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GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster

GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster

Die fünfte Entwicklungsstufe eines konnektiven strategischen Managements verfolgt das Ziel, dass Organisationen und Staaten digitaler, nachhaltiger und resilienter werden. In dieser Stufe richten Vorreiter-Unternehmen ihre Strategieprozesse neu aus. Im Mittelpunkt stehen dabei GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster. Dieser innovative Ansatz hat das Potenzial zu einer besseren Bewältigung von Komplexität. Auch hier ist die generative Künstliche Intelligenz (KI) ein Treiber und Game Changer. Mit Hilfe von KI entwickeln Strategieteams ihre individuellen Führungsstärken weiter und nutzen die Chancen der neuen Technologien. Gleichzeitig gilt es, die mit diesen Technologien verbundenen Risiken einzudämmen. Ein hierzu geeigneter Containment-Ansatz existiert gegenwärtig erst in Ansätzen. Eine Alternative zu den immer mächtiger werdenden Digitalgiganten entsteht gegenwärtig in Deutschland.

 

Im ersten Teil dieses Blogposts erläutere ich, warum das Konzept der strategischen Lernschleifen von zunehmender Bedeutung für den Unternehmenserfolg ist.

 

Disruption mit GenAI made in Germany

Wenn man nach erfolgreichen Strategieprozessen in Deutschland sucht, ist die Schwarz Gruppe, die den Discount-König Dieter Schwarz zum reichsten Bürger des Landes gemacht hat, ein interessantes Lehrstück. Zunächst einmal ist die Entwicklung der Discounter Lidl und Kaufland ein Erfolgsbeispiel für nachfrageseitige Disruption.1 Darauf aufbauend begann die Schwarz Gruppe mit der Eigenproduktion von Lebensmitteln und dem Aufbau einer Recycling-Tochtergesellschaft.

Mit der auf digitale Souveränität ausgerichteten Sparte Schwarz Digits erreicht die Disruptionsstrategie der Gruppe eine neue Dimension. Das Portfolio der Digitalsparte besteht gegenwärtig aus den folgenden strategischen Geschäftsfeldern und Beteiligungen:

  • Stackit bietet eine souveräne Cloud-Lösung mit technischer Infrastruktur in Deutschland und Österreich an
  • Das Start-up Aleph Alpha arbeitet an einer unabhängigen und transparenten Künstlichen Intelligenz
  • XM Cyber deckt Sicherheitslücken mit der Macht der Angriffssimulation auf
  • und schließlich liefert Wire als Vorreiter bei Datenschutz und Verschlüsselung eine sichere Kommunikation.

Für dieses Bündel strategischer Geschäftsfelder werden weltweit die größten Wachstumsraten prognostiziert.2 Eine souveräne, vertrauenswürdige KI made in Germany3 könnte sich als Ergänzung zu den Angeboten der Digitalgiganten erweisen, mit denen natürlich auch Kooperationen möglich sind.

Walter Wolf, Vorstand von Schwarz Digits, betont die Bedeutung von spezifischem Wissen für den Unternehmenserfolg, das es zu schützen gilt. Im Oktober 2024 hat das Unternehmen außerdem seine Partnerschaft mit SAP vertieft, sodass Stackit-Kunden das umfassende Angebot von RISE with SAP nutzen können.4

Die von der Schwarz Gruppe geförderten Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Start-ups bilden den Kern eines Innovationsökosystems5 in der Region um Heilbronn und Heidelberg, das für Partner aus ganz Europa eine hohe Anziehungskraft hat.

Mit dem Data Hub Europe schafft Schwarz Digits nun gemeinsam mit der Deutschen Bahn eine Datenplattform für das Training von spezifischen, unternehmenseigenen und vertraulichen KI-Modellen.6 Das Beispiel zeigt, dass auch in Deutschland von Unternehmern ausgehende, erfolgreiche Strategieprozesse für digitale Innovationen möglich sind.

In unserem 2020 erschienenen Buch „Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer“ haben wir beschrieben, dass es dabei auf eine mit strategischen Lernschleifen realisierte Verbindung von zentralen und dezentralen Prozessen ankommt.7 Die zentralen Strategieprozesse laufen auf der Ebene des gesamten Unternehmens ab. Auf der dezentralen Ebene arbeiten agile Strategieteams, die sowohl untereinander als auch mit der zentralen Ebene und deren IT-Architektur vernetzt sind.

In den folgenden Abschnitten möchte ich erläutern, wie Unternehmen heute das Potenzial von Strategieprozessen besser ausschöpfen können. Beginnen werde ich mit einigen Grundlagen.

 

Verschiedene Strategiebegriffe, Verhaltensmuster und Strategieschulen

Der Begriff Strategie hat unterschiedliche Bedeutungen. Henry Mintzberg nennt in seinen berühmten 5P den Plan, die List (Ploy), das Verhaltensmuster (Pattern), die Wettbewerbsposition (Position) und das Bewusstsein (Perspective).8 Aus heutiger Sicht besonders relevant sind die verschiedenen Verhaltensmuster, die bei bestimmten Unternehmenstypen und in spezifischen Situationen auftreten. So unterscheiden sich das visionäre Muster von innovativen Unternehmen, das klassische Muster von etablierten Großunternehmen, das agile Muster von Start-ups und das Skalierungsmuster von Unternehmen mit einem digitalen Plattform-Geschäftsmodell deutlich voneinander. Hinzu kommt das Kostensenkungsmuster von Unternehmen, die sich in der Restrukturierung befinden.

Lernprozess Innovationsstrategie

Von Mintzberg und seinen Co-Autoren stammt auch die 1999 erschienene Beschreibung von zehn Strategieschulen, die seit den 1960er Jahren entstanden sind.9 So betrachtet z.B. die von Beratungsunternehmen und dem Harvard-Professor Michael Porter propagierte Positionierungsschule die Strategieentwicklung und -umsetzung primär als analytischen Prozess. Als diese Schule in den 1970er und 80er Jahren nach Deutschland kam, stieß sie vor allem in etablierten Großunternehmen auf eine relativ große Akzeptanz.

Die vielen, in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannten Weltmarktführer, für die Hermann Simon 1990 den Begriff „Hidden Champions“ geprägt hat,10 praktizierten eher eine Kombination aus der unternehmerischen Schule sowie der Lern- und der Kulturschule. Aus Sicht der Lernschule entstehen Strategien und vor allem auch Innovationen aus der komplexen Interaktion einer Vielzahl von Akteuren. Ein solcher sich herausbildender Prozess ist auch in vielen Digital-Unternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor.11

Lernprozess Innovationsstrategie

Die ersten drei der zehn Schulen haben einen präskriptiven Charakter, das heißt sie versuchen zu beschreiben, wie Strategieprozesse ablaufen sollten. Die neueren sieben Schulen, zu denen auch die Lernschule gehört, sind deskriptiv. Ihr Anspruch ist zu beschreiben, wie Strategieprozesse tatsächlich ablaufen.

Meine Erfahrung aus der Strategieberatung von vielen DAX-Unternehmen und von noch mehr „Hidden-Champions“ ist, dass Strategieprozesse in der Praxis noch wesentlich komplexer sind und meist verschiedene Strategieschulen verknüpfen. Dies gilt insbesondere bei der Verbindung verschiedener Verhaltensmuster z.B. im Rahmen von Beteiligungen und Akquisitionen.

Ein wichtiges, aber lange Zeit nicht gut verstandenes Konzept zur Bewältigung der Komplexität von Strategieprozessen sind strategische Lernschleifen und deren Entstehung aus verschiedenen Themenfeldern.

 

Entstehung von strategischen Lernschleifen

Das Konzept der strategischen Lernschleifen ist aus zwei Themenfeldern entstanden, die sich relativ getrennt voneinander entwickelt haben. Das erste Themenfeld sind Strategieprozesse – erstaunlicherweise ein nach einer Vielzahl früher Arbeiten von der Managementwissenschaft und -praxis vernachlässigtes Gebiet, in dem es kaum Fortschritte gegeben hat. Diese Defizite beschäftigen mich seit langem.

Nach meiner Dissertation zum strategischen Technologie-Management im Jahr 198512 hatte ich gehofft, dass die in den USA erfolgreiche Umsetzung von technischen Innovationen mit Hilfe eines Corporate Venture Managements auch in Deutschland auf eine breite Zustimmung stoßen würde. Leider stimmte das Timing bei meiner Buchpublikation 1988 zu diesem Thema nicht.13 Es sollte noch über ein Jahrzehnt dauern, bis die Beteiligung von etablierten Unternehmen an Start-ups auch in Deutschland allmählich an Bedeutung gewann. Aufgrund der Erfahrung aus einer Vielzahl von Beratungsprojekten mit Defiziten bei Strategieprozessen begann ich, nach den Ursachen für diese Schwierigkeiten zu suchen. Dabei konnte ich auf dem aufbauen, was ich in der Zwischenzeit über die Themen Innovationskultur und strategischer Wandel gelernt hatte.

In meiner 1991 erschienenen Habilitationsschrift habe ich mich dann kritisch mit dem traditionellen strategischen Management „nach Feldherrenart“ auseinandergesetzt. Der Gegenentwurf ist eine evolutionäre Führung lernender Organisationen.14 Erfolgreiche Digital-Start-ups haben diesen Paradigmenwechsel im strategischen Management von mechanistisch zu komplexitätsbewältigend vollzogen und sind zu den wertvollsten Unternehmen der Welt geworden.15

Schon seit den 1980er Jahren waren Probleme bei der Umsetzung von Strategien stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt und es entstanden verschiedene Ansätze des Performance Managements. Der Halbleiterpionier Intel entwickelte die Objectives and Key Results (OKR-) Methode, die vor allem Start-ups wie Google anwendeten.16 In Deutschland wesentlich bekannter wurde die aus einer Best Practice-Studie von Robert Kaplan und David Norton hervorgegangene Balanced Scorecard-Methode, die ein eher traditionelles Top-down-Konzept verfolgt.17

Das zweite Themenfeld sind Lernschleifen (Learning Loops), deren Wurzeln im Action Research liegen, das der Sozialpsychologe Kurt Lewin bereits in den 1940er Jahren entwickelt hat.18 Ein solches Vorgehen in Form einer Spirale aus sich wiederholenden Schleifen ist zu einer wichtigen Methode der Organisationsentwicklung geworden, die ein Bottom up-Vorgehen präferiert. Die Denkmuster der Strategen und der Organisationsentwickler hatten lange Zeit aber wenig Berührungspunkte. Dies änderte sich erst mit der zunehmenden Bedeutung des strategischen Wandels.19

Die große praktische Relevanz von Lernschleifen liegt heute darin, dass sie zum grundlegenden Vorgehenskonzept bei agilen Methoden wie Design Thinking, Scrum und Lean Start-up gehören.20 Diese agilen Methoden haben entscheidend zum Erfolg von Digital-Unternehmen beigetragen, stoßen in vielen etablierten Unternehmen aber immer noch auf Widerstand. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Scrum-Methode auf der Grundlage der Theorie komplexer adaptiver Systeme entstanden ist. In agilen Organisationen besteht die Aufgabe von Führungskräften vor allem darin, einen geeigneten Rahmen für mehr Selbstorganisation zu schaffen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Eine Verbindung dieser beiden Themenfelder mit generativer Künstlicher Intelligenz als Treiber ermöglicht nun eine grundlegende Neuausrichtung (Realignment) von Strategieprozessen.21

 

Neuausrichtung von Strategieprozessen

Vorreiter-Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, verfolgen bei dieser Neuausrichtung ihrer Strategieprozesse die folgenden drei Ansätze:

  1. Eine Gliederung der Prozesse in die Phasen Denken, Handeln sowie kommunikative Verbreitung und Wandel mit strategischen Lernschleifen als einem verbindenden Prozessmuster
  2. die Verbesserung der relevanten strategischen Fähigkeiten von Projektteams ausgehend von individuellen Führungsstärken sowie
  3. die Nutzung der Chancen einer unternehmensspezifischen, generativen Künstlichen Intelligenz (GenAI) und Eindämmung ihrer Risiken.

Im Folgenden werde ich auf unsere Erfahrungen mit den ersten beiden Ansätzen näher eingehen. Der letzte Punkt ist dann Gegenstand des zweiten Teils dieses Blogposts.

 

Prozessphasen und strategische Lernschleifen

Ein Defizit der traditionellen Top-down-Strategieprozesse ist die Trennung zwischen den Phasen

  • eines kreativen strategischen Denkens, das zur Entwicklung oder Entstehung von Strategien führt und
  • eines praktischen strategischen Handelns zur Umsetzung der Strategien in Form von Programmen und Projekten, die neben dem operativen Tagesgeschäft ablaufen.

An der Schnittstelle zwischen der Strategiegenerierung und der -umsetzung arbeiten in etablierten Unternehmen Stabstellen für Unternehmensentwicklung, die bei anspruchsvollen und unangenehmen Aufgaben häufig von ehrgeizigen externen Beratern unterstützt werden. Die empirische Forschung zur Erfolgsquote dieses Ansatzes ist zwar begrenzt. Sich häufende negative praktische Beispiele zeigen jedoch, dass dieses traditionelle Prozessverständnis einer Erneuerung bedarf.22

Zu diesen beiden Phasen kommt eine dritte Phase hinzu, bei der die Mängel in bürokratischen Organisationen besonders ausgeprägt sind. In dieser Phase geht es um die kommunikative Verbreitung von Strategien und einen als Lernprozess gestalteten Wandel.

In den letzten Jahrzehnten sind wichtige Impulse hierzu von Start-ups und erfolgreichen Digital-Unternehmen ausgegangen. Die Softwareentwicklung erfolgt dort seit langem nicht mehr nach der Wasserfall-Methode sondern mit einem agilen Mindset.23 Die Grundlage bildet der erwähnte Paradigmenwechsel im strategischen Management von mechanistisch zu komplexitätsbewältigend. Eine wichtige Rolle spielen strategische Lernschleifen, die zunehmend GenAI-basiert ablaufen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Das von der Lean Start-up-Methode bekannte Grundprinzip einer strategischen Lernschleife ist: Annahmen (Hypothesen) formulieren, etwas gestalten (designen, z.B. ein weiterentwickeltes Geschäftsmodell), die Annahmen testen, aus den Testergebnissen lernen und gegebenenfalls einen Richtungswechsel (pivot) vornehmen. In der digitalen Welt sind diese Lernschleifen das kleine Einmaleins erfolgreichen Managements. Verkrustete und beratungsresistente Silo-Organisationen in der Wirtschaft, Verwaltung und Politik wehren sich dagegen aber mit einer hohen emotionalen Intensität.

Die Erfolgswirkung von strategischen Lernschleifen liegt darin, dass sie die drei beschriebenen Phasen von Strategieprozessen verbinden. Auf diese Weise entsteht ein komplexitätsbewältigendes Prozessmuster, das den traditionellen Ansätzen deutlich überlegen ist. Die disruptive Wirkung dieses Prozessmusters bildet für etablierte Unternehmen mit „Führungskräften der alten Schule“ eine schwer zu überwindende Barriere.

 

Bestätigung in der Aus- und Weiterbildung

Eine interessante Erfahrung aus der Hochschullehre in dualen Programmen, in denen Menschen, die in unterschiedlichen Unternehmen arbeiten, die Gelegenheit haben, in einem „angstfreien Raum“ ihre Erfahrungen auszutauschen, ist die folgende: Während die eine Gruppe der Studierenden das verbindende Prozessmuster strategischer Lernschleifen als alltägliche Arbeitsrealität erlebt, ist für die andere Gruppe dieses Muster eine fremde Welt, in der der Versuch zu einer Veränderung von innen als zwecklos oder gefährlich wahrgenommen wird.

Bei der Frage an die zweite Gruppe, ob denn eine externe Intervention durch Berater, Trainer oder Coaches Erfolg versprechend wäre, sind die Meinungen geteilt. Die eine Untergruppe glaubt, auch das habe bestenfalls eine Alibifunktion. Die andere Gruppe meint, es gebe eine gewisse Offenheit für professionelle Change Agents, weil sich die Krisensignale verstärken und daher ein Wandel notwendig sei.

Diese persönlichen Erfahrungen über einen relativ langen Zeitraum bestätigen die These, dass Europa in zwei Managementwelten geteilt ist. Hieraus ergeben sich Anregungen zur Beantwortung der Frage, wie Strategieteams ihre relevanten Fähigkeiten verbessern können.

 

Verbesserung der strategischen Fähigkeiten

Wie in Mannschaftssportarten bestehen auch erfolgreiche Strategieteams aus Akteuren mit unterschiedlichen Stärken. Kreative strategische Denker, analytisch begabte Planer, tatkräftige Umsetzer, kommunikationsstarke Verbreiter und einfühlsame Veränderer agieren im Idealfall im Team als Strategieprozess-Champion. Viele Unternehmen schöpfen aber die Möglichkeiten zur Verbesserung der Teamleistung bei Strategieprozessen nicht aus, obwohl es hierfür bewährte Methoden gibt.

Ein bekannter Ansatz ist das StrengthFinder-Konzept, das persönliche Führungsstärken in die Kategorien strategisches Denken, Umsetzung, Einfluss auf andere und Entwicklung von Beziehungen gliedert.24 In der Abbildung ist die auf der Forschung von Don Clifton basierende Zuordnung von 34 identifizierten Stärken zu diesen Kategorien dargestellt.

Dieses Konzept eignet sich für ein Assessment von Führungskräften, die Zusammenstellung von leistungsfähigen Teams und die zielgerichtete Weiterentwicklung von individuellen Fähigkeiten.

Mit dem Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz ergeben sich nun neue Möglichkeiten. Dabei zeigt sich wieder einmal die Relevanz des 1995 von der Gartner-Beraterin Jackie Fenn geprägten Begriffs „Hype-Zyklus“.25 Der Verlauf des Medienrummels (Hype Cycle) bei neuen Technologien erfolgt häufig in den Abschnitten

  • Grundlagenforschung
  • technologischer Auslöser
  • überzogene Erwartungen bis zu einem Gipfelpunkt
  • Ernüchterung bis ins Tal der Enttäuschung
  • Pfad zu einer realistischen Einschätzung und schließlich
  • einem Plateau der Produktivität.

Hierauf und auf neue Entwicklungen bei der Anwendung von generativer KI in Strategieprozessen werde ich in zweiten Teil dieses Blogposts eingehen.

Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt das Beispiel Porsche.

 

Veränderte Spielregeln durch KI in der fließenden Organisation von Porsche

Sajjad Khan, der IT-Vorstand von Porsche, vertritt die Auffassung, KI sei die nächste große Welle, die die Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend verändere. Dieser Game-Changer-Effekt liege in den Möglichkeiten von Small and Large Language Models, Software schneller zu entwickeln. Das Ziel müsse der Übergang vom traditionellen Hardware first- zu einem Software first-Ansatz sein. Um dies zu erreichen, müsse sich der Mindset ändern. Sein Ziel sei es, eine Liquid Organization zu schaffen, in der alles im Fluss ist und die im Turbomodus arbeite. Die Kunst einer entsprechenden Führung sei dabei der enge Austausch mit den Mitarbeitenden.26

Die Vorstellung von einer flüssigen (liquid) oder fließenden (fluid) Organisation fasziniert mich schon lange. Der Untertitel meines 1994 erschienenen Buchs „Reengineering-Programme umsetzen“ lautet „Von erstarrten Strukturen zu fließenden Prozessen“. In der Publikation habe ich versucht, die damals dominierende Sichtweise von IT-getriebenen Prozessinnovationen27 um Aspekte wie Schnittstellenkompetenz, eine Fluidisierung von Organisationen und den hierzu notwendigen mentalen Wandel zu erweitern.28 Was seit dieser Zeit boomt, ist die Implementation von Ressourcenmanagement- und Kundenbeziehungsmanagement- Software. Der als Lernprozess gestaltete strategische Wandel zu fließenden Organisations- und Führungsformen gelingt leider nur wenigen etablierten Unternehmen. Es ist daher zu hoffen, dass diese die gegenwärtige KI-Welle besser meistern als die früheren Digitalisierungswellen.

 

Fazit

  • Das Konzept der strategischen Lernschleifen ist aus der Verbindung von zwei Themenfeldern entstanden, die sich relativ getrennt voneinander entwickelt haben: Erstens der Lernschule von Strategieprozessen und zweitens dem Action Research als Grundlage für agile Methoden.
  • Strategische Lernschleifen sind ein verbindendes Prozessmuster, das eine Neuausrichtung (Realignment) von Strategieprozessen ermöglicht.
  • Mit der generativen Künstlichen Intelligenz (GenAI) haben Digital-Unternehmen ein mächtiges Werkzeug entwickelt, das große Chancen eröffnet, aber auch erhebliche Risiken birgt. Dieses Werkzeug hat auch für Strategieprozesse eine Game-Changer-Wirkung.
  • Das Ziel von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft eines resilienten Europas sollte es sein, bei der Entwicklung einer souveränen, vertrauenswürdigen GenAI und deren Anwendung in Strategieprozessen eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

 

Literatur

[1] Servatius, H.G., Woran erkennt man ein disruptives Geschäftsmodell? In: Competivation Blog, 27.06.2016

[2] Scheppe, M., Diese Industrien prägen die Wirtschaft 2040, in: Handelsblatt, 24.Oktober 2024, S.22-23

[3] Fokuhl. J., Bomke, L., KI „made in Germany“, in: Handelsblatt, 22. Oktober 2024, S.6-7

[4] Wolf, W., „Viele halten die datensouveräne Cloud für eine Utopie“, in: Trend Report, November 2024, S.12

[5] Fransman, M., Innovation Ecosystems – Increasing Competiteveness, Cambridge University Press 2018

[6] Holzki, L., Fokul, J., Bahn und Schwarz-Gruppe planen Daten-Marktplatz, in: Handelsblatt, 25./26./27. Oktober 2024, S.24

[7] Kaufmann, T., Servatius, H.G., Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, SpringerVieweg 2020, S. 56 ff.

[8] Mintzberg, H., The Strategy Concept – Five Ps for Strategy, in: California Management Review, 1987, S.11-24

[9] Mintzberg, H., Ahlstrand, B., Lampel, J., Strategy Safari – Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements, Ueberreuter 1999

[10] Simon, H., Hidden Champions des 21. Jahrhunderts – Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Campus 2007

[11] McAfee, A., The Geek Way – The Radical Mindset That Drives Extraordinary Results, Macmillan Business 2023, S.103 ff.

[12] Servatius, H.G., Methodik des strategischen Technologie-Managements – Grundlage für erfolgreiche Innovationen, Erich Schmidt Verlag 1985

[13] Servatius, H.G., New Venture Management – Erfolgreiche Lösung von Innovationsproblemen für Technologie-Unternehmen, Gabler 1988

[14] Servatius, H.G., Vom Strategischen Management zur Evolutionären Führung – Auf dem Wege zu einem ganzheitlichen Denken und Handeln, C.E. Poeschel Verlag 1991

[15] Servatius, H.G., Von erfolgreichen Digital-Unternehmen lernen, in: Competivation Blog, 12.07.2024

[16] Doerr, J., Measure What Matters: OKRs – the Simple Idea That Drives 10x Growth, Portfolio Penguin 2018

[17] Kaplan, R.S., Norton, D.P., The Execution Premium – Linking Strategy to Operations for Competitive Advantage, Harvard Business Press 2008

[18] Krizanits, J., Einführung in die Methoden der systemischen Organisationsberatung, Carl-Auer 2013, S.9 ff.

[19] Tichy, N.M., Managing Strategic Change – Technical, Political, and Cultural Dynamics, John Wiley & Sons 1983

[20] Ries, E., The Lean Startup – How Today’s Entrepreuners Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses, Crown Currency 2011

[21] Servatius H.G., Dreifache strategische Neuausrichtung, in: Competivation Blog, 07.06.2024

[22] Mazzucato, M., Collington, R.H., Die große Consulting-Show – Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt, Campus 2023

[23] Servatius, H.G., Wege zu einem agilen Mindset, in: Competivation Blog, 09.08.2018

[24] Rath, T., Conchie, B., Strengths Based Leadership – Great Leaders, Teams, and Why People Follow, Gallup Press 2008

[25] Fenn, J., Raskino, M., Mastering the Hype Cycle – How to Choose the Right Innovation at the Right Time, Harvard Business Review Press 2008

[26] Hucko, M., „KI verändert die Spielregeln komplett“ (Interview mit Sajjad Khan), in: Manager Magazin; November 2024, S.66-68

[27] Davenport, T.H., Process Innovation – Reengineering Work through Information Technology, Harvard Business School Press 1993

[28] Servatius, H.G., Reengineering-Programme umsetzen – Von erstarrten Strukturen zu fließenden Prozessen, Schaeffer-Poeschel 1994

GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster

Erfolgreiches Innovationsmanagement erfordert eine verbindende Führung

Sowohl die erfolgreichen Tech-Konzerne als auch europäische Hidden Champions praktizieren bei ihrem Innovationsmanagement eine spezifische Form der Führung. Im Mittelpunkt stehen dabei verbindende Fähigkeiten.

 

In unserem neuen Blogpost skizzieren wir die Charakteristika einer solchen verbindenden Führung.

 

Krisenbewältigung und Förderung von Innovationen

Krisenzeiten erfordern besondere Führungsfähigkeiten. Die Boston Consulting Group hat weltweit 9000 Angestellte befragt, wie der ideale Chef von morgen aussieht. Dabei herausgekommen sind 15 Kriterien. An der Spitze der Liste stehen1

  • Anerkennung zeigen
  • die Fähigkeit, Teams gut zusammenzustellen
  • Widerstandsfähigkeit
  • Coaching und Weiterentwicklung von Mitarbeitern
  • empathisches Zuhören sowie
  • Selbstreflektion
  • Experimentierfreude und
  • die Bereitschaft, andere zu befähigen

Diese Eigenschaften sind nicht nur für die Krisenbewältigung, sondern auch für das Innovationsmanagement wichtig. Wir wollen daher versuchen, die Frage zu beantworten, was das Besondere bei einer innovationsfördernden Führung ist.

 

Konzeptionelle Lücke bei der innovationsfördernden Führung

Trotz der Fülle an Literatur zu den Themen Führung und Innovation herrschte in der Schnittmenge dieser beiden Disziplinen lange Zeit eine konzeptionelle Lücke.2 Wir gehen daher von der These aus, dass diese spezifische Form der Führung auf der praktischen Anwendung weiterentwickelter klassischer Führungstheorien basiert. Diese notwendige Weiterentwicklung resultiert aus den besonderen Herausforderungen des Innovationsmanagements.

 

Herausforderungen des Innovationsmanagements

Innovationen entstehen aus der Verbindung von kundenorientiertem und lösungsorientiertem Wissen. Von entscheidender Bedeutung sind daher die Fähigkeiten von Innovationsmanagern zur Verbindung dieser Wissensformen. Auch beim Produktmanagement, einem wichtigen Vorläufer des Innovationsmanagements, haben die konnektiven Fähigkeiten zwischen Technologie und Markt sowie zwischen Führung und Produktteam eine große Bedeutung.

Das Innovationsmanagement ist – ähnlich wie das Nachhaltigkeitsmanagement – eine Querschnittsdisziplin, die auf der Fähigkeit zur Verbindung verschiedener Systembausteine basiert. Innovations- und Nachhaltigkeitsmanager sind daher Systemgestalter mit einer besonderen Kompetenz zum Design konnektiver Systeme und einer Verbindung der relevanten Akteure.3 Unsere Forschung zeigt, dass erfolgreiche Innovations- und Nachhaltigkeitsmanager über diese Kompetenz verfügen.

Die unternehmerische Führung der europäischen Hidden Champions beruht auf diesen verbindenden Fähigkeiten. Erfolgreiche Start-ups und die großen Tech-Konzerne nutzen das Potenzial digitaler Technologien zur Gestaltung innovativer Geschäftsmodelle. Für etablierte Unternehmen stellt sich heute vor allem die Aufgabe, eine erneuernde Führung einzusetzen, um den digitalen Wandel zu meistern und Nachhaltigkeitsinnovationen zu realisieren. Hierbei spielt die Verbindung von Umwelttechnik und Digitalisierung (Digital GreenTech) eine wichtige Rolle.

 

Verbindung von zwei Managementebenen

Bei einer solchen erneuernden Führung kommt es darauf an, zwei Managementebenen zu verbinden.4 Die erste Managementebene ist die zentrale Ebene des gesamten Geschäftsmodell-Portfolios. Wichtige Aufgaben dabei sind die Krisenbewältigung, der digitale Wandel der vorhandenen Geschäftsmodelle, der Aufbau der hierzu erforderlichen digitalen Architektur, die nachhaltige Entwicklung der Geschäftsmodelle und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit wichtigen Stakeholdern.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Die zweite Managementebene ist die dezentrale Ebene, auf der die verschiedenen Ansätze zur Geschäftsmodell-Innovation ablaufen. Wichtige Aufgaben hier sind die Entwicklung kreativer Geschäftsideen und deren erfolgreiche Umsetzung durch agile Innovationsteams. Häufig verfolgt dies in Form einer interdisziplinaren Zusammenarbeit in eigenen Innovationslaboren sowie mit Start-ups und Hochschulen. Die große Herausforderung für die Organisationsgestaltung liegt in einer Verbindung der unterschiedlichen strategischen Verhaltensmuster der Ebenen. Dies erfordert spezifische Führungskompetenzen.

 

Erneuerung mit Connective Leadership

Eine von Jean Lipman-Blumen erforschte theoretische Grundlage für eine solche erneuernde Führung bildet das Connective-Leadership-Konzept.5 Die Leitidee hierbei ist, dass Führungskräfte ihre traditionellen Führungsmuster erweitern müssen. Connective Leadership unterscheidet zwischen drei grundlegenden Mustern mit jeweils drei Verhaltenspräferenzen beim Erreichen von Zielen.6 Bei der traditionellen Führung dominiert häufig das direkte Muster in der Ausprägung einer macht- und wettbewerbsorientieren Führung. Eine verbindende Führung ist stärker instrumentell und beziehungsorientiert. Auf diese Weise gelingt es der Führungskraft, ein vertrauensvolles persönliches Klima zwischen den Akteuren und eine kooperative Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten zu etablieren.

Einen allgemeinen Rahmen für diese verbindenden Fähigkeiten liefert das Modell der T-shaped Skills.7 Dabei beschreibt der vertikale T-Balken eine Spezialisierung und der horizontale T-Balken die Fähigkeit zur Generalisierung. Eine Weiterentwicklung ist das Pi-Modell nach dem griechischen Buchstaben π.8 Bei diesem Modell liegt die Betonung auf der Verbindung verschiedener Spezialisten und ihrer unterschiedlichen Verhaltensmuster. Hierin besteht eine Kernkompetenz für die erfolgreiche Zusammenarbeit einer etablierten Organisation mit agilen Teams.

Eine neue Aufgabe für die Führungskraftentwicklung ist es daher, die Anwendung dieser verbindenden Fähigkeiten zu fördern.9 Ähnlich wie bei interkultureller Kompetenz hilft es, wenn man beide Seiten aus eigener Erfahrung kennt und wertschätzt. In unserer praktischen Arbeit erproben wir Mentoring-Konzepte zum Training dieser spezifischen Fähigkeiten. Diese Erfahrung fließt auch in meine Hochschullehre ein.

 

Fazit

  • Aus den Herausforderungen des Innovationsmanagements ergeben sich die besonderen Kennzeichen einer innovationsfördernden Führung
  • Eine theoretische Grundlage hierfür liefert das Connective-Leadership-Konzept mit seiner Forderung nach einer Erweiterung traditioneller Führungsmuster
  • Im Mittelpunkt stehen dabei die verbindenden Fähigkeiten z.B. zwischen einer zentralen Managementebene und der dezentralen Ebene agiler Innovationsteams
  • Die Führungskraftentwicklung hat die Aufgabe, diese verbindenden Fähigkeiten zu fördern

 

Literatur

[1] Backovic, L., Einmal Traumchef, bitte! In: Handelsblatt, 8., 9., 10. April 2022, S. 52-53

[2] Hill, L., et al., Collective Genius – The Art and Practice of Leading Innovation, Boston 2014

[3] Servatius, H.G., Piller, F.T. (Hrsg.), Der Innovationsmanager – Wertsteigerung durch ein ganzheitliches Innovationsmanagement, Düsseldorf 2014

[4] Kaufmann, T., Servatius, H.G., Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer, Wiesbaden 2020, S. 56 ff.

[5] Lipman-Blumen, J., Connective Leadership – Managing in a Changing World, Oxford 2000

[6] Servatius, H.G., Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 19.01.2021

[7] Guest, D., The Hunt is on for the Renaissance Man of Computing. In: The Independent, 17. September 1991

[8] Michaels, D., Going Pi-Shaped – How to Prepare for the Work of the Future. In: Forbes, 27. September 2019

[9] Servatius, H.G., Mentoring-Programme für die Entwicklung konnektiver Fähigkeiten. In: Competivation Blog, 10.05.2021

Mentoring-Programme für die Entwicklung konnektiver Fähigkeiten

Mentoring-Programme für die Entwicklung konnektiver Fähigkeiten

Bei der Aus- und Weiterbildung von Managern kommt das Thema Konnektivität zu kurz. Abhilfe schaffen kann eine neue Form von Mentoring-Programmen.

 

In diesen Blogpost erläutern wir, wie ein Mentoring for Connectivity bei der Bewältigung komplexer Aufgaben hilft.

 

Verbindung von strategischen Verhaltensmustern

Im Wettbewerb um das beste Auto-Betriebssystem treten die europäischen Hersteller und Zulieferer gegen Techkonzerne an. Bei diesem Wettbewerb spielt Softwarekompetenz eine entscheidende Rolle. So kommt eine McKinsey-Studie zu dem Ergebnis, dass der Markt für Autosoftware von heute rund 35 Milliarden US-Dollar bis 2030 auf rund 84 Milliarden wachsen wird.1

Zur Bewältigung komplexer Aufgaben wie der Digitalisierung von Automobilen müssen Führungskräfte heute in der Lage sein, unterschiedliche strategische Verhaltensmuster zu verbinden. Unter diesem Begriff verstehen wir die häufig tief in der Kultur einer Organisation verankerten Verhaltenscharakteristika der Strategiearbeit.2 Neben dem visionären und dem analyseorientierten Muster werden das in Plattform-Unternehmen ausgeprägte kooperative Muster und das agile Muster von Start-ups immer wichtiger. Eine situationsgerechte Verbindung dieser Muster ist jedoch nicht einfach. Im Rahmen von sogenannten T-shaped Skills erfordert eine solche Verbindung besondere konnektive Fähigkeiten.

 

T-shaped Skills

Der Begriff T-shaped Skills beschreibt die Kombination aus der Tiefe der Fähigkeiten in einem Gebiet und der Breite der Fähigkeiten. Wer über „T-förmige Fähigkeiten“ verfügt, ist also sowohl Spezialist als auch Generalist.3 Bei der Aus- und Weiterbildung von Managern dominierte lange Zeit die Spezialisierung. So wurden Ingenieure zu Technologie-Spezialisten und Betriebswirte zu Funktionsspezialisten trainiert. Diese Fokussierung bildete die Grundlage für den angestrebten Expertenstatus, eine Beurteilung durch Vorgesetzte und weit verbreitete Silokarrieren.

Lernprozess Innovationsstrategie

Die Defizite dieser Schwerpunktsetzung auf den vertikalen T-Balken sind seit langem bekannt. Neben der Spezialisierung sollten Führungskräfte daher auch über eine gewisse Breite an Fähigkeiten verfügen, die der horizontale T-Balken symbolisiert.

Als Erfolg versprechender Weg zur Erlangung dieser Fähigkeiten gilt das Projektmanagement. Auch der Erfolg von agilen Methoden wie Design Thinking und Scrum basiert nicht zuletzt auf dem Nutzenversprechen einer Förderung von Interdisziplinarität. Bei keiner dieser Methoden liegt jedoch der Schwerpunkt auf einer Verbindung unterschiedlicher Denk- und Verhaltensmuster. Diese immer wichtiger werdenden Fähigkeiten werden eher vorausgesetzt und bei der Anwendung z.B. von Design Thinking praktiziert.

Wir vertreten daher die These, dass die Aus- und Weiterbildung von Managern konnektive Fähigkeiten vernachlässigt. Diese Defizite treten z.B. beim digitalen Wandel deutlich zu Tage. So haben viele Unternehmen Schwierigkeiten bei der Verbindung zwischen einem eher stabilitätsorientierten und einem agilen Mindset.4 Ein vielversprechender Ansatz zur Bewältigung dieser Schwierigkeiten sind Mentoring-Programme.

 

Formen des Mentoring

Die Wurzeln des Begriffs Mentoring liegen in der griechischen Mythologie. So vertraute einst Odysseus seinen Sohn dem Freund Mentor an, als er in den Trojanischen Krieg aufbrach. In Unternehmen unterstützt ein erfahrener Mentor, der bzw. die nicht Vorgesetzter einer anderen Person ist, seinen Mentee über einen bestimmten Zeitraum. Bei der klassischen Anwendung dieses Personalentwicklungs-konzepts kommt der Mentor aus dem eigenen Unternehmen. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei der Begleitung z.B. beim Eintritt in das Unternehmen oder einer Beförderung.

Daneben gibt es auch das Cross Mentoring durch Vertreter anderer Unternehmen. So bereiten ehemalige Top-Manager von Chairman Mentors International Führungskräfte auf neue Aufgaben vor. Auch Personal- und Strategieberater wie Egon Zehnder, McKinsey und die Boston Consulting Group haben das Potenzial dieses Marktes erkannt.5

Lernprozess Innovationsstrategie

Während in der Vergangenheit der Schwerpunkt des Mentoring bei den vorhandenen Aufgaben lag, beschäftigt sich das New Mentoring explizit mit innovativen Managementthemen. Mentoren können wie z.B. beim Reverse Mentoring als junge Digitalexperten aus dem eigenen Unternehmen kommen oder auch von außen. Ein solches innovatives Thema ist die Weiterentwicklung verbindender Fähigkeiten und deren Anwendung im Rahmen eines Connective Managements.6

 

Konnektive Fähigkeiten in Software-Unternehmen

Das Konzept eines Connective Managements, das sowohl Management- und Organisationsbausteine als auch die relevanten Akteure verbindet, ist in erfolgreichen Digital-Unternehmen entstanden. Eine besondere Rolle spielt dabei die gegenüber dem klassischen Management veränderte Beziehung zwischen der Führungsebene und den Softwareentwicklern. Während Unternehmensgründer im Handwerk und in Hidden Champions in der Regel auch die ausführenden Tätigkeiten beherrschen, hat das Top-Management etablierter Unternehmen häufig eine große fachliche Distanz zur Arbeitsebene. Dies ist in Software-Unternehmen anders. Viele der Gründer und Top-Manager kommen selbst aus dem Software Engineering und pflegen daher eine enge Zusammenarbeit mit Programmierern und Datenexperten. Die Führungsebene verfügt also über ausgeprägte konnektive Fähigkeiten, die das Verhältnis zwischen der Entwicklung und der Umsetzung von Strategien prägen.

 

Phasen der Software-Wertschöpfung

Von erfolgreichen Software-Unternehmen kann man nicht nur lernen, wie sich die Software-Wertschöpfung verändert hat, sondern auch, wie diese Unternehmen die Zusammenarbeit von Führungskräften, Software-Ingenieuren und Kunden gestalten.7

Die Software-Wertschöpfung hat in den letzten Jahrzehnten verschiedene Phasen durchlaufen

  • von der Entwicklung von Lösungspaketen wie Enterprise Resource Planning (ERP) durch wenige große Anbieter
  • über Software as a Service (SaaS)
  • bis zur Kooperation mit Platform as a Service (PaaS-) Anbietern, die eine relative kostengünstige Infrastruktur für Software-Microservices liefern.

Dabei ist die Eigenentwicklung von Software zu einem zentralen Faktor der kundenorientierten Erzielung von Wettbewerbsvorteilen geworden. Im Zeitalter von „Build and buy Software or die“ spielt daher die Konnektivität von Kunden, Unternehmensführung und Software Engineering eine entscheidende Rolle.

 

Mentoring for Connectivity

Die Herausforderung für etablierte Unternehmen beim digitalen Wandel liegt darin, dass sich Führungskräfte und Softwareentwickler im Hinblick auf die Kundenorientierung weiterentwickeln. Eine zentrale Frage für die Führung ist: Was ist das Kundenproblem? Bei der Beantwortung der Frage, wie dieses Kundenproblem zu lösen ist, brauchen Software-Ingenieure einen gewissen Freiraum.

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Ein Mentoring for Connectivity hilft beiden Gruppen, mentale Barrieren (Mindtraps) zu überwinden.8 Dabei lernen die Führungskräfte, die Arbeitsweise von Softwareentwicklern besser zu verstehen. Parallel dazu lernen die Software-Ingenieure, sich auf die Erwartungen von Führungskräften einzustellen. Die Überwindung von „Ego-Fallen“ im Rahmen des eigenen Karriereweges ist eine der vielen Aufgaben eines New Mentoring, bei dem Spezialisten für neue Managementthemen helfen können.

 

Digitale Entwicklung als gemeinsamer Lernprozess

Angesichts des mäßigen Erfolgs vieler Programme zur digitalen Transformation wird es Zeit umzudenken. Führende Software-Unternehmen wenden – bewusst, wie z.B. Alphabet oder unbewusst – Erkenntnisse der Komplexitätstheorie an.9

Sie schaffen günstige Rahmenbedingungen für eine verbesserte Konnektivität der technischen Bausteine und der relevanten Akteure. Die angestrebte digitale Entwicklung in etablierten Unternehmen sollte ebenfalls an diesen Hebeln ansetzen. Mit einem Augenzwinkern könnte man daher fragen: Stecken Sie noch in der digitalen Transformation fest oder gestalten Sie diese Entwicklung als motivierenden Lernprozess?

 

Fazit

  • Konnektive Fähigkeiten verbinden unterschiedliche Denk- und Verhaltensmuster
  • Mentoring-Programme helfen, Defizite bei diesen Fähigkeiten zu überwinden
  • Von Software-Unternehmen können etablierte Organisationen lernen, wie man die Konnektivität von Kunden, Unternehmensführung und Software Engineering als Quelle von Wettbewerbsvorteilen nutzt
  • Ein Mentoring for Connectivity hilft bei der Überwindung von mentalen Barrieren

 

Literatur

[1] Fasse, M. et al.: Der Wettstreit um das Gehirn des Autos. In: Handelsblatt, 03. Mai 2021, S. 6-8

[2] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020, S. 68ff.

[3] Leonard-Barton, D.: Wellsprings of Knowledge – Building and Sustaining the Sources of Innovation, Boston 1995, S. 74 ff.

[4] Servatius, H.G.: Wege zu einem agilen Mindset. In: Competivation Blog, 09.08.20218

[5] Buchhorn, E.: Lernen von den Besten. In: Manager Magazin, November 2020, S. 96-103

[6] Servatius, H.G.: Komplexitätsbewältigung als Treiber eines Connective Managements. In: Competivation Blog, 31.03.2021

[7] Lawson, J.: Ask Your Developer – How to Harness the Power of Software Developers and Win in the 21st Century, New York 2021

[8] Garvey Berger, J.: Unlocking Leadership Mindtraps – How to Thrive in Complexity, Stanford 2019, S. 112 ff.

[9] Brown, S. L., Eisenhardt, K. M.: Competing on the Edge – Strategy as Structured Chaos, Boston 1998

[10] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 73 ff.

Zusammenarbeit mit Startups

Zusammenarbeit mit Startups

Wie gelingt Familienunternehmen eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Startups? Diese Frage haben wir im Herbst-Treffen unseres Expertenkreises diskutiert.

 

Expertenkreis-Treffen bei Bürkert

Das Herbst-Treffen unseres Expertenkreises für Innovationsmanager in Familienunternehmen fand im Hohenloher Land bei Bürkert Fluid Control Systems, einem weltweit führenden Hersteller von Mess-, Steuer- und Regelungssystemen für Flüssigkeiten und Gase, statt. Die Teilnehmer waren von der tollen Architektur der Bürkert-Gebäude am Standort Ingelfingen im Kocher-Tal begeistert.

 

 

Dr. Peter Krippner stellte das Unternehmen vor und Dr. Marion Neukam erläuterte, wie man bei Bürkert immer wieder auf neue Ideen kommt. Einen wichtigen Beitrag hierzu leisten die Inspiration Days. In einer Führung konnten sich die Teilnehmer einen Eindruck von der Breite des Leistungsprogramms und der Fertigungstiefe verschaffen.

 

Unterschiedliche strategische Verhaltensmuster

Im Zuge des digitalen Wandels streben auch Familienunternehmen verstärkt die Zusammenarbeit mit Startups an.1 Dabei versprechen sich beide Seiten von einer Kooperation Vorteile, die aber häufig durch Barrieren erschwert wird.

Ein wichtiges Hindernis können die unterschiedlichen strategischen Verhaltensmuster von Familienunternehmen und Startups sein. Viele Familienunternehmen sind vor Jahrzehnten als Visionäre gestartet und haben sich im Laufe der Entwicklung dem für Großunternehmen typischen analyse-orientierten Verhaltensmuster angenähert. Sie tun sich sowohl mit der Agilität von Startups als auch mit dem Plattform-Muster der Digital-Champions schwer. Daher stehen sie vor der Herausforderung, in einem verbesserten Innovationsstrategie-Prozess unterschiedliche Verhaltensmuster zu verknüpfen.2

 

Phasenkonzept für die Zusammenarbeit

In meinem Beitrag habe ich von Projekten berichtet, in denen wir Familienunternehmen bei der Einführung eines Phasenkonzepts für die Zusammenarbeit mit Startups unterstützt haben. Dieses Konzept ist in die Phasen Exploring, Challenging, Cooperating und Doing gegliedert. Damit gelingt die Realisierung eines Verknüpfungsmusters, das beim Startegieprozess die Arbeitsweise von Startups mit dem Verhalten etablierter Unternehmen verbindet.

 

 

In der Exploring-Phase befruchten Startups als Ideenliferanten den Foresight-Prozess des Familienunternehmens und tragen so zu einer kreativen Weiterentwicklung bei. Beim Challenging übernehmen Startups die Aufgaben von Disruptoren und hinterfragen das Innovationsportfolio des Familienunternehmens und dessen Erfolgsfaktoren. Beim Cooperating geht es darum, Startups als Partner im Innovationsökosystem des Unternehmens zu verankern und eine faire Zusammenarbeit zu etablieren. Die vierte Phase ist dann das Doing, in der Startups zum Rollenmodell für Strategiesprints werden und so die Arbeitsweise des Familienunternehmens befruchten.

Bei der Umsetzung eines solchen Phasenkonzepts hat sich die Einrichtung einer Interface Unit bewährt, die die Verknüpfung der strategischen Verhaltensmuster fördert.

Wie dies in der Praxis gelingt, zeigte Uwe Brühl der bei Sto, dem Weltmarktführer für Wärmedämm- Verbundsysteme, die neue Einheit Building Solutions leitet und den digitalen Wandel seines Unternehmens vorantreibt. Dabei spielt die Zusammenarbeit mit Startups eine wichtige Rolle. Für die Teilnehmer wurde deutlich, dass der Ansatz von Sto auch für ihr Unternehmen eine wichtige Orientierung liefern kann. Entsprechend rege war die Diskussion.

 

Europa der „Hidden Regions“

Eine Gemeinsamkeit von Unternehmen wie Bürkert und Sto ist, dass sie in einigem Abstand von den Metropolen in einer reizvollen aber weniger bekannten Region erstaunliche Innovationen hervorbringen. Eine wichtige Aufgabe der europäischen Innovationspolitik sollte es daher sein, diese „Hidden Regions“ weiterzuentwickeln. Dabei kann die Zusammenarbeit von Familienunternehmen mit Startups eine wichtige Rolle spielen.

 

Literatur

  1. Servatius, H.G.: Innovationsstrategien für IoT-Plattformgeschäfte. In: Competivation Blog, 22. Juni 2018
  2. World Economic Forum: Collaboration between Startups and Corporates – A Practical Guide for Mutual Understanding, White Paper, January 2018

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