern auf einer unternehmerischen Führung.

 

 

Neu an einem Management 4.0 ist unter anderem die Integration der Objectives and Key Results (OKR-) Methode in agile Strategie- und Innovationsprozesse.

 

Agilität in Strategie, Innovation und Performance Management

Die im Silicon Valley bei Intel entstandene und vor allem durch Google bekannt gewordene OKR-Methode erfreut sich auch in Europa zunehmender Beliebtheit.2 Der Ansatz verbindet ein qualitatives Ziel (Objective) mit messbaren Schlüsselergebnissen (Key Results). Ich habe die Unterschiede zur Balanced Scorecard-Methode, die Vorteile von OKRs und das praktische Vorgehen bei der Arbeit mit OKRs erläutert. Diskutiert wurde vor allem das Prinzip einer Entkoppelung von Boni.

OKRs sind ein agiles Performance-Management-System, das zunächst von Unternehmen angewendet wurde, deren Strategie- und Innovationsprozesse ebenfalls agilen Prinzipien folgen. In unserer praktischen Projektarbeit haben wir etablierte Unternehmen unterstützt, in denen wir die Einführung der OKR-Methode mit einer agilen Neugestaltung der Strategie- und Innovationsprozesse verknüpft haben.

 

Auf diese Weise können etablierte Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Digital-Champions und Startups entscheidend verbessern.

 

Zusammenarbeit mit Warren Buffett

Zum Abschluss der Veranstaltung erläuterte unsere Gastreferentin und Kooperationspartnerin Zypora Kupferberg ihre Zusammenarbeit mit Warren Buffett, dem legendären Gründer von Berkshire Hathaway.3 Spannend für die anwesenden Vertreter von Familienunternehmen war natürlich zu hören, wie Buffett unterstützt von Kupferberg Consulting bei Akquisitionen in Europa vorgeht. Auch im Zeitalter von Management 4.0 können die deutschen Hidden Champions also durchaus selbstbewusst sein.

 

Literatur

  1. Servatius, H.G.: Innovationssysteme gestalten und befähigen. In: Competivation Blog, 22.02.2018
  2. Doerr, J.: Measure What Matters – OKRs: The Simple Idea That Drives 10x Growth, New York 2018
  3. Köhler, P.: Wie Warren Buffett den deutschen Mittelstand durchleuchtet. In: Handelsblatt, 26.10.2018

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