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Resilienzorientiertes strategisches Management

Resilienzorientiertes strategisches Management

Führungskräfte stehen seit einiger Zeit vor der Herausforderung, eine Reihe extern verursachter Krisen gleichzeitig überwinden zu müssen. Hierzu zählen die Corona-Pandemie, geopolitische Konflikte und Lieferkettenprobleme. Daneben gibt es Krisen als Folge politischer Entscheidungen und interner Versäumnisse. Beispiele sind die hohen Energiekosten, der Fachkräftemangel und Schwierigkeiten beim digitalen Wandel. Dies hat zur vierten Entwicklungsstufe eines resilienzorientierten strategischen Managements geführt. Im Folgenden lernen Sie die Grundlagen und Charakteristika einer solchen Strategie 4.0 kennen.

 

In diesem Blogpost beschreibe ich, wie die notwendig erscheinende Resilienzoffensive in Wirtschaft und Politik gelingen kann.

 

Krisen meistern mit Resilienz

Das vorherrschende Thema auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos war die geopolitische Dauerkrise, die sich aus vielen einzelnen Konfliktherden zusammensetzt.1 In Deutschland nimmt die Kritik an der Regierung zu, und wie auch in anderen Ländern herrscht bei Teilen der Bevölkerung eine Vertrauenskrise, die die Demokratie bedroht.2 In Unternehmen wächst die Skepsis bezüglich der Stabilität der internationalen Beziehungen und der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Es gibt mehr Insolvenzen, weniger Innovationen und in vielen Branchen auch einen Abbau der Beschäftigung.3

Die Frage ist daher, wie Organisationen und die dort arbeitenden Menschen diese neuartige Krisensituation meistern können. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist die Verbesserung der Resilienz. Die Grundlagen hierzu sind in verschiedenen Disziplinen entstanden.

 

Grundlagen in verschiedenen Disziplinen

Für ein resilienzorientiertes strategisches Management gibt es bislang kaum Vorbilder. Die Wirtschaftswissenschaften lernen von der Psychologie, wie Organisationen Rückschläge meistern. Dabei versteht man unter Resilienz bei Menschen und in sozialen Systemen die Fähigkeit, Krisen zu überwinden und möglicherweise sogar gestärkt aus ihnen hervorzugehen.

Die Grundlagen für ein resilienzorientiertes strategisches Management kommen aus mehreren wissenschaftlichen Fachbereichen. Ein operatives Resilienzmanagement beschäftigt sich z.B. mit der Bewältigung von Krisen in Lieferketten.4 Für das sogenannte Business Continuity Planning ist ein eigener ISO-Standard enstanden. Die Corona-Pandemie hat zu einer Beschäftigung mit der Frage geführt, was resiliente Gesellschaften auszeichnet.5 In der positiven Organisationspsychologie sind wichtige Erkenntnisse zu den Hauptfaktoren der persönlichen Resilienz entstanden.

Lernprozess Innovationsstrategie

Von diesen in der Abbildung zusammengefassten Grundlagen ist für eine Strategie 4.0 die persönliche Resilienz von besonderer Bedeutung.

 

Hauptfaktoren der persönlichen Resilienz

Der Begründer der positiven Psychologie Martin Seligman und Gabriella Rosen Kellermann von der Coaching-Plattform BetterUp haben in ihrem PRISM-Modell fünf psychologische Kräfte herausgearbeitet, die im 21. Jahrhundert entscheidend für Zufriedenheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz sind.6 Diese Kräfte sind

  • P: Prospektion
  • R: Resilienz
  • I: Innovation und Kreativität
  • S: Soziale Unterstützung und
  • M: Bedeutsamkeit (Meaning and Mattering).

BetterUp hat 150 psychologische Faktoren analysiert und diejenigen identifiziert, die den höchsten Einfluss auf die Resilienz von Menschen haben.

Lernprozess Innovationsstrategie

Ein erster Resilienzfaktor ist die Emotionsregulation. Sie beschreibt die Fähigkeit, flexibel und produktiv mit negativen Emotionen umzugehen. Bewährt hat sich die Zwei-Stufen Methode, die zwischen einer bewussten Verlangsamung und einer kognitiven Neubewertung unterscheidet.

Faktor zwei ist Optimismus. Ein Weg, um auch in schwierigen Situationen optimistisch zu sein, führt über den Ansatz ,,das bestmögliche Selbst“. Dabei visualisiert man sich selbst z.B. in drei Jahren unter der Prämisse, dass alles gut gegangen ist.

Der dritte Faktor ist geistige Beweglichkeit, die einem hilft, bei Problemen realistische Zukunftsentwürfe zu entwickeln. Das Ziel besteht darin, sich mehrere Optionen offen zu halten. Eine solche Situation liegt z.B. vor, wenn man mit seinem Chef nicht klar kommt oder einen die Kultur des eigenen Unternehmens enttäuscht. Für qualifizierte Personen bietet der Arbeitsmarkt heute viele Alternativen.

Ein weiterer Faktor ist Selbstmitgefühl. Darunter versteht man die Fähigkeit, sich selbst in einer schwierigen Lage Mitgefühl entgegenzubringen. Eine typische Situation sind ausbleibende Vertriebserfolge, bei denen man nicht zu hart mit sich ins Gericht gehen und möglicherweise einen Coach um Unterstützung bitten sollte.

Der wichtige fünfte Resilienzfaktor ist Selbstwirksamkeit im Sinne der Überzeugung, in einem bestimmten Bereich erfolgreich sein zu können. Eng damit verbunden ist Handlungsmacht, also die Überzeugung, künftige Ereignisse beeinflussen zu können.

Die Personalentwicklung hat die Aufgabe, die PRISM-Kräfte und Resilienzfaktoren der Mitarbeitenden zu trainieren. Führungskräfte sollten an ihrer Well-being Intelligenz arbeiten und lernen, ihre spezifischen Kompetenzen zur Steigerung des Wohlbefindens von Teams und Organisationen auch unter schwierigen Rahmenbedingungen zu steigern.7

Auf diesen Grundlagen baut die vierte Entwicklungsstufe eines resilienzorientierten strategischen Managements auf.

 

Strategie 4.0 zur Überwindung von Polykrisen

Der Fokus einer Strategie 4.0 liegt bei der Überwindung von Polykrisen. Den Begriff Polykrise hat bereits in den 1970er Jahren der französische Komplexitätsforscher Edgar Morin geprägt. Man versteht darunter das Zusammenwirken von mehreren Krisen mit schwer vorhersehbaren Verläufen. 2023 hat das Weltwirtschaftsforum (WEF) das Thema aufgegriffen. Systemanalysen der Wechselwirkungen werden in System Maps dargestellt. Der Übergang von der Analyse zur Ableitung von Maßnahmen steht erst am Anfang. Hier setzt die strategische Resilienz an, die inzwischen zu einem möglichen Wettbewerbsvorteil geworden ist.

Beim Thema Resilienz gibt es jedoch einige Mythen, z.B.8

  • Resilienz sei vor allem ein Supply Chain-Thema, also primär eine operative Aufgabe,
  • die vor allem Kosten verursache und wenig zur Wertsteigerung beitrage.

Unsere Erfahrung aus einer Reihe von Resilienzprojekten zeigt, dass die strategische Bedeutung des Resilienzthemas zunimmt. Ein wichtiger Schritt ist dabei die systematische Krisenanalyse mit einem Resilienz- Portfolio.

 

Krisenanalyse mit einem Resilienz-Portfolio

Eine Krisenanalyse beginnt mit der Identifikation wichtiger Krisen der Vergangenheit und Gegenwart. In einem Resilienz-Portfolio betrachtet man für diese Krisen die Ursachen und Ansätze zur Krisenüberwindung. Bei den Ursachen unterscheidet die Portfolio-Analyse zwischen internen Versäumnissen, externen Auslösern und dem Vorliegen von beidem. Eine Überwindung von Krisen kann bislang nicht gelungen, erfolgreich verlaufen oder sogar zu einer Vorbereitung auf ähnliche Krisen beigetragen haben. Diese Analyse unterstützt ein vertieftes Verständnis der Ursachen und eine Beantwortung der Frage, warum die Krisenüberwindung bislang nicht erfolgreich war. Ein Negativbeispiel ist die Digitalisierungskrise im öffentlichen Sektor, bei der in Deutschland leider noch keine Lösung in Sicht ist.

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Eine anspruchsvolle weiterführende Aufgabe ist die Analyse der Zusammenhänge zwischen Krisen von Organisationen. So besteht z.B. bei der Digitalisierungskrise häufig eine Wechselwirkung zum Fachkräftemängel. Aus derartigen Analysen lassen sich strategische Resilienzprogramme ableiten, die Organisationen gemeinsam mit ihren Stakeholdern starten sollten.

 

Strategische Resilienzprogramme gemeinsam mit Stakeholdern

Zwischen einem resilienzorientierten strategischen Management und anderen sozialen Systemen gibt es komplexe Wechselwirkungen. Die Strategie einer Organisation ist in die Politik auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene eingebettet, die unterschiedliche Resilienzgrade aufweisen kann. Enge Zusammenhänge bestehen zwischen einer resilienzorientierten Politik und einem resilienten Finanzmarkt. Das Gleiche gilt für die Politik und die Gesellschaft. Neben der direkten Wirkung des strategischen Managements beeinflussen auch diese externen Faktoren die Resilienz der Mitarbeitenden. Die Gestaltung von strategischen Resilienzprogrammen ist daher eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, die Kompetenz im Umgang mit Komplexität erfordert.

 

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Dabei können Unternehmen auf ihrer Erfahrung im Programm-Management aufbauen. Hierunter versteht man eine zeitlich befristete Managementaufgabe, die in der Planung, Leitung und im Controlling inhaltlich zusammengehöriger Projekte besteht. Von intersektoralen Programmen spricht man bei der Zusammenarbeit von Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Trotz seiner aktuellen Bedeutung ist dieses Thema bislang erstaunlich wenig erforscht.

Strategische Resilienzprogramme von Organisationen können von externen Auslösern und internen Versäumnissen ausgehen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind resiliente Führungskräfte und Mitarbeitende. Von geeigneten Formen der Zusammenarbeit mit Stakeholdern sollte eine positive Verstärkung ausgehen. Am Anfang steht die Bündelung wichtiger Resilienz-Initiativen. Auch hierbei hat sich ein agiles Performance Management z.B. mit der Objectives and Key Result (OKR-) Methode bewährt.9

 

Resilienzoffensive bei Smart Metern und der Elektromobilität

Ein Beispiel ist die von Start-ups ausgehende Resilienzoffensive bei intelligenten Stromzählern. Als wir 2011 das Buch Smart Energy herausgegeben haben, hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass die Energiewende und der Wandel zu neuen, nachhaltigen Geschäftsmodellen in Deutschland so lange dauern würden.10 Die Europäische Union (EU) hatte 2009 das Ziel ausgegeben, bis 2020 achtzig Prozent der Verbraucher mit Smart Metern auszustatten. Dieses Ziel hat das deutsche Stakeholder-Ökosystem mit seinen Akteuren aus Politik, Behörden und etablierten Energieversorgern weit verfehlt.

Eine Resilienzoffensive starten nun die drei Start-ups Tibber, Octopus Energy und Rabbot Charge, die eigentlich Konkurrenten sind. Ihr Ziel ist, mit Hilfe von intelligenten Stromzählern endlich dynamische Stromtarife zu ermöglichen und so zu einem profitablen digitalen Geschäftsmodell zu kommen. Dabei kooperieren sie mit einem Vermittlerunternehmen, das Kundenanfragen bündelt.11 Das Beispiel zeigt, dass einzelne Akteure auch in einer schwierigen Situation die Handlungsmacht zurückgewinnen können, wenn sie entschlossen vorgehen.

Noch enttäuschender ist die Situation bei der Elektromobilität. Bereits 1994 haben wir nach einem Projekt für einen großen Autohersteller in einer Buchpublikation aufgezeigt, wie der Wandel zu einem nachhaltigen Mobilitätssystem gelingen kann.12 Es dauerte dann aber sehr lange, bis Tesla den etablierten Anbietern vorgemacht hat, wie mit Elektromobilität und Digitalisierung ein erfolgreiches neues Geschäftsmodell umgesetzt wird. Bis 2030 will die Bundesregierung 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen sehen. Aktuell sind es knapp 1,5 Millionen E-Autos. Die Politik, die deutschen Autohersteller und die Zulieferer haben sich auf dem Weg in die Elektromobilität offensichtlich verirrt und brauchen nun eine Resilienzoffensive.13 Wie die Offensive konkret aussehen könnte, ist bislang noch weitgehend offen. Fest steht, dass der nächste Schuss sitzen muss. Das heißt, Elektroautos müssen preiswerter und alltagsfreundlicher werden. Die Hoffnung liegt daher auf einer neuen Generation der Elektromobilität.14 Gleichzeitig sollten sich die politischen Rahmenbedingungen verbessern. Resilienz entsteht somit von innen nach außen und von außen nach innen.

 

Gegenstrom von Inside out- und Outside in-Ansätzen

Eine Lehre aus erfolgreichen Programmen ist, dass die Überwindung von Resilienzdefiziten an zwei Seiten ansetzen muss:

  • Der persönlichen Resilienz, der Resilienz einer Organisation und ihrer Partner (Inside out-Resilienz) sowie
  • der Resilienz der Politik, an den Finanzmärkten und in der Gesellschaft (Outside in-Resilienz).

Aus dem Zusammenwirken der von innen nach außen und von außen nach innen wirkenden Kräfte entsteht eine leistungsfähige Gegenstrom-Resilienz, die einen engen Schulterschluss von Wirtschaft und Politik erfordert.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

Das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war das Ergebnis eines solchen Prozessen. Der Unterschied zu der sich gegenwärtig abzeichnenden schleichenden Deindustrialisierung ist, dass unser Land damals in Schutt und Asche lag. Diese katastrophale Situation hat enorme Resilienzkräfte mobilisiert. Wie auch beim Beispiel von dem Frosch, der sich in einem Topf mit Wasser befindet, das langsam erhitzt wird und der nicht reagiert, scheinen auch wir heute nicht in der Lage zu sein, unsere gemeinsamen Kräfte zu mobilisieren.

Diese Einschätzung der Situation hat zu der Erkenntnis beigetragen, dass unsere Unternehmen dringend die fünfte Entwicklungsstufe eines verbindenden strategischen Managements benötigen.15 Die Hoffnung ist, dass unser Land gestärkt aus der Polykrise hervorgeht. Aber leider ist das Vertrauen vieler Menschen in unsere Institutionen seit einiger Zeit gestört. Eine zentrale Herausforderung beim Übergang von der vierten resilienzorientierten zur fünften Stufe ist, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Das in meinem letzten Blogpost behandelte dialogbasierte Handeln bildet hierfür eine wichtige Grundlage.16

 

Bessere Bewältigung von Komplexität

Das Ziel des resilienzorientierten strategischen Managements ist eine bessere Bewältigung von Komplexität. In den fünf Entwicklungsstufen des strategischen Managements hat sich ein Paradigmenwechsel von mechanistisch zu komplexitätsbewältigend vollzogen. Dieser Wechsel begann Anfang der 1990er Jahre. Den Ausgangspunkt bildeten zwei Erkenntnisse nämlich:17

  • Die Einsicht, dass relativ mechanistische Konzepte, wie z.B. die Portfolio-Analyse, nicht ausreichen, um dauerhafte strategische Erfolge zu erzielen sowie
  • die Anwendung der Evolutionstheorien und der neueren Komplexitätstheorien in Wirtschaft und Politik.

Diese Erkenntnisse haben lange Zeit in der Managementtheorie und -praxis nicht die ihnen gebührenden Bedeutung erlangt.18 Mit der zunehmenden Bedeutung des Themas Resilienz könnte sich dies ändern.

Eine wichtige Rolle spielt dabei eine andere Form der Management- und Politikberatung. Ein solches Impact-Consulting mit positiver Wirkung möchte ich kurz skizzieren.

 

Impact Consulting mit positiver Wirkung

In den vergangenen mehr als hundert Jahren haben sich weitgehend getrennt voneinander zwei unterschiedliche Beratungsansätze entwickelt. Der eine Ansatz ist das klassische Management Consulting, das betriebswirtschaftlich-, technisch-, IT- und juristisch-orientiert sein kann. Der Fokus liegt dabei auf Inhalten. Daher spricht man von einer Fachberatung. Beispiele hierfür sind die Themen Strategie, Wachstum, M&A, Kostensenkung, Geschäftsprozesse und Sanierung. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Skandale, in die große Consulting- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen verwickelt sind, hat die Kritik an deren Geschäftsmodellen zugenommen.19

Der zweite Beratungsansatz ist die Organisations-, Führungskräfte- und Personalentwicklung. Dieser Ansatz ist organisationspsychologisch orientiert. Als Wurzel gilt das in den 1940er Jahren entstandene Action Research, das von dem aus Deutschland in die USA emigrierten Psychologie-Professor Kurt Lewin begründet wurde.20 Der Fokus liegt hier auf Menschen in sozialen Systemen. Man spricht daher von einer Verhaltensberatung. Beispiele sind die Themen lernende Organisation, Change Management und positives Business Coaching. Leider ist es häufig schwierig, mit diesen Konzepten den Zugang zu Top-Managern und Politikern zu finden, da die Führungsebenen meist wenig organisationspsychologisch geschult sind. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitsmarkt ist davon auszugehen, dass Weiterbildungsprogramme für eine große Anzahl von Mitarbeitenden immer wichtiger werden.21

Lernprozess Innovationsstrategie

Eine Synthese dieser beiden Ansätze ist das Impact Consulting mit positiver Wirkung. Diese Synthese ist stärker interdisziplinär orientiert. Sie verbindet die Fachberatung mit der Verhaltensberatung. Der Fokus liegt auf einer Bewältigung neuer, komplexer Herausforderungen. Hierin besteht die positive Wirkung einer solchen Synthese, denn bei Themen wie Innovation, Nachhaltigkeit und Resilienz ist die Wirkung des klassischen Management Consulting häufig eher gering oder sogar negativ. Die Ursache hierfür ist, dass viele Consultants organisationspsychologische Aspekte ausblenden.

Ein interessantes KI-basiertes Werkzeug zur Messung der positiven Wirkung von Führungskräften hat die Universität Oxford gemeinsam mit der Kommunikationsberatung Kekst CNC entwickelt. Dieser Executive Impact Score (EIS) analysiert die Kommunikation von Führungskräften und gibt Anregungen, wie diese z.B. ihre Erläuterung von innovativen Strategien verbessern können.22 Dabei sind das Sprachtempo und die richtige Balance zwischen Informationen und Emotionen wichtige Erfolgsfaktoren. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Kommunikation mit unterschiedlichen Stakeholdern, bei der es auf Glaubwürdigkeit und Authentizität ankommt.

In unserer Begleitforschung zum Impact Consulting, das wir seit langem praktizieren, untersuchen wir, wie der EIS und andere innovative Konzepte die Wirkung von Beratungs- und Personalentwicklungsprogrammen verbessern. Hieraus ergeben sich wichtige Impulse für die Gestaltung zukünftiger Karrierepfade23. Bereits heute ist absehbar, dass die Bedeutung des Themas Resilienz weiter zunehmen wird.

 

 

Zunehmende Bedeutung von Resilienz

Einer der Gründe für die zunehmende Bedeutung von Resilienz ist, dass trotz des Fachkräftemangels viele Unternehmen vor allem im Mittelmanagement massiv Stellen abbauen. Häufig passt das Qualifikationsprofil der frei werdenden Mitarbeitenden aber nicht zu den Anforderungen in den Bereichen die Personal suchen. Aufgrund der rasanten Entwicklung bei großen Sprachmodellen wie ChatGPT beschleunigt sich diese Entwicklung gegenwärtig.24 Die mögliche Antwort sind systematische Umschulungen, die auch öffentlich gefördert werden. Bei einem solchen Reskilling sind die Anforderungen an die Resilienz der Betroffenen jedoch erheblich.25

Neben der Resilienz vom Einzelnen nach außen die Resilienz von der Politik nach innen immer wichtiger. Große europäische Unternehmen fordern von der EU verbesserte Rahmenbedingungen für die Industrie. Ein zehn Punkte umfassender Industrial Deal soll den Green Deal ergänzen, um hochwertige Arbeitsplätze zu erhalten. Ein Kernpunkt ist die Korrektur von bremsenden Regulierungen auf der EU-Ebene, die weniger widersprüchlich und komplex gestaltet sein sollten.26 Es bleibt abzuwarten, ob eine neue EU-Kommission diese Forderungen erfüllt.

 

Fazit

  • Die zahlreichen Krisen der letzten Jahre haben zur Entstehung der vierten Entwicklungsstufe eines resilienzorientierten strategischen Managements geführt
  • Eine der Grundlagen für diese Strategie 4.0 liefert die positive Organisationspsychologie
  • Die verbesserte Resilienz von Menschen in sozialen Systemen ist inzwischen zu einem wichtigen strategischen Wettbewerbsvorteil von Organisationen und Staaten geworden
  • Ausgehend von einer Krisenanalyse sollten Führungskräfte ihre Fähigkeiten zur Durchführung von strategischen Resilienzprogrammen gemeinsam mit relevanten Stakeholdern verbessern. Eine Herausforderung dabei ist die Komplexitätsbewältigung
  • Neue Formen eines Impact Consulting verbinden die Fachberatung mit einer Verhaltensberatung und erzielen so eine positive Wirkung

 

Literatur

[1] Brown, G, El-Erian, MA, Spence, M: Permacrisis – A Plan to Fix a Fractured World, Simon & Schuster 2023

[2] Lobo, S: Die große Vertrauenskrise – Ein Bewältigungskompass, Kiepenheuer & Witsch 2023

[3] Sommer, U, Bei den Unternehmen wächst die Skepsis. In: Handelsblatt, 27.Dezember 2023, S. 20-21

[4] Sheffi, Y: The Power of Resilience – How the Best Companies Manage the Unexpected, The MIT Press 2015

[5] Brunnermeier, MK : Die resiliente Gesellschaft – Wie wir künftige Krisen besser meistern können, Aufbau 2021

[6] Rosen Kellerman, G, Seligman, M: Tomorrowmind – Thriving at Work with Resilience, Creativity and Connection, Atria Books 2023

[7] Rhoulet, T, Bhatti, K : Well-being Intelligence – A Skillset for the New World of Work. In: MIT Sloan Management Review, 13. April 2023

[8] Reeves, M, O’Dea, A, Carlsson-Slezak, P: Make Resilience Your Company’s Strategic Advantage. In: Harvard Business Review, 25. März 2022

[9] Doerr, J. Measure What Matters – How Google, Bono, and the Gates Foundation Rock the World with OKRs, Bennet Group 2018

[10] Servatius, HG, Schneidewind U, Rohlfing D (Hrsg): Smart Energy – Wandel zu einem nachhaltigen Energiesystem, Springer 2011

[11] Krapp, C: Start-ups starten Initiative für Smart Meter. In: Handelsblatt, 17. Januar 2024, S. 24

[12] Berger, R, Servatius, HG, Krätzer, A: Die Zukunft des Autos hat erst begonnen – Ökologisches Umsteuern als Chance, Piper 1994

[13] Freitag M, Hucko M: Die Verzweifelten. In: Manager Magazin, Februar 2024, S. 20-26

[14] Backovic, L et al.: ,,Die Dinger stehen wie Blei“ In: Handelsblatt, 19./20./21. Januar 2024, S. 46-50

[15] Servatius, HG: Strategie 5.0 zur Bewältigung der neuen Herausforderungen. In: Competivation Blog, 28.06.2022

[16] Servatius, HG: Management Education 5.0 zu einem dialogbasierten Handel. In: Competivation Blog, 13.01.2024

[17] Servatius, HG: Vom Strategischen Management zur Evolutionären Führung – Auf dem Wege zu einem ganzheitlichen Denken und Handeln, C. E. Poeschel 1991

[18] Brown, SL, Eisenhardt, KM: Competing on the Edge – Strategy as Structured Chaos, Harvard Business Review Press 1998

[19] Mazzucato, M, Collington, RH: Die große Consulting-Show – Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt, Campus 2023

[20] Krizanits, J: Einführung in die Methoden der systemischen Organisationsberatung, Carl-Auer 2013

[21] Servatius, HG: Generative KI und ein Mass Customized Action Learning. In: Competivation Blog, 28.08.2023

[22] Riecke, T: Wie Manager KI für bessere Reden einsetzen können. In: Handelsblatt, 18. Januar 2024, S.33

[23] Merten, M et al.: Gesucht – Die Vorstandsformel. In: Handelsblatt, 2./3./4. Februar 2024, S. 46-50

[24] Buchenau, M et al.: Und raus bist du! In: Handelsblatt, 16./17./18. Februar 2024, S. 46-50

[25] Telser, F: In fünf Schritten zum KI-Experten. In: Handelsblatt, 20. Februar 2024, S. 22

[26] Fröndhoff, B et al.: Industriepakt für Europa. In: Handelsblatt, 20. Februar 2024, S.1, 4-5

Management Education 5.0 zu einem dialogbasierten Handeln

Management Education 5.0 zu einem dialogbasierten Handeln

Seit einiger Zeit gibt es verschiedene Begriffe mit der Versionsnummer 5.0 wie Society 5.0, Industry 5.0, Education 5.0 und Strategy 5.0. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie eine zeitgemäße Aus- und Weiterbildung für die fünfte Entwicklungsstufe eines verbindenden strategischen Managements aussehen könnte (Management Education for Strategy 5.0). Eine wichtige Grundlage hierfür ist die Verbesserung des dialogbasierten Handelns.

 

In diesem Blogpost skizziere ich eine neue Form der Vermittlung von relevanten Lerninhalten für die heutige Arbeitswelt.

 

Society 5.0, Industry 5.0 und Education 5.0

Der in Japan entstandene Begriff einer vernetzten Society 5.0 und die von der Europäischen Union geprägte Bezeichnung Industry 5.0 beschreiben eine fünfte Entwicklungsstufe der Gesellschaft und der industriellen Produktion. Dabei knüpft Industry 5.0 an den 2011 in Deutschland entwickelten Ansatz einer Industrie 4.0 an. Die Versionsnummer 5.0 betont die zunehmende Bedeutung der Mensch-Maschine-Interaktion und einer resilienteren Industrie.

Im Mittelpunkt des noch relativ neuen Konzepts einer Education 5.0 steht die individuelle Gestaltung von interdisziplinären Lernprozessen. Diese fünfte Entwicklungsstufe ist durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet: 1

  • Personalisiertes Lernen
  • Zusammenarbeit und Verbundenheit
  • Entwicklung der für das 21. Jahrhundert relevanten Fähigkeiten
  • Flexibilität und Zugänglichkeit
  • datenbasierte Entscheidungsfindung
  • Sicherheit und Wahrung der Privatsphäre
  • Hochgeschwindigkeitsnetzwerke
  • Wohlbefinden (Well-being)
  • Anpassungsfähigkeit und
  • Spiele-basiertes Lernen (Gamification).

In den letzten Jahren liegt mein Forschungsschwerpunkt bei den Grundlagen und Charakteristika der fünften Entwicklungsstufe eines verbindenden strategischen Managements.2 Eine solche Strategie 5.0 erfordert neue Wege in der Managementaus- und -weiterbildung. Insofern besteht zwischen einer Management Education for Strategy 5.0 und den Begriffen Society 5.0, Industry 5.0 und Education 5.0 ein Zusammenhang.

Lernprozess Innovationsstrategie

Bei der verbesserten Aus- und Weiterbildung für die heutige Arbeitswelt unterscheiden wir zwischen drei Ebenen.

 

Drei-Ebenen-Modell für eine verbesserte Aus- und Weiterbildung

Die traditionelle Aus- und Weiterbildung für die Arbeitswelt erfolgt nach abgegrenzten Fachbereichen. Hierzu zählen die Natur-, Ingenieur- und Gesundheitswissenschaften, die Informatik (Computer Science), die Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaft sowie die Psychologie. Zu diesen Fachbereichen sind neue Querschnittsthemen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz hinzugekommen, die stark an Bedeutung gewinnen.3

Leider haben es die weiterführenden Schulen versäumt, den Jugendlichen Grundlagen in diesen Fächern zu vermitteln. Das Ergebnis sind nicht genutzte Lehrjahre z.B. für den Erwerb von Programmierfähigkeiten und eine gewisse Orientierungslosigkeit bei der Berufswahl. Der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten für die Arbeitswelt erfolgt dann erst in spezialisierten Bachelor-Studiengängen. Erstaunlicherweise hat sich an diesem Grundmuster in den letzten fünfzig Jahren wenig geändert. So habe ich Anfang der 1970er Jahre ein Studium zum ,,Ingenieur 1.0“ absolviert, in der die Worte Mensch und Kunde nicht vorgekommen sind.

Die frühe fachliche Spezialisierung begünstigt das Entstehen einer Silomentalität in und zwischen Organisationen, die Veränderungsprozesse erschwert. In der Praxis scheitern die gebetsmühlenartig geforderten Transformationen oft an dieser Abschottung und an fehlenden Dialogkompetenzen.

An diesen Defiziten setzt unser Drei-Ebenen-Modell einer verbesserten Aus- und Weiterbildung für die Arbeitswelt an. Die drei Ebenen sind:

  1. Eine Ergänzung der traditionellen Bachelor-Studiengänge um ein Verständnis gemeinsamer Grundlagen
  2. eine Erweiterung der fachlichen Spezialisierung um relevante Querschnittsthemen wie Nachhaltigkeit sowie
  3. die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten zu einem dialogbasierten Handeln, das Führungskräften hilft, die großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu meistern.

Das Ziel dieses Drei-Ebenen-Modells ist die Schaffung eines neuen inhaltlichen Rahmens für eine Management Education 5.0.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

Auf der ersten Ebene der gemeinsamen Grundlagen geht es vor allem darum, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu trainieren. Hierfür ist z.B. das Thema Unternehmertum (Entrepreneurship) gut geeignet. Die Lernenden übernehmen bei der Gründung eines Start-up unterschiedliche Rollen und verbessern so ihre berufliche Orientierung bei der Anwendung von vorher getesteten persönlichen Stärken.

Ein verbindendes Element auf der zweiten Ebene der Spezialisierung sind Querschnittsthemen wie Nachhaltigkeit. So bringen die Lernenden z.B. in einer Fallstudie zum Thema Digital GreenTech ihre Fähigkeiten in den klassischen Disziplinen ein und steigern gleichzeitig ihre Teamfähigkeit.

Auf der dritten Ebene geht es um die Entwicklung eines stärker dialogbasierten Handelns. Möglicherweise sollte hier ein inhaltlicher Schwerpunkt der Management Education 5.0 liegen. Ein aktuelles Beispiel sind verbindende Strategien für eine generative Künstliche Intelligenz (KI). Eine Chance für Europa liegt in neuen Formen der Zusammenarbeit der Sektoren Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, um zwischen Innovation und Eindämmung (Containment) die richtige Balance zu finden. Dabei gilt es, die relevanten Fähigkeiten für intersektorale Programme zu erweitern.4

 

Verbindendes strategisches Management

Im letzten Jahr haben wir dieses Drei-Ebenen-Modell in der Hochschullehre und Weiterbildung von Führungskräften zur Evolution des strategischen Managements erprobt. In den Kursen analysieren die Teilnehmer die positiven Beiträge und Schwächen der fünf Entwicklungsstufen des strategischen Managements.5 In der Abbildung ist unsere aktuelle Fassung der Grundlagen und Charakteristika einer Strategie 5.0 dargestellt.

Lernprozess Innovationsstrategie

Neu hinzu gekommen ist das Grundlagenthema des dialogbasierten Handelns, auf das ich im Folgenden näher eingehen möchte.

 

     Grundlegende und ergänzende Dialogkompetenzen

Die ideengeschichtlichen Wurzeln des Dialogbegriffs (Dia-logos: Fließen von Sinn) reichen bis in die Antike zurück. Wichtige Impulse zur modernen Dialogtheorie stammen von David Bohm, Ruth Cohn, Verena Kast, Brian Goodwin und William Isaacs. Der amerikanische Physiker David Bohm geht von der Vorstellung aus, dass die Teilnehmer an Dialogprozessen ein Thema generieren und dass dabei etwas Neues entstehen kann.

Als Ziel des Dialogs sieht er das Erkunden von neuen Möglichkeiten. Hierin liegt der Unterschied zur Debatte oder Diskussion, bei denen das Verteidigen der eigenen Position im Mittelpunkt steht. Dialoge sollen einer Fragmentierung der Wirklichkeit durch rational-analytisches Denken entgegenwirken und tiefer liegende Zusammenhänge deutlich machen. Dialogfähigkeiten lassen sich in die in der Abbildung dargestellten vier grundlegenden (1-4) und sechs ergänzenden Kompetenzen (A-F) gliedern. Grundlegende Dialogkompetenzen sind:6

  1. Radikaler Respekt
  2. das Suspendieren von Annahmen und Bewertungen
  3. ein Sprechen, das vom Herzen kommt und
  4. ein generatives Zuhören.

Diesen grundlegenden Kompetenzen habe ich die ergänzenden Dialogkompetenzen zugeordnet.

 

Lernprozess Innovationsstrategie

Radikaler Respekt bedeutet, die Meinungen anderer Personen als legitim und gleichwertig anzuerkennen. Dies wird durch eine lernende Haltung unterstützt, also eine innere Einstellung, die von Interesse und Neugier am Anderen geprägt ist. Wichtig ist dabei Offenheit gegenüber der jeweiligen Person und ihren möglicherweise konträren Positionen.

Die zweite grundlegende Kompetenz des Suspendierens von Annahmen und Bewertungen bedeutet, dass man eigene mentale Modelle in der Schwebe hält. Dies führt zu einer Verlangsamung des Dialogprozesses, die es ermöglicht, den Geist des ,,Miteinander-Denkens“ lebendig zu gestalten.

Unter ,,von Herzen sprechen“ versteht der Religionsphilosoph Martin Buber zu sprechen, wenn es etwas zu sagen gibt und zu sagen, was zu sagen ist. Hierbei kommt es darauf an, das eigene Beobachten zu beobachten, also eine Art der Selbstwahrnehmung auf einer Meta-Ebene. ,,Produktiv plädieren“ bedeutet, den eigenen Denkprozess zu erläutern und nicht nur ein Denkergebnis zu präsentieren.

Eine vierte grundlegende Dialogkompetenz ist das generative Zuhören. Hiermit ist gemeint, eigene Widersprüche und Ausweichmanöver zu erkennen. Dabei hilft das Erkunden anderer Positionen, indem man aufrichtige, interessierte Fragen stellt.

Den in der Management- und Politikpraxis weit verbreiteten Stakeholder-Dialogen ist es meiner Meinung nach nicht wirklich gut gelungen, diese Kompetenzen in der Praxis in konkretes Handeln umzusetzen. Daher ist zu fragen, wie ein verbessertes dialogbasiertes Handeln aussehen könnte.

 

Dialogbasiertes Handeln

In der fünften Entwicklungsstufe eines verbindenden strategischen Managements findet der Wettbewerb zunehmend zwischen innovativen Stakeholder-Ökosystemen statt. Beispiele für die gleichzeitig zu bewältigenden Herausforderungen sind die digitale Evolution in etablierten Unternehmen, die Bekämpfung des Klimawandels und eine verbesserte Resilienz bei Polykrisen. Zu den Gewinnern in dieser neuen Entwicklungsstufe werden die Stakeholder-Ökoysteme gehören, denen ein dialogbasiertes Handeln am besten gelingt.

Dabei sind Barrieren zwischen der Ausprägung von zwei Verhaltensdimensionen zu überwinden. Diese Verhaltensdimensionen sind:

  1. Verständigungsorientierte Dialoge und
  2. die Umsetzung in praktisches Handeln.

In traditionellen Stakeholder-Dialogen gibt es häufig Defizite beim praktischen Handeln.8

Lernprozess Innovationsstrategie

 

Wenn verständigungsorientierte Dialoge wenig ausgeprägt sind, spricht man von einer Diskussion oder Debatte. Daher sollte eine Management Education 5.0 die Dialogfähigkeiten trainieren.

Die noch größere Schwierigkeit liegt häufig bei der Umsetzung in praktisches Handeln. In Unternehmen dominiert meist das traditionelle Verhaltensmuster eines macht- und konkurrenzorientierten Handelns, das wenig verständigungsorientiert ist. An die Stelle eines solchen Verhaltens sollte das dialogbasierte Handeln treten.

Eine Management Education 5.0 ist daher auf die Vermittlung des entsprechenden Mindset gerichtet. Für innovative Bildungsangebote bietet sich die Chance, dieses Grundkonzept in der Praxis zu erproben und weiterzuentwickeln. Die vorhandenen Defizite bei der Bewältigung großer Herausforderungen zeigen, dass z.B. in intersektoralen Programmen ein Bedarf für dialogbasiertes Handeln besteht.

 

Erprobung neuer Lernformen

Ein Beispiel für die Erprobung neuer Lernformen ist der vom Lidl-Eigentümer Dieter Schwarz gemeinsam mit der TU München (TUM) initiierte Auf- und Ausbau  des TUM-Campus in seiner Heimatstadt Heilbronn. Hier entsteht gegenwärtig mit dem Innovation Park Artificial Intelligence (Ipai) das größte KI-Ökosystem in Europa.9 Die Schwarz-Gruppe ist neben Industrieunternehmen wie Bosch und SAP und Venture Capital-Investoren einer der Partner des von Jonas Andrulis gegründeten KI-Start-ups Aleph Alpha. Das Ziel ist die Realisierung einer souveränen generativen KI aus Europa. Die Einbettung in den Campus und den Innovationspark schafft eine Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Aleph Alpha stellt seine Technologie Unternehmen und Verwaltungen als Lizenz zur Verfügung, die hierauf aufbauend spezifische Anwendungen umsetzen.10 Die zukünftige Entwicklung wird zeigen, wie erfolgreich dieses Innovationsökosystem im Vergleich zu den großen Digital-Champions aus den USA ist.

Derartige Konzepte sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer Management Education 5.0. Es ist zu hoffen, dass andere Bildungsanbieter diesem Beispiel folgen. Das Ziel ist ein verbindendes Lernen, das im Wettbewerb der Stakeholder-Ökosysteme eine positive Differenzierung unterstützt.

Leider gehören nach einer Befragung von rund 11.000 Personalmanagern aus 21 Ländern durch das Marktforschungsinstitut Trendence und die Personalberatung Emerging keine der deutschen Hochschulen zu denjenigen, die ihre Absolventen am besten auf dem Arbeitsmarkt vorbereiten.11 Die Spitzenplätze belegen drei Hochschulen aus den USA: Das California Institute of Technology, das Massachusetts Institute of Technology und die Stanford University. Sieben Hochschulen aus Deutschland haben es unter die besten 100 der Welt geschafft. Spitzenreiter in dieser nationalen Rangliste sind die Technische Universität München, die Humboldt Universität Berlin und die Ludwig-Maximilians-Universität München auf den Rängen 13, 46 und 53. Auf dem Weg zu einer international erfolgreichen Management Education sollte unser Land daher so schnell wie möglich einen Aufholprozess starten.

 

Dialogbasiertes Handeln als Grundlage für die Gestaltung von innovativen Stakeholder-Ökosystemen

Ein wichtiger Impulsgeber für Dialoge zwischen den Sektoren Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft ist der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Als Mitglied des VDI-Fachbeirats Technik im Dialog beschäftige ich mich mit dem dialogbasierten Handeln als Grundlage für innovative Stakeholder-Ökosysteme. Aus der Arbeit des Fachbeirats ist der VDI-Round Table zur Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe hervorgegangen. Eine der Handlungsempfehlungen dieses Expertenkreises ist der Aufbau einer Stakeholder-Plattform für kreislaufübergreifende Kooperations- und Organisationsprozesse.12 Diese Plattform sollte nicht nur Ziele formulieren, sondern auch aufeinander abgestimmte Maßnahmen und Formen der Zusammenarbeit von relevanten Stakeholdern umsetzen. Im Rahmen der weiteren Arbeit des Fachbeirats streben wir an, Plattformen für intersektorale Programme zu erproben und deren Erfolgsfaktoren zu analysieren.

Dieses Modell könnte als Blaupause für die Bewältigung anderer großer Herausforderungen dienen wie z.B. die Entstehung einer Wasserstoffwirtschaft oder die Entwicklung einer vertrauenswürdigen generativen KI. Eine repräsentative Befragung des VDI hat gezeigt, dass nur noch 54 Prozent der über 1000 Teilnehmer unser Land für wettbewerbsfähig halten.13 Der VDI-Präsident Lutz Eckstein lädt daher dazu ein, im Dialog mit der Gesellschaft ein positives Zielbild für die Zukunft unseres Standorts zu formulieren.14 Ein wichtiges Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist Kompetenz beim dialogbasierten Handeln im Rahmen von gemeinsamen, intersektoralen Programmen der relevanten Stakeholder. Überraschenderweise besteht im Hinblick auf eine erfolgreiche Kooperation zwischen den Sektoren Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft noch ein erheblicher Forschungsbedarf.

Eine theoretische Grundlage liefert der Vierfach-Helix-Ansatz, der die Koevolution von verschiedenen Sektoren beschreibt.15 Weitgehend unbeantwortet ist die Frage, wie Europa diese Koevolution organisatorisch umsetzen will.

 

Fazit

  • Auch in der Management Education zeichnet sich eine fünfte Entwicklungsstufe ab, in der Interdisziplinarität und verbindende Fähigkeiten an Bedeutung gewinnen
  • Ein Modell für die verbesserte Aus- und Weiterbildung in der Arbeitswelt betont die Kenntnisse und Fähigkeiten zu einem dialogbasierten Handeln
  • Ein aktuelles Beispiel ist die generative KI mit ihren Chancen und Gefahren
  • Ein dialogbasiertes Handeln verbindet Dialogfähigkeiten mit einem weniger macht- und konkurrenzorientierten Handeln
  • Zu den Gewinnern der fünften Entwicklungsstufe eines verbindenden strategischen Managements werden Stakeholder-Ökosysteme gehören, die ein dialogbasiertes Handeln besser beherrschen als ihre Wettbewerber

 

Literatur

[1] Ahmad, S. et al.: Education 5.0 – Requirements, Enabling Technologies, and Future Directions, 29. Juli 2023

[2] Servatius, H.G.: Strategie 5.0 zur Bewältigung der neuen Herausforderungen. In: Competivation Blog, 28.06.2022

[3] Servatius, H.G.: Generative KI und ein Mass Customized Action Learning.
In: Competivation Blog, 28.08.2023

[4] Suleyman, M.: The Coming Wave – AI, Power and the 21st Century´s Greatest Dilemma, London 2023

[5] Servatius, H.G.: Strategisch führen mit kontextueller und beziehungsorientierter Intelligenz. In: Competivation Blog, 14.03.2023

[6] Isaacs, W.: Dialogue and the Art of Thinking Together – A Pioneering Approach to Communication in Business and in Life, New York 1999

[7] Hartkemeyer, M., J.F. und T.: Dialogische Intelligenz – Aus dem Käfig des Gedachten in den Kosmos gemeinsamen Denkens, 4. Aufl., Frankfurt 2022

[8] Künkel, P., Gerlach, S., Frieg, V.: Stakeholder-Dialoge erfolgreich gestalten – Kernkompetenzen für erfolgreiche Verhaltens- und Kooperationsprozesse, Wiesbaden 2016

[9] Hopp, D.: Dieter Schwarz – Eine Ausnahmeerscheinung. In: Handelsblatt, 15./16./17. Dezember 2023, S. 54-55

[10] Wohlfahrt, M.: Jonas Andrulis – Intelligente Mission. In: Handelsblatt, 15./16./17. Dezember 2023, S. 56-57

[11] Telser, F.: Diese Unis bereiten am besten auf den Arbeitsmarkt vor. In: Handelsblatt, 15./16./17. Dezember 2023, S. 79

[12] VDI (Hrsg.): Circular Economy für Kunststoffe neu denken, November 2022

[13] VDI / VDE Technik+Innovation (Hrsg.): Wie denkt Deutschland über Innovationen und Wertschöpfung? Düsseldorf / Berlin, Mai 2023

[14] Eckstein, L.: Wo möchte Deutschland 2050 stehen? In: VDI Nachrichten, 15. Dezember 2023, S. 8-9

[15] Carayannis, E.G., Campbell, D.F.J.: Mode 3 Knowledge Production in Quadruple Helix Innovation Systems, New York 2012

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