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Connective Management als Erfolgsfaktor von Game Changern

Connective Management als Erfolgsfaktor von Game Changern

Gibt es eine Handlungsempfehlung für Unternehmen, die die Spielregeln des Wettbewerbs verändern wollen? Wir denken, dass es die gibt und sie darin besteht, von den Vorreitern eines Connective Managements zu lernen.

 

In diesem Blogpost skizzieren wir den Weg zu einem neuen Management-Paradigma

 

Mit KI Silos überwinden

Die Vision des Knowledge Managements war, das in den Köpfen von Menschen vorhandene Wissen zu verbinden, organisatorische Silos zu überwinden und so den Wert von Unternehmen zu steigern.1 Bei Henkel tragen Künstliche Intelligenz (KI) und eine cloudbasierte Wissensdatenbank dazu bei, dieser Vision einen Schritt näher zu kommen. Michael Nilles, der Chief Digital Information Officer (CDIO) von Henkel sieht hierin ein wichtiges Element der strategischen und organisatorischen Neuausrichtung des Unternehmens.2

Das Beispiel zeigt, dass sich mit Covid-19 der Wandel von Unternehmen noch einmal beschleunigt hat. Diese Situation nehmen wir zum Anlass, unsere Arbeit im vergangenen Jahr zu reflektieren.

 

Auftakt einer thematischen Reise

Das letzte physische Treffen unseres Expertenkreises für Innovationsmanager in Familienunternehmen fand im November 2019 bei SAP in Ratingen statt. In diesem Meeting haben Tim Kaufmann von SAP und ich unser Buch „Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer“ vorgestellt.3 Weitere geplante Treffen mussten wir dann wegen der Corona-Pandemie verschieben.

Die Frage, was die Erfolgsfaktoren von Game Changern sind, hat uns seitdem weiter beschäftigt. Diese Unternehmen verändern mit radikalen Innovationen die Spielregeln des Wettbewerbs. Sie werden in den Medien gefeiert. Aber man weiß relativ wenig darüber, wie diese Erfolge zustande kommen.

Daher bildete die Publikation unseres Buchs im Frühjahr 20204 eine Art Auftakt für die weitere Beschäftigung mit dem Thema. Diese thematische Reise, die in spannenden Projekten, digitalen Lehrveranstaltungen und gemeinsamen Reflektionen stattfand, wollen wir kurz skizzieren.

 

Gemeinsamkeiten von Game-Changer-Themen

Ein erster Schritt auf dieser Reise war der Versuch, eine Art Typologie von Game-Changer-Themen zu entwickeln. Diese Typologie haben wir im Januar 2020 zur Diskussion gestellt5 und einzelne Themen, wie z.B. die disruptive Wirkung digitaler Technologien6 in weiteren Blogposts vertieft.

Eine interessante Erkenntnis war, dass Game-Changer-Themen einige Gemeinsamkeiten zu haben scheinen, wie z.B. dass sie für Unternehmen sowohl eine Bedrohung als auch eine Chance darstellen.

 

Eine Pandemie als Game Changer

Im Winter 2020 begann dann die Corona-Pandemie, ihre Game-Changer-Wirkung zu entfalten.7

Hieraus entstand die Notwendigkeit, mit radikalen Innovationen gegen diese Pandemie anzukämpfen. Wir haben dies zum Anlass genommen, uns intensiver mit dem Stand der Forschung beim Thema radikale Innovationen zu beschäftigen und hierüber in einer von Professor Frank Piller organisierten digitalen Vorlesung der RWTH Aachen berichtet.8

Es ergab sich eine spannende Diskussion der Frage, ob radikale Innovationen einen Paradigmawechsel im Management erfordern und wie ein solcher grundlegender Wandel aussehen könnte.

 

Integriertes Management als Ausgangspunkt

Ein möglicher Ausgangspunkt für einen solchen Wandel ist das Konzept eines integrierten Managements, das allerdings im 21. Jahrhundert einer Weiterentwicklung bedarf. In unserem Blogpost im Juli 2020 haben wir eine solche Weiterentwicklung auf den verschiedenen Managementebenen skizziert, die für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen von großer Bedeutung sein könnte.9

 

Purpose, Geschäftsmodell-Portfolios und KI-basierte Wertschöpfung

Ein spannendes neues Thema auf der normativen Managementebene ist die verstärkte Sinnsuche von Unternehmen. Ein wichtiger Treiber in der Purpose Economy sind Nachhaltigkeitsinnovationen, mit denen wir uns – unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften – in einem Expertenkreis-Treffen an der RWTH Aachen beschäftigt haben.10

Neben der normativen Ebene verändert sich auch die Ebene des strategischen Managements. Im Mittelpunkt steht dabei die Gestaltung des Innovationsstrategie-Prozesses. In meinen Vorlesungen im Rahmen der von Professor Rainer Paffrath koordinierten digitalen Lehre an der zur Klett Gruppe gehörenden EUFH habe ich dieses Thema ausführlich behandelt.

Am Anfang des Strategieprozesses steht eine Weiterentwicklung der Vorausschau von Unternehmen (Corporate Foresight) mit einem Game-Changer-Radar.11 Die Portfolio-Methode erlebt eine Renaissance in Form von Portfolios für entstehende und vorhandene Geschäftsmodelle.12 Wichtige Impulse gehen dabei von Geschäftsmodell-Mustern aus. Viele neue Geschäftsmodelle ergeben sich aus der Zusammenarbeit von Partnern in Innovationsökosystemen. Dabei wird eine gute Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor immer wichtiger.13

Auf der operativen Managementebene gehen wichtige Veränderungen von digitalen Technologien wie dem Internet of Things (IoT) und Künstlicher Intelligenz (KI) aus. In Unternehmen wie Amazon und Microsoft ist eine KI-basierte Wertschöpfung entstanden, die neue Möglichkeiten zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ermöglicht. Gleichzeitig wird das operative Management zum Treiber neuer Organisationsformen.

 

Game Changer mit neuen Organisationsformen

In meiner digitalen Wintervorlesung im Januar 2021 bei Professor Birgit Renzl an der Universität Stuttgart habe ich erläutert, wie einige der wertvollsten Unternehmen der Welt in den USA und in China Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams als neue Organisationsform erproben.14 Eine spannende Frage ist, ob und wie etablierte europäische Unternehmen auf diese organisatorische Innovation von Game Changern reagieren.

Ein gemeinsames Kennzeichen dieser Unternehmen ist, dass alle ein neues Connective Management praktizieren, das die Verbindung zwischen Management- und Organisationsbausteinen betont. Dieses Management erfordert eine stärker „verbindende“ Personalführung,15 die in eine innovationsfördernde Kultur eingebettet ist.16

Lernprozess Innovationsstrategie

Es stellt sich nun die Frage, was dies alles für die praktische Tätigkeit in etablierten Unternehmen bedeutet.

 

Besseres Verständnis eines Connective Managements

Unsere thematische Reise während des letzten Jahres hat zu interessanten Erkenntnissen geführt. Wir haben eine Zwischenstation erreicht, die durch die Schlussfolgerung geprägt ist, dass wir das neue Connective Management besser verstehen möchten.

Wir würden uns freuen, wenn Sie als interessierter Leser in Wissenschaft und Praxis uns auf dieser Reise begleiten. Gerade in Corona-Zeiten sind Verbindungen besonders wichtig und – wie die zahlreichen digitalen Veranstaltungen zeigen – auch möglich. Also lassen Sie uns diese thematische Reise gemeinsam fortsetzen.

 

Fazit

  • Unser Buch zur Game-Changer-Wirkung digitaler Technologien, die Gemeinsamkeiten von Themen, die die Spielregeln des Wettbewerbs verändern und die Corona-Pandemie haben die Anregung zu einer vertieften Beschäftigung mit radikalen Innovationen geliefert
  • Eine wichtige Erkenntnis ist, dass radikale Innovationen einen Paradigmawechsel im Management erfordern
  • Dieser grundlegende Wandel betrifft die verschiedenen Managementebenen und davon ausgehend die Organisationsform sowie die Kultur und Personalführung
  • Es zeichnet sich die Entwicklung eines neuen Connective Managements ab, das erfolgreiche Game Changer bereits praktizieren

 

Literatur

[1] Palass, B., Servatius, H.G.: WissensWert – Mit Knowledge Management erfolgreich im E-Business, Stuttgart 2001

[2] Bialek, C.: Henkel kämpft mit KI gegen die Silos. In: Handelsblatt, 21. Januar 2021, S. 26-27

[3] Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer. In: Competivation Blog, 21.11.2019

[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020

[5] Servatius, H.G.: Game-Changer-Themen meistern. In: Competivation Blog, 07.01.2020

[6] Servatius, H.G.: Entwicklung von digitalen Anwendungen mit Low-Code-Plattformen. In: Competivation Blog, 23.01.2020

[7] Servatius, H.G.: Eine Pandemie als Game-Changer. In: Competivation Blog, 26.03.2020

[8] Servatius, H.G.: Mit radikalen Innovationen gegen die Corona-Krise. In: Competivation Blog, 28.04.2020

[9] Servatius, H.G.: 21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. In: Competivation Blog, 29.07.2020

[10] Servatius, H.G.: Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020

[11] Servatius, H.G.: Strategische Vorausschau mit einem Game-Changer-Radar. In: Competivation Blog, 27.01.2021

[12] Servatius, H.G.: Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements. In: Competivation Blog, 19.11.2020

[13] Servatius, H.G.: Connective Management in Public-Private Innovation Ecosystems. In Vorbereitung

[14] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[15] Servatius, H.G.: Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2021

[16] Servatius, H.G.: Förderung einer Innovationskultur durch die Führung. In: Competivation Blog, 07.01.2020

Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements

Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements

In Krisenzeiten steigt die Bedeutung des Risikomanagements. Dies gilt auch für die Corona-Pandemie. Mit einem neuen Portfoliokonzept stellen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand.

 

In diesem Blogpost erläutern wir, wie Sie den Prozess für Innovationsstrategien an die veränderte Situation anpassen können.

 

Automobilbranche vor großen Herausforderungen

In den ersten Monaten nach Ausbruch der Corona-Pandemie lag der Fokus der meisten Unternehmen beim operativen Krisenmanagement. Inzwischen haben die Führungskräfte vieler Branchen realisiert, dass neben der Corona-Krise auch der Klimawandel und die Digitalisierung weiterhin mit großen Herausforderungen verbunden sind, die es zu meistern gilt. Ein Beispiel ist die Automobilindustrie, in der Hersteller und Zulieferer sowohl ihre bestehenden Geschäftsmodelle optimieren als auch neue Geschäftsmodelle erschließen müssen.1 In unserem Blogpost zu einem 21st Century Management haben wir skizziert, warum die großen Herausforderungen Weiterentwicklungen auf der normativen, der strategischen und der operativen Managementebene erfordern.2

 

Prozess für Innovationsstrategien und neue Geschäftsmodelle

Ein Treiber des Wandels auf der strategischen Ebene sind digitale Technologien, wie das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz, die immer stärker zusammenwachsen. Diese Konvergenz beschreibt der Begriff Artificial Intelligence of Things (AIoT). Bildlich gesprochen funktioniert dabei Artificial Intelligence wie ein Gehirn und das Internet of Things wie ein Nervensystem.3

Bei Vorreiter-Unternehmen ist ein neues Best-Practice-Modell entstanden, wie die Gestaltung von Innovationsstrategien und von neuen oder verbesserten Geschäftsmodellen in einem offenen Lernprozess verknüpft sind. Dieses in der Praxis bewährte Modell haben wir in unserem aktuellen Buch über die Game-Changer-Wirkung digitaler Technologien behandelt.4 Dabei bildet der Strategieprozess den Rahmen für agile Geschäftsmodell-Innovationen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Aber nicht nur diese Verknüpfung ist eine Prozess-Innovation, sondern auch bei den Phasen des Innovationsstrategie-Prozesses gibt es wichtige Verbesserungen. In der ersten Phase versuchen Unternehmen seit langem, mit Corporate-Foresight-Methoden neue Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. In der Vergangenheit hat dies selten zu radikalen Innovationen geführt. Von echten Game Changern können Unternehmen hingegen lernen, wie man die strategische Vorausschau mit einem Game-Changer-Radar verbessert.5

Die so identifizierten Innovationsfelder werden in einer zweiten Phase mit dem Ziel analysiert, strategische Optionen abzuleiten, Ressourcen zuzuordnen und die priorisierten Optionen in Innovationsprojekten umzusetzen. Dabei erlebt das Portfoliokonzept gegenwärtig eine Renaissance, allerdings in einer weiterentwickelten Form, bei der man Risiken und finanzielle Ergebnisse von Geschäftsmodellen analysiert.6

Eine wichtige strategische Option ist häufig der Ausbau des eigenen Innovationsökosystems in Form einer Zusammenarbeit mit Partnern, z.B. IT-Unternehmen und Start-ups. Lange vernachlässigt wurde die Bedeutung von Public-Private Innovation Ecosystems mit leistungsfähigen Forschungseinrichtungen als Partnern und einem unternehmerischen Staat, der z.B. beim Thema Nachhaltigkeit die richtigen Impulse setzt.7

Neben diesen drei Phasen stellt sich die Aufgabe, eine für die vorhandenen und neuen Geschäftsmodelle geeignete digitale Architektur zu gestalten. Da viele Unternehmen nicht über die Kompetenz verfügen, die Möglichkeiten des Internets der Dinge und von Künstlicher Intelligenz alleine auszuschöpfen, wird die Zusammenarbeit mit AIoT-Plattformpartnern immer wichtiger.8

Im Folgenden wollen wir näher auf die Phase zwei und die Weiterentwicklung des Portfoliokonzepts eingehen. Die anderen Phasen behandeln wir ausführlich in späteren Blogposts.

 

Weiterentwicklung des Portfoliokonzepts

Die Portfolioanalyse hat eine längere Entwicklungsgeschichte. In den 1950er Jahren beschrieb der spätere Nobelpreisträger Harry Markowitz das Konzept eines Investitionsportfolios unter Risikoaspekten. In den durch Diversifikation geprägten 1970er Jahren übertrugen Beratungsunternehmen diesen Grundgedanken auf Geschäftsfelder. In den 1980er Jahren bildete die Erweiterung um Technologie-Portfolios einen wichtigen methodischen Baustein des strategischen Technologie-Managements.9 Mit Hilfe dieser beiden Portfoliotypen analysierten Unternehmen z.B., welchen Beitrag innovative Technologien zur Erneuerung reifer Geschäftsfelder leisten. An dieses Prinzip von Exploration und Exploitation knüpft das Strategyzer-Team um Alex Osterwalder mit seinem Geschäftsmodell-Doppelportfolio an.

Das Geschäftsmodell-Doppelportfolio unterscheidet zwischen neuen und bestehenden Geschäften

Dabei unterscheidet Osterwalder zwischen einem Innovationsportfolio für neue Geschäftsmodelle sowie einem Optimierungs- und Restrukturierungsportfolio für bestehende Geschäftsmodelle. Interessant ist die Wahl der Achsen, nämlich Risiken und finanzielle Ergebnisse, mit der eine Art Rückbesinnung auf den Nobelpreisträger Markowitz erfolgt.

Unter dem Begriff Risiko versteht man allgemein die Möglichkeit, dass etwas für das Unternehmen Schlechtes passiert. Einem benannten Risiko werden eine messbare Eintrittswahrscheinlichkeit und ein Schadenausmaß zugeordnet. Das Risikomanagement strebt die Identifikation, Analyse und Bewertung von Risiken an. Zur Beobachtung, Minderung und Bewältigung von Risiken ist ein koordinierter Ressourceneinsatz erforderlich. Mit der Bewältigung von Risiken kann eine Nutzung der sich ergebenden Chancen verbunden sind. Ein Beispiel ist die Verbesserung des Bausteins eines bestehenden Geschäftsmodells ausgehend von einem bekannten Geschäftsmodell-Muster.10

Aus den Portfolio-Positionen der neuen und der bestehenden Geschäftsmodelle ergeben sich Hinweise auf mögliche strategische Optionen. Diese statische Betrachtung wird durch eine dynamische Sicht ergänzt, wie z.B. im Innovationsportfolio die erfolgreiche Suche und das Testen von Ideen zu einer Risikominderung und Steigerung des finanziellen Ergebnisses führen.

Bei der Betrachtung bestehender Geschäftsmodelle verdeutlicht die Portfolio-Analyse, welche Business Models z.B. aufgrund der Risiken sinkender Nachfrage und einer möglichen Disruption absturzgefährdet sind.

 

Risiken von Geschäftsmodellen

Das Grundprinzip des Geschäftsmodell-Portfolios ist einfach zu vermitteln. Dennoch haben wir in Beratungsprojekten festgestellt, dass sich Praktiker mit seiner Anwendung schwertun. Eine der Schwierigkeiten liegt in der Zuordnung und Bewertung der Risikofaktoren eines Geschäftsmodells. Ein erster Schritt zur Bewältigung dieses Problems ist die systematische Gliederung von Risikofaktoren in einer Checklist.11 Dabei verwenden wir neben dem Umfeld vier interne Risikofaktorgruppen, die für bestehende und neue Geschäftsmodelle eine unterschiedliche Bedeutung haben können.

Risikofaktoren für Geschäftsmodelle

Wenn man bedenkt, dass die in Unternehmen am weitesten verbreitete Methode des Risikomanagements eine einfache Risikomatrix ist, die Schadenausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken mit verbalen Beschreibungen misst, so wird deutlich, dass mit einer Checklist der Risikofaktoren allein die Probleme von Anwendern nicht gelöst sind.

Leider verzichten viele Praktiker trotz der theoretischen Möglichkeiten von quantitativen Risikomethoden auf deren Nutzung. Häufige Argumente sind, diese seien zu kompliziert und man habe nicht die Kompetenz, anspruchsvollere Methoden anzuwenden.12

Vor- und Nachteile Risikomanagement-Methoden

Eine pragmatische Empfehlung ist daher, ein interdisziplinär besetztes Team zu bilden und mit der Analyse des Geschäftsmodell-Portfolios zu beginnen. Je nach Bedarf können dabei interne oder externe Risikoexperten hinzugezogen werden. Entscheidend ist, das Risikobewusstsein für neue und bestehende Geschäftsmodelle zu schärfen.

 

Fazit

  • Vorreiter-Unternehmen haben das Prozessmodell für Innovationsstrategien und neue Geschäftsmodelle verbessert
  • Eine wichtige Weiterentwicklung betrifft die Analyse bestehender und neuer Geschäftsmodelle mit einem Portfoliokonzept
  • Dieses Doppelportfolio betrachtet Risiken und finanzielle Ergebnisse
  • Ein wichtiger Schritt ist die Zuordnung von Risikofaktoren zu Geschäftsmodellen
  • Bei einem pragmatischen Vorgehen steigert das Unternehmen schrittweise seine Analysefähigkeiten und sein Risikobewusstsein

 

Literatur

[1] Hucko, M.: Kolbenfresser. In: Manager Magazin, November 2020, S. 78-81

[2] Servatius, H.G.: 21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. In: Competivation Blog, 29. Juli 2020

[3] Marr, B.: What is the Artificial Intelligence of Things? When AI Meets IoT. In: Forbes, 20. Dezember 2019

[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer, Wiesbaden 2020, S. 67 ff.

[5] Mc Grath, R.: Seeing Around Corners, Boston 2019

[6] Osterwalder, A. et. al.: The Invincible Company, Hoboken 2020

[7] Mazzucato, M.: The Entrepreneurial State, New York 2015

[8] Iansiti, M., Lakhani, K.R., Competing in the Age of AI, Boston 2020

[9] Servatius, H.G.: Methodik des strategischen Technologie-Managements, Berlin 1984

[10] Osterwalder, a.a.O., S. 138 ff.

[11] Brillinger, A.S., Els, C. Schäfer, B., Bender, B.: Business Model Risk and Uncertainty Factors – Toward Building and Maintaining Profitable and Sustainable Business Models. In: Business Horizons, 2020 (63), S. 121-130

[12] Hubbard, D.W.: The Failure of Risk Management, 2. Aufl., Hoboken 2020

21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen

21st Century Management zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen

Bereits vor der Corona-Krise haben amerikanische und asiatische Digitalgiganten die Praxis der Unternehmensführung weiterentwickelt. Auch Europa muss seinen Weg zu einem 21st Century Management finden.

In diesem Blogpost berichten wir über Management-Innovationen in Pionier-Unternehmen, die die Grundlage für entscheidende Wettbewerbsvorteile bilden.

 

Management-Innovationen in Pionier-Unternehmen

In den letzten Jahren ist eine Fülle interessanter Publikationen erschienen, die Management-Innovationen bei Unternehmen wie Amazon, Alphabet (Google), Alibaba und Tencent beschreiben. Wir haben diese Literaturflut zum Anlass genommen, gemeinsam mit Partnern im Rahmen unseres Projekts „21st Century Management“ einen Orientierungsrahmen zu entwickeln, der es europäischen Organisationen ermöglicht, die Erfahrungen dieser Pionier-Unternehmen zu nutzen und an ihre spezifische Situation anzupassen. Angesichts der sich verschärfenden wirtschaftspolitischen Konflikte erscheint es wichtig, dass europäische Unternehmen nicht in eine zu starke Abhängigkeit von IT-Partnern geraten, aus denen Wettbewerber werden können.

Ein solches 21st Century Management muss neben der Corona-Krise große Herausforderungen wie den digitalen Wandel und das Thema Nachhaltigkeit meistern. Dabei bieten gerade Nachhaltigkeitsinnovationen, wie z.B. die Wasserstoff-Herstellung1, Chancen für europäische Unternehmen, die diese gemeinsam mit der Politik nutzen sollten.

In diesen und folgenden Beiträgen skizzieren wir ein solches 21st Century Management.

 

Integriertes Management als Ausgangspunkt

In den 1990er Jahren ist das Konzept eines integrierten Managements entstanden, das die Betriebswirtschaftslehre geprägt hat. Dieses unterscheidet zwischen den Ebenen eines normativen, strategischen und operativen Managements. Aufgabe des normativen Managements ist die Gestaltung der Unternehmenspolitik im Sinne eines Interessenausgleichs zwischen dem Unternehmen und relevanten Bezugsgruppen (Stakeholdern). Im Mittelpunkt des strategischen Managements stehen Programme zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Das operative Management bewältigt die konkreten Aufträge im Tagesgeschäft.2

Dieser integrierte Ansatz bildet den Ausgangspunkt für ein 21st Century Management. Er bedarf jedoch einer Weiterentwicklung auf allen Ebenen. Diese Weiterentwicklung nutzt die Erfahrung erfolgreicher Management-Pioniere.

 

Lernen von erfolgreichen Management-Pionieren

Ein 21st Century Management verknüpft innovative Konzepte auf der normativen und der strategischen Ebene mit neuen Ansätzen auf der Ebene der organisatorischen Gestaltung. Diese Management-Innovationen sind

  • die Schaffung von Vertrauen durch einen gemeinsamen Sinn (Purpose)
  • eine Entwicklung des Portfolios entstehender und neuer Geschäftsmodelle sowie
  • der Wandel zu Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams als Organisationsform

Die in der Praxis erfolgreicher Unternehmen entstandenen Neuerungen beeinflussen sowohl die klassischen betriebswirtschaftlichen Funktionslehren für die Produktion und das Marketing als auch Querschnittsdisziplinen wie Strategie, Innovation, Organisation und Personal.

 

 

Ein Kennzeichen der entstehenden Purpose Economy ist, dass große Innovationsaufgaben seitens der Stakeholder Vertrauen bezüglich des Sinns der beteiligten Unternehmen erfordern. Im Unterschied zu traditionellen Leitbildern entfaltet sich ein Purpose durch das konkrete Verhalten der Akteure im Tagesgeschäft.

Auf der strategischen Ebene stehen Unternehmen vor der Aufgabe, das Portfolio ihrer bestehenden Geschäftsmodelle gegen Risiken zu verteidigen und gleichzeitig neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Das Ziel ist die Schaffung eines nachhaltigen Nutzens.

Neue Organisationsformen konnten sich lange Zeit nicht gegen die traditionellen Konzepte des Industriezeitalters durchsetzen. Hier zeichnet sich eine Veränderung ab. Erfolgreiche Digitalgiganten kombinieren Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams und erreichen so Wettbewerbsvorteile. Die Herausforderung für die etablierten Unternehmen liegt in einer situativ angemessenen Bewältigung des Wandels zu einer agilen Plattform-Organisation.

Mit dem vor einigen Jahren entstandenen Begriff 21st Century Management wollen wir zum Ausdruck bringen, dass die skizzierten neuen Managementaufgaben etwa seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts eine konkretere Form annehmen.3 In diesem Projekt entwickeln wir unsere Überlegungen zu einem Management 4.0 weiter.4

 

Bosch als Vorreiter

Ein europäisches Vorreiter-Unternehmen des 21st Century Management ist Bosch. Der Vorsitzende der Geschäftsführung Volkmar Denner sieht das Unternehmen mit seiner IoT Cloud auf dem Weg zu einer Internet of Things Company. Das bedeutet, dass eine eigene IoT-Infrastruktur die Basis für unterschiedliche Anwendungsmuster bildet. Außerdem arbeitet Bosch seit langem mit agilen Methoden und erprobt die Skalierung von agilen Innovationsteams. Wichtig ist darüber hinaus, dass Führungskräfte bei Bosch in ihrer Arbeit selbst agile Prinzipien anwenden. Seine Software- und Elektronikkompetenz bündelt das Unternehmen nun in einer neuen Geschäftseinheit.5 Dies sind wichtige Schritte in Richtung auf eine agile Plattform-Organisation.

Aber auch ein solches Vorreiter-Unternehmen muss sich der härter werdenden Konkurrenz durch Microsoft und Amazon Web Services (AWS), den führenden Anbietern von Cloud-Infrastrukturen, stellen. Diese Hyperscaler mit ihren großen Rechenzentren schaffen die Grundlage für eine Optimierung von Standorten und Lieferketten, wie z.B. bei VW.6 Der Wettlauf um die führende Rolle bei der Digitalisierung der Industrie ist also noch nicht entschieden.

 

Fazit

  • Amerikanische und chinesische Unternehmen haben das integrierte Management auf der normativen, strategischen und organisatorischen Ebene weiterentwickelt
  • Auf der normativen Ebene trägt der im Tagesgeschäft gelebte gemeinsame Sinn (Purpose) dazu bei, Vertrauen bei Stakeholdern zu schaffen
  • Ein Portfolio neuer und bestehender Geschäftsmodelle hilft auf der strategischen Ebene, Risiken zu bewältigen und einen nachhaltigen Nutzen zu schaffen
  • Der Wandel zu Ressourcen-Plattformen mit agilen Teams ermöglicht auf der organisatorischen Ebene die Realisierung eines 21st Century Managements
  • Wir unterstützen Unternehmen dabei, den für ihre spezifische Situation richtigen Ansatz zu finden

 

Literatur

[1] Stratmann, K., Witsch, K.: Die Wasserstoff-Welt der Zukunft. In: Handelsblatt, 08. Juli 2020, S. 8-9

[2] Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management, Frankfurt 1991

[3] Lindgren, M.: 21st Century Management – Leadership and Innovation in the Thought Economy, Basingstoke 2012

[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020

[5] Buchenau, M., Tyborski, R.: Bosch programmiert das Auto der Zukunft. In: Handelsblatt, 22. Juli 2020, S. 18-19

[6] Müller, E.: Aus allen Wolken. In: Manager Magazin, August 2020, S. 96-99

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