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Warum der digitale Wandel evolutionär verläuft

Warum der digitale Wandel evolutionär verläuft

Der Versuch, etablierte Organisationen digital zu transformieren, führt oft zu enttäuschten Erwartungen. Eine digitale Evolution ist Erfolg versprechender.

 

In diesem Blogpost stellen wir das grundlegende Verständnis, wie sich der digitale Wandel vollzieht, auf den Prüfstand.

 

Defizite bei der Digitalisierung

Defizite bei der Digitalisierung haben in unserem Land viele Ursachen. Offensichtlich fehlen auf der politischen Ebene sowohl ein Konzept zur Koordination der verschiedenen Ministerien als auch ein Ansatz zur Umsetzung notwendiger Programme.1 Aber auch beim Technologietransfer von der Grundlagenforschung zu praktischen Anwendungen klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. So hat z.B. das mit vielen Millionen Euro geförderte Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) den Trend zum maschinellen Lernen verpasst.2

Neben diesen Versäumnissen geht aber auch das grundlegende Verständnis des digitalen Wandels möglicherweise von falschen Annahmen aus. Eine solche Fehleinschätzung ist die Vorstellung vieler Beobachter, die Digitalisierung verlaufe in Form einer Transformation.

 

Digitale Transformation oder Evolution?

Ohne Zweifel gehört die Digitalisierung zu den großen Herausforderungen für Organisationen. Es mehren sich jedoch die Stimmen von Praktikern, die meinen, der weit verbreitete Begriff digitale Transformation sei inzwischen zu einem Schlagwort mit unklarer Bedeutung geworden, das in die Irre führe und vielleicht sogar den Wandel gefährde.3 Immerhin spreche man seit rund fünfzig Jahren von Digitalisierung und ein Ende dieses Prozesses ist nicht absehbar.

Außerdem passe der Begriff digitale Evolution (oder Entwicklung) besser, da offene Systeme ständig in Bewegung sind. Hieraus resultiere die Bedeutung der Fähigkeit umzudenken, die den Erfolg von Digitalunternehmen ausmache. In einer Reihe von Branchen wie z.B. dem Handel komme es auch nicht zu einem vollständigen Wandel vom Analog- zum Digitalgeschäft, wie der Begriff Transformation suggeriere, sondern zu einer spezifischen Verbindung von analogen und digitalen Elementen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass digitale Transformationsprogramme oft nicht die mit diesem Begriff verbundenen hohen Erwartungen erfüllen. Dennoch hält sich die Vorstellung von einer umfassenden Transformation etablierter Organisationen ausgehend von digitalen Technologien hartnäckig.4

Häufig spricht man auch von einer notwendigen digitalen Transformation, wenn, wie z.B. in der öffentlichen Verwaltung, über Jahrzehnte versäumt wurde, notwendige Maßnahmen umzusetzen. In diesem Kontext hat der Begriff eine reaktive Komponente, die auf Führungsdefizite hindeutet.

Besorgniserregend ist darüber hinaus, dass der Begriff einer digitalen und auch ökologischen Transformation aller Lebensbereiche gerne von politischen Gruppierungen benutzt wird, die eigentlich einen umfassenden Systemwechsel mit radikalen Veränderungen anstreben. Transformation ist hier ein Tarnbegriff, der in Wahrheit eine politische Machtverschiebung meint, dies aber nicht offen ausspricht.

 

Gemeinsamkeit und Unterschiede

Beim Thema Digitalisierung hat die Managementlehre den Transformationsbegriff relativ unkritisch aus der Politikwissenschaft übernommen.5 Daher gehen wir der Frage nach, was mit Transformation und was mit Evolution gemeint ist. Hieraus ergeben sich die Unterschiede zwischen einer digitalen Transformation und einer digitalen Evolution.

Eine Gemeinsamkeit beider Konzepte ist die Anwendung digitaler Querschnittstechnologien, deren Ursprünge z.B. bei der Künstlichen Intelligenz in den 1950er Jahren und beim Internet der Dinge in den 1990er Jahren liegen.6 Insbesondere die Konvergenz dieser Technologiefelder zu einer Artificial Intelligence of Things (AIoT) hat einen starken Einfluss (Impact) auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. So sind digitale Technologien zu einer wichtigen Quelle für Wettbewerbsvorteile von Unternehmen und den Wohlstand von Staaten geworden.

Der Begriff Transformation beschreibt die grundlegende Veränderung z.B. eines politischen Systems oder des Geschäftsmodells eines Unternehmens. Eng mit diesem Begriff verknüpft ist die Vorstellung des Übergangs (Transition) von einem (Gleichgewichts-)Zustand zu einem anderen. Oft geht dies einher mit einer negativen Bewertung des alten und einer positiven Bewertung des neuen Zustands. Ein Beispiel ist die Unterscheidung zwischen der Old Economy und einer New Economy um die Jahrtausendwende. Eine solche negative Bewertung des alten Zustands führt nicht selten zum Widerstand der betroffenen Akteure und der Entstehung von Blockaden z.B. von Teilen der etablierten Organisation gegenüber neuen Digitaleinheiten.

Interessant ist auch, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodell von einer digitalen Disruption bedroht ist, wie z.B. in der Tourismusbranche oder im Handel, häufig nicht mit einer umfassenden Transformation reagieren, sondern mit einer hybriden Strategie, die die Fortsetzung des analogen Geschäfts mit einer schrittweisen Digitalisierung kombiniert. So hat der Lebensmittelhändler Rewe vor knapp sieben Jahren das damalige Start-up Commercetools akquiriert, das Software für den elektronischen Handel entwickelt und heute sehr erfolgreich ist. Rewe-Chef Lionel Souque ist der Meinung, der Tanker Rewe brauche viele kleine Schnellboote. die ungefähr in die gleiche Richtung fahren, denen man aber ansonsten Freiheiten lässt.5 Diese Strategie lässt sich eher als digitale Evolution beschreiben.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Als Evolution bezeichnet man allgemein die schrittweise Weiterentwicklung z.B. von biologischen, technischen, wirtschaftlichen oder sozialen Systemen. Evolution ermöglicht eine Bewältigung von Komplexität durch geeignete Rahmenbedingungen und eine stärker selbstorganisierte Zusammenarbeit der Akteure. Im Mittelpunkt stehen gemeinsame ergebnisoffene Lernprozesse ausgehend von Hypothesen, die getestet werden. Eine zentrale Erkenntnis der neueren Komplexitätstheorie ist, dass dieses Erfolgsmuster nicht auf die Evolution von biologischen Systemen beschränkt ist, sondern auch für Organisationen und Volkswirtschaften gilt.8 Dabei ist wichtig, dass ein evolutionärer Ansatz die Verbindungen (Konnektivität) zwischen Systemen, ihren Bausteinen und den relevanten Akteuren (Stakeholdern) fördert.9 Deshalb erscheint das Konzept einer Evolution oder Koevolution besser als ein transformativer Ansatz für die Digitalisierung von politischen und wirtschaftlichen Systemen geeignet.

 

Disruptive Geschäftsmodelle und eine neue Phase der Produktivitätssteigerung

Eine solche digitale Evolution von Unternehmen vollzieht sich gegenwärtig in zwei wichtigen Handlungsfeldern, die miteinander verbunden sind. Der Fokus des ersten Handlungsfeldes, das mit dem Online-Handel (E-Commerce) Mitte der 1990er Jahre begonnen hat, liegt bei der Disruption durch innovative Geschäftsmodelle und dort insbesondere bei den Bausteinen Wertversprechen, Kundenkanäle und Art der Gewinnerzielung.10

Das zweite Handlungsfeld startete als Weiterentwicklung des Business Process Reengineering Ende der 1990er Jahre mit dem Process Mining. Der 2011 geprägte Begriff Industrie 4.0 betonte die Bedeutung von Anwendungen in der Produktion. Aus einer Verknüpfung dieser Ansätze mit der AIoT-Technologie Robotic Process Automation (RPA) hat sich eine neue Phase der Produktivitätssteigerung entwickelt.11 Das Münchner Start-up-Unternehmen Celonis bezeichnet dies als Execution Management System (EMS), SAP spricht von Business Process Intelligence (BPI). Parallel zu dieser Digitalisierung der Prozesse entwickelten sich die Anbieter von Low-Code-Software weiter. So wurde z.B. das israelische Start-up-Unternehmen Monday.com bei seinem Börsengang in den USA mit sieben Milliarden Dollar bewertet.12

 

 

Die Disruption durch innovative Geschäftsmodelle geht vor allem von Start-ups und den großen Tech-Konzernen aus. Da die angegriffenen etablierten Unternehmen Ausmaß und Geschwindigkeit der Disruption schwer einschätzen können, reagieren sie häufig mit dem Aufbau von Corporate Digital Units, die in der Regel einen kulturellen Abstand zur Basisorganisation haben.13 Viele Unternehmen befinden sich gegenwärtig in dieser Phase, Andere wie z.B. Daimler haben sich bereits wieder von einem solchen Ansatz verabschiedet und setzen auf die innovative Weiterentwicklung des Kerngeschäfts.14

 

Die digitale Architektur als Barriere

Eine bedeutende Barriere für die von einer Disruption des eigenen Geschäfts-modelles betroffenen Unternehmen ist ihre digitale Architektur. Häufig existiert keine zentrale Technologie- und Daten-Plattform oder man befindet sich in einer großen Abhängigkeit von Plattform-Partnern, die einen wichtigen Teil der KI-basierten Wertschöpfung übernehmen.15

Die Relevanz dieser Barriere resultiert unter anderem daraus, dass eine weiterentwickelte digitale Architektur das Bindeglied zwischen innovativen Geschäftsmodellen und produktiveren Prozessen bildet.

 

Zunehmende Bedeutung von Business Process Intelligence

Wichtige Impulse für das Process Mining sind von dem niederländischen Professor Wil van der Aalst ausgegangen, der an der RWTH Aachen die Gruppe Process and Data Science leitet.16 In Verbindung mit Robotic Process Automation entstehen in praktisch allen Branchen und auch im öffentlichen Sektor neue Möglichkeiten zur Steigerung der Produktivität von Kernprozessen. Der Co-Geschäftsführer von Celonis, Bastian Nominacher schätzt, dass der adressierbare Markt 60 bis 70 Milliarden Dollar groß ist.17 Wil von der Aalst arbeitet neben seiner Tätigkeit an der RWTH Aachen als Chef-Wissenschaftler für Celonis.18

Nach der Übernahme des Start-ups Signavio sieht SAP den Geschäftsbereich Business Process Intelligence als Kern seines Geschäftsmodells.19 Natürlich wird es bei dieser neuen Phase einer AIoT- getriebenen Produktivitätssteigerung Pioniere und Nachzügler geben. Leider gehören zu den Nachzüglern in Deutschland auch die öffentlichen Verwaltungen, für die das Thema eine große Herausforderung darstellt.

Ein konnnektives Management, das disruptive Geschäftsmodelle und produktivere Prozesse verbindet, entwickelt den seit langem bekannten Ambidextrie-Ansatz weiter, der eine Balance zwischen Exploration und Exploitation anstrebt.20 Die großen Digitalkonzerne setzen dabei auf das Rahmenkonzept einer Plattform-Organisation mit agilen Teams.21

 

Führungskompetenzen bei einer digitalen Evolution

Möglicherweise hat sich der Begriff der digitalen Transformation so lange gehalten, weil er gut zu einem machtdominierten traditionellen Management passt, bei dem die Chefetage strategische Pläne entwickelt, die die „Untergebenen“ dann umsetzen. Diese Vorstellung ist natürlich so heute nicht mehr zeitgemäß. In meiner 1991 erschienenen Habilitation habe ich die notwendig erscheinende Weiterentwicklung des strategischen Managements zu einer evolutionären Führung beschrieben.22 Im Mittelpunkt stehen dabei die Gestaltung eines Ordnungsrahmens für gemeinsame Lernprozesse und das Hinterfragen von Annahmen.

Dreißig Jahre später argumentiert der Organisationspsychologe und Wharton-Professor Adam Grant ähnlich. Er unterscheidet zwischen den Mindsets von Predigern, Politikern, Staatsanwälten und Wissenschaftlern. Der Mindset traditioneller Manager gleiche dem der drei erstgennanten Berufsgruppen. Dabei bestehe aber immer die Gefahr einer Selbstüberschätzung. Der Mindset erfolgreiche Start-ups und Digital-Unternehmer ähnele hingegen eher dem von Wissenschaftlern. Charakteristisch für deren Mindset seien Zyklen des Überdenkens, die durch Demut. Zweifel und Neugier geprägt sind.23

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Ein solcher Rethinking Cycle anstelle des Overconfidence Cycle bildet die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Evolution. Der Overconfidence Cycle kann hingegen leicht zu der irrigen Annahme führen, der Prozess einer digitalen Transformation sei abgeschlossen.

Für Deutschland, das sich ja gerne als Land der Denker, Wissenschaftler und Ingenieure sieht, sind das eigentlich gute Nachrichten. Es wäre allerdings notwendig, bei der Vermittlung von Führungskompetenzen stärker auf evolutionäre Zyklen des Überdenkens und agile Umsetzungsprozesse zu setzen.

 

Fazit

  • Die Digitalisierung verläuft eher nach dem Muster einer digitalen Evolution als dem einer digitalen Transformation
  • Die beiden miteinander verbundenen Handlungsfelder einer digitalen Evolution sind die Disruption durch innovative Geschäftsmodelle und eine Produktivitätssteigerung mit Business Process Intelligence
  • In beiden Handlungsfeldern spielt die Gestaltung eines Ordnungsrahmens für gemeinsame Lernprozesse eine zentrale Rolle
  • Wichtige Führungskompetenzen erfolgreicher Digital-Unternehmer sind die Moderation von Zyklen des Überdenkens von Hypothesen und eine Förderung agiler Umsetzungsprozesse

 

Literatur

[1] Alvares de Souza Soares, P., Kyriasoglou, C.: Systemausfall im Kanzleramt. In: Manager Magazin, Oktober 2021, S. 78-84

[2] Scholz, C.: Anspruch und Realität. In: Handelsblatt, 20. September 2021, S.12-13

[3] MacInnes, B.: Digital Transformation or Digital Evolution. In: MicroScope, 1. April 2021

[4] Saldanha, T.: Why Digital Transformations Fail – The Surprising Disciplines of How to Take Off and Stay Ahead, Oakland 2019

[5] Sandschneider, E.: Stabilität und Transformation politischer Systeme – Stand und Perspektiven politikwissenschaftlicher Transformationsforschung, Wiesbaden 1995

[6] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020, S. 3ff.

[7] Kolf, F.: Rewe baut Tech-Einhorn auf. In: Handelsblatt, 13./15./16. Mai 2021, S. 22

[8] Beinhocker, E.D.: Die Entstehung des Wohlstands – Wie die Evolution die Wirtschaft antreibt, Landsberg am Lech 2007

[9] Servatius, H.G.: Komplexitätsbewältigung als Treiber eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 31.03.2021

[10] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 31 ff.

[11] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 93 ff.

[12] Jahn, T.: Workflow-Software zum Selberbauen. In: Handelsblatt, 14. Juni 2021, S. 44

[13] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 73 ff.

[14] Kyriasoglou, C.: Ausgebremst. In: Manager Magazin, Februar 2020, S. 62-66

[15] Iansiti, M., Lakhani, K.R.: Competing in the Age of AI – Strategy and Leadership When Algorithms and Networks Run the World, Boston 2020

[16] van der Aalst, W.M.P.: Process Mining – Data Science in Action, Second Edition, Heidelberg 2016

[17] Holzki, L.: Celonis-Chef: „Wir haben noch viel größere Visionen“. In: Handelsblatt, 4./5./6. Juni 2021, S. 16-17

[18] Holzki, L.: Chefwissenschaftler für das wertvollste Start-up. In: Handelsblatt, 25. August 2021, S. 46

[19] Kapalschinski, C., Kerkmann C.: SAP will Milliardenzukauf zum Zukunftskern machen. In: Handelsblatt, 1. Juni 2021, S. 21

[20] Tushman, M.L., O’Reilly C.A.: Ambidextrous Organization – Managing Evolutionary and Revolutionary Change. In: California Management Review, 1996, Nr. 4, S. 8-30

[21] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[22] Servatius, H.G.: Vom strategischen Management zur evolutionären Führung – Auf dem Wege zu einem ganzheitlichen Denken und Handeln, Stuttgart 1991

[23] Grant, A.: Think Again – The Power of Knowing What You Don’t Know, London 2021, S. 27ff.

Der Megatrend Konnektivität und seine Treiber

Der Megatrend Konnektivität und seine Treiber

Der neue Megatrend Konnektivität hat verschiedene treibende Kräfte. Dabei verstärken sich die technische Konnektivität digitaler Systeme und ein verbindendes Management wechselseitig.

 

In diesem Blogpost gehen wir der Frage nach, wie Unternehmen die Kraft des Megatrends nutzen können.

 

Kulturelle Vielfalt beim Hidden Champion

Neue Entwicklungen im Management entstehen manchmal an Orten, wo man sie nicht erwartet. Ein solcher Ort ist Maulburg im Schwarzwald, der Sitz des Pumpenherstellers Busch Vacuum Solutions. Das Unternehmen ist ein Vorreiter beim Thema kulturelle Vielfalt, die tief in der DNA des Hidden Champions verankert ist. Ayla Busch, die Vorsitzende des Aufsichtsrats von Pfeiffer Vacuum, ist der Meinung, es sei ein wichtiger Erfolgsfaktor ihres Familienunternehmens, unterschiedliche Kulturen, in denen man agiert, zu verstehen, um auf die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen eingehen zu können.1 Diese Fähigkeit des Managements ist einer der Treiber des neuen Megatrends Konnektivität.2 Daneben gibt es einen weiteren Treiber.

 

Technische Konnektivität als Treiber

Wenn man von einem Megatrend Konnektivität spricht, dann denkt man zunächst an eine technische Konnektivität als Treiber, die z.B. die verschiedenen Systemelemente beim autonomen Fahren verbindet. Ausprägungen dieser technischen Konnektivität sind digitale Technologien, wie das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und Blockchain sowie digitale Infrastrukturen, die die Basis für eine neugestaltete Wertschöpfung von Unternehmen bilden. Diese digitalen Technologien entfalten ihre Game-Changer-Wirkung im Rahmen des digitalen Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft.3 So bildet bei den Technologien der Künstlichen Intelligenz die Mensch-Maschine-Interaktion die Schnittstelle zwischen technischen Systemen und Humansystemen.4

Eine wichtige theoretische Grundlage für diese technische Konnektivität bildet das Konzept der Netzwerk-Ökonomie,5 das es Unternehmen wie Alphabet/ Google und Amazon ermöglichte, dominierende Plattform-Geschäftsmodelle zu realisieren.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Hieraus ergibt sich die spannende Frage, welche Implikationen die technische Konnektivität für das Management hat. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass der zweite große Treiber des Megatrends Konnektivität ein verbindendes Management ist.6 Auch dieses Connective Management hat verschiedene Ausprägungen.

 

Ausprägungen eines verbindenden Managements

Der Paradigmenwechsel zu einem verbindenden Management wurde unter anderem durch agile Methoden eingeläutet. So erkannten die Pioniere des Scrum-Konzepts das Potenzial von selbstorganisierten Teams bei der Komplexitätsbewältigung.7 Parallel dazu entfaltete die Zusammenarbeit verschiedener Partner in Innovation Ecosystems ihre Wirkung.8

Dies alles führt dazu, dass neue Arbeits- und Organisationsformen ihre Exotenrolle überwinden und die traditionellen Hierarchien mit ihren Silostrukturen zumindest ergänzen. Eine solche evolutionäre Organisation9 wird durch kulturelle Vielfalt begünstigt, wie wir am Beispiel des Hidden Champion aus dem Schwarzwald gesehen haben.

Der Megatrend Konnektivität hat neben der technischen also eine Management-Dimension. Diese beiden Dimensionen verstärken sich wechselseitig und fördern so die Koevolution zu einer Connected Company.

 

Koevolution zu einer Connected Company

Den Begriff Connected Company hat der US-amerikanische Managementberater Dave Gray geprägt.10 Im Vorwort zu seinem Buch schreibt Alexander Osterwalder, der Co-Autor des Weltbestsellers Business Model Generation11:

„ […] Dave Gray offers answers for organizing in this new world. […] He weaves together the core elements you need to take into account when designing the connected company: transparent interaction and communication platforms, organizational structures favoring autonomy and adaptation, a culture of experimentation and learning and a new governance and reward system encouraging new behavior and holding it all together.”12

Der Weg vom traditionellen Unternehmen zu einer Connected Company verläuft in Form einer Koevolution. Die eine Dimension dieser Entwicklung ist die technische Konnektivität, bei der digitale Technologien, wie das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz zur Artificial Intelligence of Things (AIoT) verschmelzen. Die andere Dimension ist ein verbindendes Management, das die Konnektivität von Managementbausteinen und ihren Akteuren verbessert. Dabei betont der Begriff Koevolution die Bedeutung des Lernens in diesem Prozess.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Die sich wechselseitig verstärkende Wirkung von technischer Konnektivität und einem verbindenden Management ist es, die letztlich die Kraft des Megatrends Konnektivität ausmacht.

 

Wie Unternehmen diese Kraft nutzen können

Unsere Erfahrung aus Praxisprojekten zum Thema Konnektivität zeigt, dass ein guter erster Schritt die Durchführung eines Audits oder Fitness-Checks ist. Ähnlich wie bei einem Innovationsaudit geht es darum, relevante Herausforderungen im Umfeld zu identifizieren und die Stärken und Schwächen des Unternehmens beim Thema Konnektivität zu analysieren.13

Angesichts der Vielfalt möglicher Anwendungen eines Connective Managements besteht dann der nächste Schritt darin, diese Anwendungen zu priorisieren und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. An der Spitze einer solchen Prioritätenliste steht häufig die organisatorische Umsetzung des digitalen Wandels in Form einer Plattform-Organisation mit agilen Teams.14

 

Fazit

  • Mit dem Thema Konnektivität ist ein neuer Megatrend entstanden
  • Ein wichtiger Treiber ist die technische Konnektivität digitaler Systeme
  • Der zweite Treiber ist ein verbindendes Management
  • Auf dem Weg zu einer Connected Company verstärken sich diese beiden Treiber wechselseitig

 

Literatur

[1] Hecking, M.: „Das setzen wir kompromisslos durch“ (Interview). In: Manager Magazin, Oktober 2021, S. 72-75

[2] Zukunftsinstitut: Megatrend Konnektivität. Website, ohne Jahr

[3] Kaufmann, T., Servatius. H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020

[4] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 93ff.

[5] Shapiro, C., Varian, H.R.: Information Rules – A Strategic Guide to the Network Economy, Boston 1999

[6] Servatius, H.G.: Komplexitätsbewältigung als Treiber eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 31.03.2021

[7] Sutherland, J.J.: The Scrum Fieldbook, New York 2019

[8] Fransman, M.: Innovation Ecosystems – Increasing Competitiveness, Cambridge 2018

[9] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 73ff.

[10] Gray, D.: The Connected Company, Sebastopol 2012

[11] Osterwalder, A., Pigneur, Y.: Business Model Generation – A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers, Hoboken 2010

[12] Gray, a.a.O., S. XV

[13] Servatius H.G.: Auditierung des Innovationssystems eines Unternehmens. In: Competivation Blog, 19.03.2015

[14] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

Innovations- und Nachhaltigkeitssysteme verbinden klassische Managementaufgaben

Innovations- und Nachhaltigkeitssysteme verbinden klassische Managementaufgaben

Die Digitalisierung, der Klimawandel und die Corona-Pandemie verändern die Spielregeln des Managements. Wir erläutern die verbindende Wirkung von Innovations- und Nachhaltigkeitssystemen.

 

Aus der stärkeren Betonung von Innovation and Sustainability ergibt sich die Forderung nach einer verbesserten Governance.

 

Zunehmende Bedeutung von Innovation und Nachhaltigkeit

Innovations- und Nachhaltigkeitsthemen haben in den letzten Jahrzehnten einen starken Bedeutungszuwachs erlebt. Wichtige Treiber dieser Entwicklung sind die Digitalisierung und der Klimawandel. Die Corona-Pandemie hat einerseits Defizite deutlich gemacht, wie z.B. in der öffentlichen Verwaltung, andererseits aber auch Entwicklungen beschleunigt, wie z.B. bei Impfstoffen.

Eine spannende Frage ist, wie dies alles die Spielregeln für gutes Management verändert.1 Von großer Bedeutung ist dabei die Bewältigung von Komplexität. Die Forschung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass eine Komplexitätsbewältigung bei Innovations- und Nachhaltigkeitsherausforderungen systemorientierte Ansätze erfordert.

 

Systemorientierte Ansätze und Wechselwirkungen

Die Entwicklung der Innovationssysteme von Regionen resultiert aus dem Zusammenwirken von Akteuren aus den Sektoren Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.2 Das Gleiche gilt für Nachhaltigkeitssysteme. Dies ist eine grundlegende Erkenntnis der Anwendung der Komplexitätstheorie auf die Felder Innovation and Sustainability. Gleichzeitig nehmen die Wechselwirkungen zwischen Innovations- und Nachhaltigkeitssystemen zu. So können digitale Innovationen und der Aufbau einer Wasserstoff-Industrie Mittel zur Bewältigung des Klimawandels sein.3 Daher wird bei den Themen Innovation and Sustainability eine integrative Perspektive immer wichtiger.

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Eine solche ganzheitliche Sichtweise ist auch bei der Gestaltung der Innovations- und Nachhaltigkeitssysteme von Unternehmen Erfolg versprechend.

 

Verbindung von klassischen Managementaufgaben

Sowohl das Innovations- als auch das Nachhaltigkeitssystem von Unternehmen besteht aus Bausteinen, die interagieren. Den verantwortlichen Führungskräften kommt daher die Rolle von Systemgestaltern zu, die Akteure aus unterschiedlichen Bereichen orchestrieren. In unseren Blogposts haben wir gezeigt, dass die Strukturen des Innovations-4 und des Nachhaltigkeitssystems von Unternehmen5 ähnlich sind. Daher liegt es nahe, dass Chief Innovation und Chief Sustainability Officer intensiver zusammenarbeiten. Im Folgenden wollen wir erläutern, wie die Innovations- und Nachhaltigkeitssysteme von Unternehmen klassische Managementaufgaben verbinden.

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Diese Managementaufgaben gliedern wir in die dargestellten acht Bausteine.

 

Unternehmenspolitik, Strategie und Performance Management

Der erste Baustein, den wir betrachten, ist die Unternehmenspolitik, die Strategie und das Performance Management. Die Ebene der Unternehmenspolitik erlebt seit Jahren eine Renaissance aufgrund der zunehmenden Sinnorientierung von Mitarbeitern, Kunden und Stakeholdern.6 Wichtige Treiber in der sogenannten Pupose Economy sind Nachhaltigkeitsinnovationen, wie z.B. in der Kreislaufwirtschaft, von der eine verbindende Wirkung ausgeht.

 

Innovations- und Nachhaltigkeitsstrategien sind auch immer bedeutender werdende Elemente der Unternehmensstrategie. Die langfristige Überlebensfähigkeit von Unternehmen hängt entscheidend von der Balance zwischen Innovationsvorteilen in neuen und Produktivitätsvorteilen in reifen Geschäftsmodellen ab.7 Eine Analyse des Business-Model-Portfolios erfolgt ausgehend von Risiken und einer nachhaltigen Wertsteigerung.8 In vielen reifen Geschäftsmodellen nimmt der Einfluss von Disruptions- und Umweltrisiken zu.

 

Das Performance Management leitet z.B. mit Hilfe der Objectives and Key Results (OKR-)Methode aus Innovations- und Nachhaltigkeitsstrategien Ziele und Schlüsselergebnisse ab.9 Wichtig für den Umsetzungserfolg sind dabei eine hohe Transparenz und eine gute Vernetzung der Akteure.

 

Kultur, Organisationsgestaltung und Personalmanagement

Gegenstand der Managementbausteine zwei und drei sind die Unternehmenskultur, die Organisationsgestaltung und das Personalmanagement. Eine innovations- und nachhaltigkeitsorientierte Kultur bildete für viele Pionierunternehmen die Keimzelle für ihre späteren Erfolge. Ein Beispiel ist der Outdoorspezialist Patagonia. Das verbindende Element bei diesem Vorreiter aus den USA sind spezifische Werte, die die Führungskräfte vorleben und die diesen Werten zugrunde liegenden Annahmen.10 Beim Patagonia-Gründer Yvon Chouinard ist eine solche Annahme, dass Sportler in der Natur eine besondere Verantwortung für die Umwelt haben.

 

Eine neue Organisationsform ist in großen Digitalkonzernen wie Amazon und Alphabet entstanden. Diese verbindet eine zentrale Ressourcenplattform mit agilen Teams und Netzwerkpartnern. Die zentrale Ressourcenplattform bildet den Kern einer Künstlichen Intelligenz (KI-)basierten Wertschöpfung, die Produktivitätsvorteile, verbesserte Lernprozesse und Geschäftsmodell-Innovationen ermöglicht.11

 

Angesichts neuer Herausforderungen erlebt auch das Personalmanagement gegenwärtig gravierende Veränderungen. Insbesondere gilt das für die Führung von Mitarbeitern und Teams, bei der der Fürsorgefaktor wichtiger wird als der Ego-Faktor der Chefs. Namensgeber für diese neue verbindende Führung ist das Connective-Leadership-Konzept, das eine Erweiterung der Verhaltenspräferenzen z.B. beim Erreichen von Innovations- und Nachhaltigkeitszielen fördert. Dies gelingt mit den verschiedenen Formen einer stärker beziehungsorientierten Führung.12

 

F&E-Management, IT und Digitalisierung

Beim vierten Baustein, der Forschung und Entwicklung (F&E), werden die notwendigen Verbindungen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft besonders deutlich. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert eine verbesserte Innovationspolitik, die gezielt ausgewählten technologischen Missionen zum Durchbruch verhilft.13 Als Beispiel nennt der Verband das autonome Fahren. Die spannende Frage ist, wie es gelingt, derartige Missionen besser zu koordinieren. Dies erfordert neue Formen der Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor. Die Ausgestaltung einer solchen Zusammenarbeit ist gegenwärtig Gegenstand einer intensiven politischen Diskussion.14

 

Eng mit dem Thema Forschung und Entwicklung verknüpft ist unser fünfter Managementbaustein, die Digitalisierung, die alle Unternehmensbereiche durchdringt und auch die Rolle des IT-Managements verändert. Ausgehend von digitalen Querschnittstechnologien, wie dem Internet der Dinge und der Künstlichen Intelligenz entstehen neue Geschäftsmodelle und produktivere Prozesse, die den Wettbewerb zwischen Wirtschaftsräumen verändern. Man kann diskutieren, ob der digitale Wandel transformativ oder evolutionär verläuft.15 Entscheidend ist jedoch das Ergebnis: Regionen, die diesen Wandel nicht erfolgreich meistern, fallen im internationalen Wettbewerb zurück und ihr Wohlstand nimmt ab.

 

Wertschöpfung, Qualitätsmanagement und Marketing

Der Fokus von Managementbaustein Nummer sechs liegt auf der Wertschöpfung und dem Qualitätsmanagement. An diesem Baustein lässt sich die Notwendigkeit einer noch besseren Verbindung von Innovations- und Nachhaltigkeitssystemen verdeutlichen. Prozessinnovationen ermöglichen nicht nur Kostensenkungen, sondern auch das Erreichen von ökologischen und sozialen Zielen. Gleichzeitig wird das Qualitätsmanagement agiler und erlebt durch Nachhaltigkeitsthemen eine Bedeutungserweiterung. Dies alles gelingt aber nur, wenn Unternehmen überholte Silostrukturen überwinden und neue Formen der Zusammenarbeit praktizieren. Ein wichtiges Ziel sind Fortschritte bei der Dekarbonisierung der Wertschöpfung, z.B. in der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie. Dies erfordert den Einsatz neuer grüner Technologien. Nach Schätzungen des Bundesumweltministeriums und des DIHK wird sich das globale Marktvolumen für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz bis 2030 auf rund 9,4 Billionen Euro verdoppeln.16 In der Erschließung dieser Märkte liegen große Chancen für die europäische Industrie.

Die Jahrzehnte alte Forderung des Marketings nach einer stärkeren Kundenorientierung – unser Baustein Nummer sieben – hat durch agile Methoden wie Design Thinking und Scrum neue Impulse bekommen. Gleichzeitig reagieren Kunden kritischer auf ein Greenwashing, das im Marketing immer noch weit verbreitet ist. Beide Entwicklungen erfordern ein verändertes Führungsverhalten. Um dies zu erreichen, setzen Unternehmen verstärkt auf das New Mentoring, bei dem erfahrene Experten neue Managementkonzepte und konnektive Fähigkeiten vermitteln.17

 

Finanzen und Risikomanagement

Die Themen Finanzen und Risikomanagement haben wir zu unserem achten und letzten Managementbaustein zusammengefasst. Die Unternehmen mit der weltweit höchsten Marktkapitalisierung sind überwiegend Digitalkonzerne. Neben der Wertsteigerung ausgehend von digitalen Technologien gewinnt für Finanzverantwortliche das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung.18 In Ratingagenturen sind unterschiedliche Konzepte zur Bewertung der Faktoren Environment, Social and Governance (ESG) entstanden. Bislang sind die verschiedenen ESG-Ratings jedoch schwer vergleichbar, da es hierfür keinen einheitlichen Ansatz gibt. Innovations- und nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen können bei der Entwicklung von Konzepten zu einer Sustainable Value Creation ESG-Kriterien als Orientierungshilfe nutzen. Sie sollten aber vor allem die spezifischen Chancen der eigenen neuen Geschäftsmodelle kommunizieren.19

Neben der Chancenwahrnehmung arbeiten viele Unternehmen an einer Verbesserung ihres Risikomanagements. Die Corona-Pandemie und aktuell die Hochwasser-Katastrophe haben das Bewusstsein für Risiken mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und hoher Schadenswirkung geschärft. Diese sogenannten „Schwarzen Schwäne“ galten lange Zeit als nicht prognostizierbar.20 Eine wichtige Lektion aus den im Umfeld kleinerer Flüsse aufgetretenen Extremschäden ist nun, dass die betroffenen Regionen innovative Programme zur Klimaanpassung umsetzen müssen.

 

Governance-Modell zur Verbesserung der Konnektivität

Eine wichtige Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist, dass die Gestaltung der Verbindungen zwischen dem Innovations- und Nachhaltigkeitssystem von Unternehmen und ihren klassischen Managementbausteinen ein verbessertes Governance-Modell erfordert. Die Verantwortlichen sollten diesen neuen Ordnungsrahmen aktiv gestalten, um auf diese Weise die sich verändernde Praxis von ESG-Ratings zu beeinflussen.

Ein solches Governance-Modell ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Führungsverhalten, Kultur, Organisation und Personalentwicklung. Ein zentraler Erfolgsfaktor dabei ist, dass Unternehmen den Innovations- und Nachhaltigkeitsthemen eine höhere Priorität zuweisen. Die Bewertung von ESG-Faktoren entwickelt sich zu einem Governance, Innovation and Sustainability (GIS-) Rating weiter.

Angesichts der Fülle von Nachhaltigkeitsregeln, die die Europäische Union (EU) z.B. für Fondsgesellschaften plant, 21 sollten sich Unternehmen fragen, wie sie mit einem verbindenden Management echte Nachhaltigkeitsinnovationen schaffen.

 

Fazit

  • Innovationssysteme und Nachhaltigkeitssysteme haben eine ähnliche Struktur und wachsen immer mehr zusammen
  • Von beiden Systemen geht eine verbindende Wirkung auf klassische Managementaufgaben aus
  • Eine neue Herausforderung für Führungskräfte ist es, diese Konnektivität aktiv zu gestalten
  • Dies erfordert ein verbessertes Governance-Modell als Ordnungsrahmen zur Bewältigung der Megatrends Digitalisierung und Klimawandel

 

Literatur

[1] Backovic, L.: Nahbarer, reflektierter, klarer. In: Handelsblatt, 16.,17.,18. Juli 2021, S. 48-52

[2] Blättel-Mink, B., Ebner, A. (Hrsg.): Innovationssysteme – Technologie, Institutionen und die Dynamik, der Wettbewerbsfähigkeit, 2. Aufl., Wiesbaden 2020

[3] Servatius, H.G.: Digital Engineering als Mittel zur Gestaltung nachhaltiger Systeme. In: Competivation Blog, 08.06.2021

[4] Servatius, H.G.: Innovationssysteme gestalten und befähigen. In: Competivation Blog, 22.02.2018

[5] Servatius, H.G.: Erfolgreiche Nachhaltigkeitsinnovationen mit verbesserten Stakeholder-Beziehungen. In: Competivation Blog, 20.02.2020

[6] Servatius, H.G.: Nachhaltigkeitsinnovationen als Werttreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020

[7] Osterwalder, A. et al.: The Invincible Company, Hoboken 2020

[8] Servatius, H.G.: Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements. In: Competivation Blog, 15.11.2020

[9] Servatius, H.G.: Management 4.0 mit Objectives und Key Results (OKR). In: Competivation Blog, 28.03.2019

[10] Servatius, H.G.: Förderung einer Innovationskultur durch die Führung. In: Competivation Blog, 07.01.2020

[11] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[12] Servatius, H.G.: Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2020

[13] Gillmann, B.: Industrie fordert Zugang zu staatlichen Daten In: Handelsblatt, 21. Juli 2021, S.10-11

[14] Mazzucato, M., Stelter, D.: „Wir müssen das Bild vom Staat ändern und ehrgeiziger sein“. In: Manager Magazin, Juni 2021, S. 101-105

[15] Servatius, H.G.: Warum der digitale Wandel evolutionär verläuft. In: Competivation Blog, in Vorbereitung

[16] Knitterscheidt, K., Köhler, D.: Grüne Investitionswelle. In: Handelsblatt, 28. Juli 2021, S, 4-5

[17] Servatius, H.G.: Mentoring-Programme für die Entwicklung konnektiver Fähigkeiten. In: Competivation Blog, 10.05.2021

[18] Leleux, B., van der Kaaij, J.: Winning Sustainability Strategies – Finding Purpose, Driving Innovation and Executing Change. Cham 2019

[19] Servatius, H.G.: Nachhaltige Geschäftsmodelle durch eine verbesserte Stakeholder-Interaktion. In: Competivation Blog, 11.04.2020

[20] Taleb, N.N.: The Black Swan – The Impact of the Highly Improbable, New York 2007

[21] Narat, I., Rezmer, A.: Die grüne Illusion. In: Handelsblatt, 2. September 2021, S. 1, 4-5

Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements

Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements

Die Wurzeln eines Connective Managements liegen in der Personalführung. Eine Bewältigung komplexer Aufgaben wie Digitalisierung und Klimawandel erfordert von Führungskräften erweiterte Verhaltenspräferenzen bei der Zielerreichung.

 

In diesem Blogpost erläutern wir, warum viele Managementaufgaben mit einer „verbindenden“ Führung besser zu meistern sind.

 

Führung nach alter Schule

Wenn der Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens mit dem Aufsichtsrat über seine Vertragsverlängerung streitet, sich gar in einem „Kulturkampf“ mit dem Betriebsrat sieht, so lässt dies Rückschlüsse auf seine Verhaltenspräferenzen bei der Zielerreichung zu.

Dieses Beispiel mag heute kein Vorbild mehr für gutes Management sein.1 Es zeigt jedoch, wie Führung nach alter Schule lange Zeit funktioniert hat. Im Zentrum des Verhaltens erfolgreicher Führungskräfte stand eine ausgeprägte Macht- und Wettbewerbsorientierung, die durch die Managementausbildung verfeinert und von Vorgesetzen gefördert wurde.

Es gibt jedoch seit langem eine bessere Alternative: Die konnektive Führung, die unterschiedliche Verhaltenspräferenzen bei der Erreichung von Zielen verbindet.

 

Zunehmende Bedeutung einer konnektiven Führung

Das Konzept einer konnektiven Führung basiert auf den Arbeiten der US-Wissenschaftlerin Jean Lipman-Blumen, die an der zur Claremont Graduate University gehörenden Drucker School of Management in Kalifornien gelehrt hat. Connective Leadership integriert drei grundlegende Muster mit jeweils drei Verhaltenspräferenzen beim Erreichen von Zielen.2 Diese Muster sind die direkte, die instrumentelle und die beziehungsorientierte Führung.

Lernprozess Innovationsstrategie

Die Verbreitung von Verhaltenspräferenzen hängt auch von der Führungskultur eines Landes ab. So dominiert z.B. in den USA das Muster einer direkten Führung, bei der eine Person eigene Ziele und Aufgaben gerne ohne Einschaltung eines Vermittlers verfolgt. Bei der Verhaltenspräferenz der Wettbewerbsorientierung steht der Wunsch, sich an externen Standards zu messen und zu gewinnen im Vordergrund. Bei der Machtorientierung geht es darum, die Führung zu übernehmen, zu dominieren, zu koordinieren und Ressourcen zu kontrollieren.

Ingenieure, Innovatoren und Start-up-Unternehmer sind häufig stärker intrinsisch orientiert. Bei ihnen stehen die innere Begeisterung für eine Aufgabe und eigene Leistungsstandards im Vordergrund. Zwischen Personen mit intrinsischer Verhaltenspräferenz und solchen mit ausgeprägter Macht- und Wettbewerbsorientierung kommt es nicht selten zu Konflikten.

Die Forschung zeigt nun, dass zur Bewältigung komplexer Probleme eine Erweiterung eigener, zu enger Verhaltenspräferenzen Erfolg versprechend ist. Hierbei kommen eine instrumentelle und eine beziehungsorientierte Führung ins Spiel. Instrumentell bedeutet, dass man neben der eigenen Person Netzwerke und Ressourcen als Mittel in einem politischen Prozess nutzt. Beziehungsorientierte Führungskräfte verbinden eigene Ziele mit den Zielen anderer, mit denen man sich identifiziert und so Brücken baut. Eine konnektive Führung spielt quasi auf der gesamten Klaviatur der Verhaltenspräferenzen und setzt diese situativ richtig ein.

Lernprozess Innovationsstrategie
Lernprozess Innovationsstrategie

Trotz des unmittelbar einleuchtenden Nutzens ist Connective Leadership in der Praxis europäischer Unternehmen bislang ein relativ wenig bekanntes Konzept. Dennoch beruht der Erfolg vieler Hidden Champions auf der zumindest unbewussten Anwendung einer stärker instrumentellen und beziehungsorientierten Führung.

 

Stärker instrumentelle und beziehungsorientierte Führung

Bei der instrumentellen Führung unterscheidet man zwischen den Ausprägungen einer persönlichen, sozialen oder anvertrauenden Führung. Die persönliche Führung setzt auf Eigenschaften wie Charisma, Symbole oder auch selbstironischen Humor und Überzeugungskraft. Personen, die eine soziale Führung praktizieren, legen Wert auf den Aufbau und die Pflege von informellen Netzwerken und Kontakten. Bei der anvertrauenden Führung wird Verantwortung ausgewählten Personen übertragen, die die Umsetzung übernehmen.

Wieder etwas andere Schwerpunkt legt die beziehungsorientierte Führung mit den Ausprägungen kooperativ, beitragend oder stellvertretend. Eine kooperative Führung bündelt Kräfte, um Konflikte zu lösen und gemeinsame Visionen zu erreichen. Der Begriff beitragend meint, anderen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Eng damit verwandt ist die stellvertretende Führung, bei der Personen eine Mentorenrolle für andere übernehmen.

 

Personalentwicklung mit einem individuellen Mentoring

In Zeiten erhöhter Unsicherheit und Mehrdeutigkeit steigt die Bedeutung einer verbindenden Führung. Gleichzeitig werden die Defizite einer zu engen direkten Führung deutlich. Jeder kennt Situationen, in denen es einen Mismatch gibt zwischen dem eigenen Verhalten und

– einer vorherrschenden Organisationskultur

– der jeweiligen Rolle in der Organisation

– dem Verhalten anderer Teammitglieder oder

– einer Interpretation des eigenen Verhaltens durch andere.

Gute Führungskräfte haben gelernt, mit solchen Situationen angemessen umzugehen. Eine wichtige Aufgabe der Personalentwicklung liegt darin, das Ausmaß derartiger Nichtübereinstimmungen zu reduzieren. Dies kann z.B. mit Hilfe von erfahrenen Mentoren geschehen, die ihren Mentees helfen, die Implikationen des eigenen Verhaltens besser zu verstehen. Das Ziel eines solchen individuellen Mentorings ist die angemessene Erweiterung der eigenen Verhaltenspräferenzen in komplexen Situationen.

 

Verbindungen zwischen den Bausteinen von Humansystemen

In unserem letzten Blogpost habe ich erläutert, warum das aus digitalen Architekturen entstandene neue Organisationskonzept der Ressourcen-Plattform mit agilen Teams ein Connective Management erfordert.3 Diese Überlegung lässt sich verallgemeinern. Seit langem gliedert man Managementsysteme in die Bausteine normatives, strategisches und operatives Management. Im Rahmen von Führungssystemen unterscheidet man zwischen den Bausteinen Personalführung, Kultur und Klima in Unternehmen und der Organisationsform. Ein konnektives Management betont die Verbindungen und Rückkopplungen zwischen diesen Bausteinen von Humansystemen. Die zunehmende Bedeutung eines Managements, dessen Kernkompetenz darin besteht, Bausteine zu verknüpfen, resultiert auch daraus, dass sich die klassischen Bausteine des Führungs- und des Managementsystems weiterentwickelt haben.

Lernprozess Innovationsstrategie

Eine wichtige Aufgabe des normativen Managements besteht heute darin, relevanten Stakeholdern einen gemeinsamen Sinn (Purpose) zu vermitteln.4 Ein neuer Schwerpunkt des strategischen Management ist es, das Portfolio der bestehenden und neuen Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.5 Im Mittelpunkt des operativen Managements stehen wie erläutert digitale Architekturen, aus denen eine neue Organisationsform hervorgegangen ist. Die Organisationskultur und das Organisationsklima sollen stärker als es in vielen etablierten Unternehmen in der Vergangenheit geschehen ist, Innovationen fördern.6 Bei all diesen Aufgaben kommt es auf Connective Leadership an, also eine Form der Führung, die es möglicherweise bei europäischen Hidden Champions schon lange gegeben hat, die wir aber wieder neu entdecken und an komplexe Herausforderungen anpassen müssen.

Ein konnektiver Manager ist ein Gestalter von Humansystemen, der Systembausteine und Menschen verbindet. Dies war der Gedanke, der uns bei der Gliederung des Innovations- und des Nachhaltigkeitssystems von Unternehmen in Bausteine geleitet hat.7 (Eine Erläuterung dieser Bausteine finden Sie hier) Die Herausforderung in beiden Disziplinen, die immer stärker konvergieren, liegt im Zusammenspiel der einzelnen Bausteine. Connective Leadership kann einen wichtigen Beitrag leisten, dass das Zusammenspiel besser funktioniert.

Lernprozess Innovationsstrategie

In zahlreichen Innovationsprojekten haben wir die Erfahrung gemacht, dass sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker dieser Erkenntnis bislang zu wenig Beachtung schenken. Hieran scheitert in vielen Unternehmen der digitale Wandel. Umso wichtiger ist es, sich von einer Führung nach alter Schule allmählich zu verabschieden.

 

Fazit

  • Das Verhalten vieler Führungskräfte ist auf wenige Präferenzen bei der Zielerreichung begrenzt. Eine verbindende Führung integriert zusätzliche Verhaltenspräferenzen
  • Mit einem individuellen Mentoring unterstützt die Personalentwicklung angehende Führungskräfte bei einer Erweiterung ihrer Verhaltenspräferenzen
  • Viele komplexe Aufgaben, wie z.B. der digitale Wandel lassen sich mit einem Connective Management besser bewältigen als mit traditionellen Ansätzen

 

Literatur

[1] Fockenbrock, D.: Ein schlechtes (Vor-)bild. In: Handelsblatt, 03. Dezember 2020, S. 26

[2] Lipman-Blumen, J.: Connective Leadership – Managing in a Changing World, Oxford 2000

[3] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[4] Servatius, H.G.: NachhaltigkeitsinnovationNen als Wertreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020

[5] Servatius, H.G.: Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements. In: Competivation Blog, 19.11.2020

[6] Servatius. H.G.: Förderung einer Innovationskultur durch die Führung. In: Competivation Blog, 07.01.2020

[7] Servatius, H.G., Piller, F.T. (Hrsg.): Der Innovationsmanager – Wertsteigerung durch ein ganzheitliches Innovationsmanagement, Düsseldorf 2014

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