KI- unterstützte Strategieprozesse | Competivation
KI als Werkzeug für das strategische Management

KI als Werkzeug für das strategische Management

Die Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich gegenwärtig zu einem mächtigen Werkzeug für das strategisches Management, das Lernprozesse beschleunigt, verstärkt und verändert. Dies gilt sowohl für die Unternehmensebene als auch für die Ebene der Funktionsbereiche und Geschäftsprozesse. Vorreiter-Unternehmen setzen eine wissensspezifische KI in den verschiedenen Phasen von Strategieprozessen ein und erzielen Wettbewerbsvorteile mit innovativen, KI-basierten Geschäftsmodellen. Dabei hat die generative KI den Charakter eines Weckrufs.

 

In unserer Blogpost-Reihe zur Künstlichen Intelligenz beschäftigt sich dieser Beitrag mit der Rolle von KI im strategischen Management. Darin erläutere ich die zunehmende Bedeutung von KI in Strategieprozessen.

 

Generative KI als Weckruf

Die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im strategischen Management ist nicht neu. Bereits seit der Jahrtausendwende haben US-amerikanische Digital-Unternehmen wie Amazon die KI-basierte Personalisierung im Rahmen ihrer innovativen Geschäftsmodelle eingesetzt.1 Erstaunlicherweise ist der Beitrag der KI vielen Nutzern dieser Geschäftsmodelle nicht bewusst.

In unserem 2020 erschienenen Buch Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer haben wir den Strategieprozess für neue IoT- und KI-basierte Geschäftsmodelle beschrieben2 und relevante Geschäftsmodellmuster behandelt.3 Zu dieser Zeit hielt sich das Interesse an dem Thema in Deutschland allerdings noch in Grenzen.

Der eigentliche Weckruf, der dann eine breite Öffentlichkeit wachgerüttelt hat, ist im November 2022 erfolgt, als OpenAI sein Dialogprogramm ChatGPT veröffentlichte. Diese Aktion löste einen Hype um die generative KI und große Sprachmodelle aus, dem eine gewisse Ernüchterung gefolgt ist.4

Viele Unternehmen fragen sich nun, welche Rolle die Künstliche Intelligenz in ihren Strategieprozessen spielen kann.

 

KI-unterstützte Strategieprozesse auf der Unternehmensebene

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) kommt zu dem Ergebnis, dass Künstliche Intelligenz Lernprozesse beschleunigt und verstärkt.5 Ein solches erweitertes (augmented) Lernen setzt an den vorhandenen Lernfähigkeiten an. Ein wichtiges Anwendungsfeld sind die verschiedenen Phasen von innovativen Strategieprozessen, die Unternehmen zu einer neuen Form von Wettbewerbsvorteilen verhelfen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Am Anfang steht ein KI-Audit zur Analyse der strategischen Ausgangssituationen des Unternehmens und seiner Anwendung von KI. Hieran schließt sich eine KI-unterstützte strategische Vorausschau (Foresight) an, die eine schnellere und leistungsfähigere Früherkennung ermöglicht. Die wissensspezifische KI ist auch ein Mittel bei der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen. Eine weitere Phase ist die Gestaltung eines KI-orientierten Stakeholder-Ökosystems. Bei der Auswahl von Partnern gilt es, die richtige Balance zwischen Kooperation und Wettbewerb zu finden.

Eine Basis für relevante Anwendungen bilden innovative KI-Plattform-Architekturen, zu deren Realisierung Unternehmen in der Regel Partner benötigen. Die Umsetzung von Strategien erfolgt mit Hilfe eines agilen, KI-unterstützten Performance Managements. Dabei findet eine enge Abstimmung zwischen der Unternehmensebene und der Ebene verbundener Geschäftsprozesse statt.

Eine entscheidende Rolle bei agilen Strategieprozessen spielen strategische Lernschleifen, die in Form von schnellen Iterationen ablaufen. So wird die Analyse der strategischen Ausgangssituation zu einem dynamischen Prozess.

 

KI-Audit zur Analyse der strategischen Ausgangssituation

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis, KI könne bundesweit 330 Milliarden Euro zur Bruttowertschöpfung beitragen. Jedes fünfte Unternehmen setzt bereits KI ein. Die meisten Anwendungen sind aber eher punktuell, z.B. in Form von Chatbots für Kundenanfragen. Erstaunlicherweise sagen 66 Prozent der Unternehmen, KI sei für ihr Geschäftsmodell nicht relevant. 36 Prozent halten die Integration in bestehende Systeme für schwierig. Über das fehlende Know-how der Beschäftigten klagen 47 Prozent. Der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst glaubt aber dennoch, KI könne der Motor für einen wirtschaftlichen Aufschwung sein.6

Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Unternehmen ein KI-Audit durchführen und sich z.B. mit der SWOT-Analyse einen Überblick zu ihrer strategischen Ausgangssituation verschaffen.7 Interessanterweise ähneln sich die Ergebnisse einer solchen Analyse der Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Bedrohungen. Eine Stärke vieler Unternehmen ist, dass sie über viel spezifisches Wissen verfügen, welches das Potenzial zu einer Erweiterung durch KI hat. Dem stehen häufig Schwächen bei einer systematischen Verankerung von KI in Strategien und Prozessen gegenüber. Die Möglichkeiten von KI liegen sowohl in der Produktivitätssteigerung als auch in Innovationsvorteilen durch neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Andererseits gibt es vielfältige Bedrohungen durch Konkurrenten, nicht-europäische Stakeholder-Ökosysteme und einen Missbrauch der in Künstlicher Intelligenz steckenden Macht.8

Lernprozess Innovationsstrategie

Auf dieser Grundlage geht es dann in einem nächsten Schritt darum, sich mit Hilfe einer KI-unterstützten strategischen Vorausschau noch besser auf zukünftige Entwicklungen vorzubereiten.

 

KI-unterstützte strategische Vorausschau

Die in den 1970er und 80er Jahren geprägten Begriffe strategische Früherkennung und Vorausschau (Foresight) haben eine längere Vorgeschichte, in der noch heute verbreitete Methoden wie die Szenarioanalyse entstanden sind. Der von uns entwickelte Gamechanger-Radar ermöglicht eine Vorbereitung auf tiefgreifende Veränderungen.9 Mit einer KI-unterstützten strategischen Vorausschau schreiben Vorreiter-Unternehmen nun ein neues Foresight-Kapitel. Dieses Kapitel geht von einem Wandel der Art und Weise aus, wie Menschen im Internet nach Informationen suchen.

So hat Google die neue Suchfunktion „Übersicht mit KI“ entwickelt, die zusammenfassende Texte zu Themen liefert. Ein Beispiel ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Das Thema, das ich eingegeben habe, lautet: „Applying Complexity Theory in Management“. Die Antwort, die Google liefert, ist überraschend gut. Sie beschreibt den Paradigmenwechsel im strategischen Management, der sich in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat, umfassender und besser als viele einzelne Publikationen zu diesem Thema.

Lernprozess Innovationsstrategie

Foresight-Anwender werden relativ schnell lernen, ihre Prompting-Fähigkeiten zu verbessern. Daneben entstehen gegenwärtig KI-unterstützte Foresight-Plattformen, die das frühzeitige Erkennen neuer Trends, die sich meist in Form von schwachen Signalen ankündigen, vereinfachen und beschleunigen.

Natürlich stellt diese Entwicklung auch eine Bedrohung für das traditionelle, mit Werbung verknüpfte Suchmaschinengeschäft von Google dar. Das Start-up Perplexity versucht z.B. mit seiner benutzerfreundlichen „Antwortmaschine“, Google Nutzer abzujagen. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies auf den Gewinnbringer des Marktführers auswirken wird.10

Für komplexe Aufgabenstellungen wie die strategische Vorausschau bietet die Reasoning AI („argumentierende KI“) Vorteile. Sie wird inzwischen von einigen KI-Entwicklern angeboten. Beim Reasoning zerlegt die KI mögliche Anfragen in Teilprobleme und bearbeitet diese schrittweise. Ein solches langsameres Denken kostet mehr Computerleistung und Strom. Das „Nachdenken“ von KI nennen Entwickler Chain of Thought (CoT) im Sinne einer Argumentationskette. Reasoning-Modelle erreichen dies durch einen zusätzlichen Trainingsschritt, der mit Hilfe des Reinforcement Learning ausführliche Begründungen schult. Ähnlich wie ein erfahrener Mitarbeiter analysieren Reasoning-Modelle schrittweise komplexe Informationen. Dazu benötigen sie einen einzigen präzisen Prompt und viel Kontext. Die Anwendung von „argumentierender KI“ bei der strategischen Vorausschau befindet sich allerdings noch im Experimentierstadium.11

 

KI-basierte Neuausrichtung von Geschäftsmodellen

Gegenwärtig entstehen innovative Geschäftsmodelle für eine KI-basierte Robotik. Hierin liegt eine Chance für Europa. Die Stanford-Professorin und große „Patin der KI“ Fei-Fei Li hat das Start-up World Labs gegründet, das KI-Modelle für eine räumliche Intelligenz von Robotern entwickelt, die Maschinen unterstützen. Auch die Google-Tochter DeepMind und der Digital-Gigant Nvidia arbeiten an Partnernetzwerken für KI-basierte menschenähnliche Roboter. Viele der Partner kommen aus Europa. Neben bekannten Robotik-Unternehmen entstehen hier Start-ups wie Anybotics (Schweiz) sowie Agile Robots, Neura Robotics und Quantum Systems aus Deutschland, die aber nicht über so große finanzielle Mittel verfügen, wie ihre Wettbewerber aus den USA (z.B. Figure AI und Covariant). Für Europa kommt es darauf an, möglichst schnell die Chancen zu nutzen, die sich aus der Verbindung von tiefem branchenspezifischem Wissen und innovativen KI-Modellen ergeben.12

Bei einer KI-basierten Neuausrichtung von Geschäftsmodellen sind zwei Dimensionen relevant. Diese Dimensionen sind die Produktivitätsorientierung und die Innovationsorientierung. Die meisten Unternehmen beginnen mit einer KI-basierten Produktivitätssteigerung und setzen KI bei Routineprozessen ein, um Personalkosten zu senken. Daneben sind inzwischen viele Anwendungsfelder für KI-basierte Innovationen entstanden. Wenn beide Dimensionen zusammenkommen, sprechen wir von einer KI-basierten Ambidextrie. Der Begriff Ambidextrie kennzeichnet ursprünglich im Sport die Fähigkeit zum Einsatz beider Hände. Übertragen auf das Management beschreibt Ambidextrous Leadership eine Führung, die eine gute Balance zwischen Innovation und Produktivität findet.13

Lernprozess Innovationsstrategie

Aufgrund der spezifischen Anwendungen dieser beiden Dimensionen in Branchen und Unternehmen ergibt sich eine große Vielfalt an KI-basierter Ambidextrie. Dabei sind die neuen Geschäftsmodelle in KI-orientierte Stakeholder-Ökosysteme eingebettet.

 

KI-orientierte Stakeholder-Ökosysteme

Die deutsche und die europäische Politik planen eine Leistungssteigerung ihres KI-Ökosystems. Angesichts einer sich wandelnden geopolitischen Lage sieht der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine Stärkung der digitalen Souveränität vor. Die Digitalpolitik der Europäischen Union (EU) zielt in die gleiche Richtung. Geplant sind fünf riesige Rechenzentren, um den Rückstand bei der Künstlichen Intelligenz aufzuholen. Kandidaten für eine solche Gigafactory in Deutschland sind die Standorte Jülich und Stuttgart. Bei der KI-Regulierung möchte die EU die Wettbewerbsfähigkeit stärker in den Mittelpunkt stellen und Bürokratie abbauen. Hierzu liegt der Entwurf eines EU-Aktionsplans vor. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Abhängigkeit von den großen Cloud-Anbietern (Hyperscaler) aus den USA zu verringern, bleibt abzuwarten.14

Auch bei einer Gestaltung des KI-orientierten Stakeholder-Ökosystems eines Unternehmens15 sind zwei Dimensionen zu beachten. Die eine Dimension ist die Abhängigkeit von mächtigen, nicht-europäischen KI-Anbietern. Um diese Abhängigkeit zu verringern, gewinnt als zweite Dimension für Unternehmen eine Verbesserung der eigenen Kompetenzen zur Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz an Bedeutung. In der Hype-Phase von KI-Grundlagenmodellen hat die Abhängigkeit von US-amerikanischen Anbietern zugenommen. Die Chance für Europa liegt nun vor allem bei wissensspezifischen KI-Modellen für verschiedene Anwendungen. Durch eine Verbindung dieser beiden Dimensionen entstehen hybride KI-Ökosysteme. Eine solche Konnektivität erfordert spezifische Fähigkeiten.

Lernprozess Innovationsstrategie

Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten stehen Unternehmen bei der Gestaltung ihres KI-Ökosystems vor der schweren Aufgabe, die richtigen Partnern zu finden. Dabei sind die Übergänge zwischen Kooperation und Wettbewerb fließend. Eine solche Situation beschreibt der Begriff Coopetition.16 Für eine Kombination von Cooperation und Competition fehlen bei KI-Ökosystemen bislang aber noch die theoretischen Grundlagen. Ein wichtiges Anwendungsfeld ist die Auswahl und eigene Entwicklung von innovativen KI-Plattform-Architekturen.

 

Innovative KI-Plattform-Architekturen

Der Chiphersteller AMD und das zu AMD gehörende finnische Start-up Silo AI arbeiten mit den Unternehmen der schwedischen Wallenberg-Gruppe zusammen. Der Nvidia-Wettbewerber AMD hat eine Partnerschaft mit 38 Unternehmen bekannt gegeben. Hierzu gehören u.a. AstraZeneca, Scania, Saab, Ericsson und IKEA. Die Zusammenarbeit koordiniert das Wallenberg-Innovationsnetzwerk Combient. Das Ziel ist eine Skalierung unternehmensspezifischer KI-Modelle. Während OpenAI seine KI-Modelle auf Nvidia-Chips trainiert, verwendet Silo AI Chips von AMD. Die Rolle von Silo AI ist, den Einsatz von KI-Modellen bei Unternehmen, die AMD-Plattformen nutzen, zu beschleunigen. Eine wichtige Rolle spielt dabei, auf welcher Infrastruktur die Arbeiten begonnen haben, da ein Umzug aufwändig ist. Silo AI setzt multimodale KI-Agenten ein, also Modelle, die neben Sprache auch Bilder und Audiodateien verarbeiten.17

Etablierte Digital-Unternehmen praktizieren seit geraumer Zeit eine Organisationsform, in deren Zentrum sich eine IT-Plattform befindet.18 Mit der zunehmenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz wird dieses Konzept für etablierte Unternehmen immer relevanter. Dabei verbinden innovative KI-Plattform-Architekturen sowohl die strategische und die operative Ebene als auch zentrale und dezentrale Organisationseinheiten. Dies ermöglicht, dass alle Geschäftsprozesse und Projekte Zugang zu einer gemeinsamen Datenbasis haben. Aufgrund ihrer verbindenden Rolle werden KI-Plattformen somit nicht nur zu einem Strategiebaustein, sondern auch zu einem wichtigen organisatorischen Gestaltungselement. Eine nicht einfach zu beantwortende Frage ist, wie groß der Anteil von Partnern und der eigene Anteil bei einer solchen KI-Plattform sein soll.

Lernprozess Innovationsstrategie

Innovative Plattform-Architekturen liefern auch die Infrastruktur für ein KI-unterstütztes Performance Management.

 

KI-unterstütztes Performance Management

Bei der Beantwortung der Frage, wie Künstliche Intelligenz das Performance Management verbessern kann, hilft ein Blick in die Geschichte der Leistungsmessung. Wichtige konzeptionelle Grundlagen liefern das von Peter Drucker entwickelte Management bei Objectives (MbO) und die von dem Organisationspsychologen Edwin Locke stammende Zielsetzungstheorie. Bereits in den 1980er Jahren entstand bei Intel die agile Objectives and Key Results (OKR-) Methode, die der Wagniskapitalgeber Kleiner Perkins z.B. bei Google einsetzte.19 In Deutschland wesentlich bekannter ist die aus einer Best-Practice-Studie von Robert Kaplan und David Norton hervorgegangene Balanced-Scorecard-Methode.20 Ein von Kleiner Perkins und dem Start-up Betterworks gestaltetes, KI-unterstütztes Performance Management zielt nun auf eine bessere Verbindung von Strategie und Motivation ab.

Lernprozess Innovationsstrategie

Für das Jahr 2025 gehört die Künstliche Intelligenz zwar zu den Topthemen des Managements, viele Unternehmen formulieren aber weder konkrete KI-Ziele noch messen sie die Ergebnisse. Eine weltweite BCG-Studie, in der 1800 Manager befragt wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass nur 24 Prozent der Unternehmen ihre operativen und finanziellen KI-Ziele nachverfolgen. Ein KI-unterstütztes Performance Management steht vor drei Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind:21

  1. Frühe Erprobungsversuche nicht abwürgen
  2. geeignete Schlüsselergebnisse für den Erfolg einer einzelnen Maßnahme festlegen und darüber hinaus
  3. die längerfristigen Effekte erfassen, die aus dem Zusammenwirken verschiedener Maßnahmen resultieren.

Die agile OKR-Methode liefert hierfür eine konzeptionelle Basis, bedarf aber einer Anpassung. Der OKR-Pionier Kleiner Perkins ist einer der Kapitalgeber des Anbieters von Performance-Management-Software Betterworks. Die Vision des 2013 gegründeten Unternehmens mit Sitz in Palo Alto ist, das traditionelle Performance Management weiterzuentwickeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei KI als Co-Pilot. Zeitgewinne bei Routineaufgaben können Manager so in eine bessere Harmonisierung strategischer und operativer Projekte investieren. Wichtige Anwendungsfälle (Use Cases) sind:22

  • Eine Abstimmung von anspruchsvollen Unternehmenszielen und persönlichen Zielen
  • datenbasierte, motivierende Feedbacks sowie
  • die Unterstützung von Kommunikations- und Lernprozessen.

Der angestrebte Nutzen, der zum Gesamterfolg beiträgt, ist:

  • Eine Verringerung von Voreingenommenheit (bias), mehr Fairness und Objektivität
  • eine erhöhte Produktivität sowie
  • bessere persönliche Beziehungen.

Damit kommt das Performance Management dem schon von der Zielsetzungstheorie verfolgten Motivationsgedanken einen Schritt näher.

Mit der zunehmenden Bedeutung von Künstlicher Intelligenz im strategischen Management wird neben praktischen Fähigkeiten beim Umgang mit KI als Werkzeug die geopolitische Kompetenz bei der Zusammenarbeit mit Stakeholdern immer wichtiger. Eine Grundlage hierfür ist ein starkes Zukunftsnarrativ.

 

Ein starkes Zukunftsnarrativ als Grundlage

In unserem 2020 erschienenen Buch zum Gamechanger-Potenzial der Künstlichen Intelligenz haben wir uns kritisch mit der europäischen und der deutschen Digitalpolitik auseinandergesetzt.23 Die neue Bundesregierung steht nun vor der Aufgabe, ein starkes Zukunftsnarrativ zu entwickeln, das verschiedene Politikfelder verbindet.24 Ein Ansatz zu einer solchen dringend benötigten, großen Erzählung ist die Anwendung von vertrauenswürdiger KI sowohl zur Steigerung der Produktivität als auch zur Lösung der Innovations- und Umweltprobleme von Organisationen. Im Mittelpunkt steht dabei die bereits skizzierte neue Form der Ambidextrie.

Lernprozess Innovationsstrategie

Die traditionelle Ambidextrie strebt eine Balance zwischen der Erschließung von Innovationspotenzialen (Exploration) und der Ausschöpfung von Produktivität (Exploitation) an. Mit Hilfe einer KI, die vertrauenswürdig sein sollte, bietet sich nun die Möglichkeit, gleichzeitig

  • durch Produktivitätssteigerungen die Arbeitskosten zu senken, dem Fachkräftemangel zu begegnen25 und
  • qualifiziertes Personal stärker zur digitalen und ökologischen Neuausrichtung von Organisationen einzusetzen.26

Angesichts der veränderten geopolitischen Lage ergibt sich für eine AI made in Europe ein Zeitfenster, das der „alte Kontinent“ nutzen sollte, um die Weltmarktführerschaft bei notwendigen Nachhaltigkeitsinnovationen anzustreben.27 Aufgrund der Vielzahl der zu bewältigenden Krisen erfordert dies zunächst ein resilienzorientiertes strategisches Management.28

 

Fazit

  • Strategieprozesse werden durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz leistungsfähiger
  • Eine wissensspezifische KI unterstützt die strategische Vorausschau, eine Neuausrichtung von Geschäftsmodellen, die Gestaltung von Stakeholder-Ökosystemen, innovative Plattform-Architekturen und das Performance Management
  • Vorreiter-Unternehmen arbeiten an einer KI-basierten Ambidextrie
  • Angesichts der geopolitischen Herausforderungen kommt es entscheidend auf die Wahl der richtigen Partner an.

 

Literatur

[1] Servatius, H.G., Wettbewerbsvorteile mit wissensspezifischer KI. In: Competivation Blog, 11.02.2025

[2] Kaufmann, T., Servatius, H.G., Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, SpringerVieweg 2020, S. 56ff.

[3] Kaufmann, Servatius, a.a.O., S. 34ff.

[4] Servatius, H.G., Entwicklung der KI-Technologien. In: Competivation Blog, 19.02.2025

[5] Alavi, M., Westerman, G., How GenAI Will Transform Knowledge Work. In: Harvard Business Review, 7. November 2023

[6] Höning, A., Kowalewski, R., Jeder fünfte Betrieb in NRW nutzt KI. In: Rheinische Post, 13. November 2025, S. 1

[7] Servatius, H.G., Auditierung des Innovationssystems eines Unternehmens. In: Competivation Blog, 19.03.2015

[8] Suleyman, M., Bhaskar, M., The Coming Wave – Technology, Power and the Twenty-First Century‘s Greatest Dilemma, Crown 2023

[9] Servatius, H.G., Strategische Vorausschau mit einem Game-Changer-Radar. In: Competivation Blog, 27.01.2021

[10] Alvares de Souza Soares, P., Geldmaschine Google – Wie lange noch? In: Handelsblatt, 25./26./27. April 2025, S. 26-27

[11] Knees, L., Warum Nutzer mehr für langsame KI zahlen. In: Handelsblatt, 31. März 2025, S. 24-25

[12] Holtermann, F., Schimroszik, N., Die Roboter kommen! In: Handelsblatt, 3./4./5. Januar 2025, S. 44-48

[13] O’Reilley, C., Tushman, M., Lead and Disrupt – How to Solve the Innovator‘s Dilemma, Stanford Business Books 2016

[14] Bomke, L., et al., Europa will eigene KI-Factories bauen. In: Handelsblatt, 9. April 2025, S. 6-7

[15] Servatius, H.G., Gestaltung von innovativen Stakeholder-Ökosystemen. In: Competivation Blog, 10.01.2023

[16] Brandenburger, A.M., Nalebuff, B.J., Co-Opetition – A Revolutionary Mindset That Combines Competition and Co-Operation, Bantam 1996

[17] Holzki, L., AMD schließt Partnerschaft mit der Industrie. In: Handelsblatt, 30. Januar 2025, S. 24

[18] Servatius, H.G., Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[19] Doerr, J., Measure What Matters – How Google, Bono and the Gates Foundation Rock the World with OKRs, Portfolio/Penguin 2018

[20] Kaplan, R.S., Norton, D.P., Balanced Scorecard – Translating Strategy into Action, Harvard Business School Press 1996

[21] Bomke, L., Höppner, A., Nur wenige Unternehmen messen ihre KI-Initiativen. In: Handelsblatt, 16. Januar 2025, S. 21

[22] Gouldsberry, M., The Pivotal Role of AI in Performance Management, 11. Januar 2025

[23] Kaufmann, Servatius, a.a.O, S. 203ff.

[24] Servatius, H.G., Auf dem Weg zu einem neuen wirtschaftspolitischen Narrativ. In: Competivation Blog, 16.05.2022

[25] Servatius, H.G., Prozessorientierte KI zur Produktivitätssteigerung. In: Competivation Blog, 12.03.2025

[26] Servatius, H.G., KI und die Zukunft der Management Education. In: Competivation Blog, 09.04.2025

[27] Servatius, H.G., Nachhaltigkeitsorientiertes strategisches Management. In: Competivation Blog, 15.08.2024

[28] Servatius, H.G., Resilienzorientiertes strategisches Management. In: Competivation Blog, 15.03.2024

Wettbewerbsvorteile mit wissensspezifischer KI

Wettbewerbsvorteile mit wissensspezifischer KI

In der Vergangenheit hat es wohl noch nie einen Kampf um Wettbewerbsvorteile gegeben, der so dynamisch verlaufen ist, wie das gegenwärtige Rennen beim Thema Künstliche Intelligenz (KI). Für Europa ergeben sich neue Möglichkeiten mit einer wissensspezifischen (domain-specific) KI. Diese Chancen bauen auf den traditionellen Stärken des „alten Kontinents“ auf. Um den vorhandenen Rückstand aufzuholen, erscheint es notwendig, sich vertieft mit dem Thema Wissen und dessen langer Entwicklungsgeschichte zu beschäftigen.

Im Rahmen unserer Reihe zu KI als Werkzeug für Strategien knüpft dieser neue Blogpost an meine Erläuterung von strategischen Lernschleifen an. Zunächst geht es um die Verbindung von Wissensmanagement und KI-Technologien im Rahmen der fünften Entwicklungsstufe eines konnektiven strategischen Managements.

 

Kampf um die Führung bei KI

Die fünf Unternehmen mit dem weltweit höchsten Börsenwert sind (Stand Dezember 2024) Apple, Nvidia, Microsoft, Amazon und Alphabet. Ein wichtiger Werttreiber ist die Künstliche Intelligenz. Der Wert von Apple liegt bei 3,7 Billionen Euro. Alle 40 DAX-Konzerne zusammen kommen nur auf einen Wert von 1,9 Billionen Euro.1

Ende Januar 2025 überraschte das chinesische Start-up Deepseek die Weltöffentlichkeit mit einem neuen KI-Sprachmodell, das mit den besten Modellen westlicher Tech-Riesen mithalten können soll, aber weniger Rechenleistung benötigt und geringere Kosten verursacht. Die Nachricht löste einen Kursrutsch bei US-Technologiewerten aus. Die Kursverluste summierten sich zwischenzeitlich auf eine Billion US-Dollar. Das von Liang Wenfeng 2023 gegründete Unternehmen setzt auf Open Source, d.h. die Software steht anderen frei zur Verfügung. Außerdem soll sie ohne Hightech-Chips trainiert worden sein. Damit stellt sich die Frage, ob die Milliardeninvestitionen der US-Konzerne wirklich erforderlich sind. Das gute Preis-Leistungsverhältnis bei Deepseek resultiert wahrscheinlich aus einer Kombination verschiedener Ansätze, z.B. der Zusammensetzung aus vielen kleinen Expertenmodellen, von denen jeweils nur die relevanten aktiviert werden.2 Für europäische KI-Anbieter, die über weniger Kapitalkraft verfügen, liegt in dieser Entwicklung möglicherweise eine Chance.

 

Wettbewerbsvorteile mit KI aus Europa

Beim Thema Künstliche Intelligenz steht Europa vor der Aufgabe, aufzuholen und die Abhängigkeit von großen Tech-Unternehmen zu verringern. Außerdem gilt es, kritische Infrastrukturen zu sichern und das geistige Eigentum der hier ansässigen Organisationen zu schützen. Dies ist in besonderem Maße für die vielen Hidden Champions und deren herausragende Kompetenzen in Spezialgebieten von Bedeutung. Nach dem Hype und einer gewissen Ernüchterung bei großen Sprachmodellen zeichnen sich nun neue Möglichkeiten für eine KI-Strategie ab, die auf den Stärken der europäischen Wirtschaft aufbaut. Eine wichtige Rolle spielt dabei die wissensspezifische (domain-specific) Künstliche Intelligenz, die Wettbewerbsvorteile auch für die vielen kleineren und mittelgroßen Unternehmen ermöglicht. Das Heidelberger Start-up AlephAlpha hat hierzu einen neuen Ansatz entwickelt.

Dabei liegt der Vorteil für Unternehmen darin, Sprachmodelle mit eigenem Wissen zu gestalten und zu betreiben. Heutige Modelle basieren auf der Transformer-Architektur und einem Tokenizer, der Sprachmuster erkennt. Hierzu werden große Textmengen analysiert und in einzelne Bausteine zerlegt (Text-Segmentierung). AlephAlphas T-Free-Ansatz und sein KI-Modell Pharia funktionieren anders. T-Free steht für Tokenizer-frei und verarbeitet fortlaufend Gruppen aus drei nebeneinander liegenden Zeichen. So gelingt eine einfachere Anpassung an andere Sprachen und Begriffswelten. Gemeinsam mit dem Halbleiterhersteller AMD und dem von AMD übernommenen finnischen Start-up SiloAI hat AlephAlpha mit T-Free einen Weg gefunden, branchen- und unternehmensspezifische Begriffe („Sprachen“) mit einer deutlich verbesserten Leistung zu trainieren. Außerdem hilft der Ansatz, die KI-Souveränität zu erhöhen.3

Ein Konsortium aus Unternehmen, Universitäten und Supercomputing-Zentren entwickelt gegenwärtig eine KI für Europa. Peter Sarlin von SiloAI betrachtet das neue Open Europe LLM-Projekt als „Moonshot“. Aus Deutschland sind unter anderem AlephAlpha und das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) beteiligt. Sowohl der Code als auch die Forschung werden Open Source veröffentlicht. Die Europäische Kommission soll für die nächsten drei Jahre bis zu 54 Millionen Euro bereitstellen. Im internationalen Vergleich ist diese Summe relativ klein. Eine europäische KI, die zum Gemeingut wird, erhöht aber entscheidend die Souveränität.4

Nach Einschätzung von Experten hat Europa die Chance, bei der Künstlichen Intelligenz Wettbewerbsvorteile zu erzielen, wenn es gelingt, die folgenden vier Erfolgsfaktoren zu verbinden:5

  1. Eine verbesserte Zusammenarbeit von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft
  2. eine Fokussierung auf wissensspezifische KI-Anwendungen
  3. die Bündelung von Ressourcen, um Größennachteile zu überwinden und
  4. die Schaffung einer vertrauenswürdigen KI als Differenzierungsmerkmal.

Eine solche Verbindung erfordert ein konnektives strategisches KI-Management. Während Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 150 Milliarden Euro in europäische KI-Start-ups investieren möchte, kommt das Thema Künstliche Intelligenz im deutschen Bundestagswahlkampf leider kaum vor.

Lernprozess Innovationsstrategie

Im Folgenden möchte ich skizzieren, wie die Verbindung von Wissensmanagement mit KI-Technologien gelingt.

 

Verbindung von Wissensmanagement mit KI-Technologien

Die Zusammenarbeit von Mensch und KI funktioniert ähnlich wie Stabhochsprung. Dabei ist der Stab ein Werkzeug, das die Fähigkeiten des Springers und der Springerin verstärkt, wenn diese das Werkzeug beherrschen.

Eine Nutzung von KI verändert die Wissensarbeit von Menschen in den folgenden drei Dimensionen:

  1. Zeitersparnis durch eine Automatisierung von Routinetätigkeiten
  2. Erweiterung der Fähigkeiten bei einer Bearbeitung sowohl von datenintensiven als auch von unstrukturierten Aufgaben und
  3. individualisiertes Lernen zur Weiterentwicklung von menschlichen Fähigkeiten.

Im Zusammenwirken dieser Dimensionen liegt das Potenzial des Werkzeugs KI.

Lernprozess Innovationsstrategie

Mit der Verbindung von Wissensmanagement und KI-Technologien zeichnet sich nun eine neue Möglichkeit zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen ab. Die Ausgangsbasis bildet die Aktivierung des spezifischen Wissens und Könnens von Unternehmen. Hinzu kommt eine Nutzung des Potenzials von KI zur Erweiterung der Kompetenzen und damit zur Differenzierung im Wettbewerb. Entscheidend ist dann als dritter Punkt die systematische Verbesserung von Fähigkeiten, die Wissen und KI verbinden. Dies erfordert eine gezielte Aus- und Weiterbildung.

Für Jeanette zu Fürstenberg, der Europa-Verantwortlichen der US-Investmentgesellschaft General Catalyst, bestehen die Möglichkeiten der europäischen Wirtschaft in einer Verbindung des großen Datenbestandes und Wissens etablierter Unternehmen mit KI-Technologien.6

Im Folgenden möchte ich den Zusammenhang zwischen Wissensmanagement und Künstlicher Intelligenz erläutern und in diesem und den nächsten Blogposts die Implikationen für das strategische Management behandeln.

Lernprozess Innovationsstrategie

Das Wissen für innovative Geschäftsmodelle hat eine lange Entwicklungsgeschichte von der griechischen Antike bis zur heutigen Wissensgesellschaft. In den 1990er Jahren setzte sich die Überzeugung durch, dass die Schaffung von neuem Wissen eine wichtige Quelle von Wettbewerbsvorteilen ist. Nach diesem Hype beim Thema Wissensmanagement folgte aber eine Ernüchterung. Gleichzeitig gelang es US-amerikanischen Start-ups, eine wissensbasierte Wertschöpfung und Wertsteigerung mit digitalen Geschäftsmodellen zu verknüpfen.

Die Entwicklung der KI-Technologien ist von der symbolischen KI und neuronalen Netzwerken zur generativen KI (GenAI) verlaufen. 2024 wurden vier KI-Forscher mit Nobelpreisen ausgezeichnet. Aber bei dem Hype um große Sprachmodelle zeichnet sich eine Ernüchterung ab. Kleine Sprachmodelle haben eine Reihe von Vorteilen. Sie sind kostengünstiger und leichter an spezifische Anwendungen anpassbar. Auch hier stellt sich die Frage, wie die Gefahren von KI einzudämmen sind.

Aus der Verbindung dieser beiden Themenfelder resultiert die Erkenntnis, dass die wissensspezifische KI ein wichtiges Prozess- und Gestaltungselement in Strategien ist. Dabei kann man zwischen der Ebene der Unternehmensstrategie und der Ebene der Funktionalstrategien unterscheiden. KI ist ein neues Werkzeug zur Unterstützung von Strategieprozessen und der Zusammenarbeit von Strategieteams. Darüber hinaus ermöglicht KI die Gestaltung innovativer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Auf der funktionalen Ebene leistet KI wichtige Beiträge zur Produktivitätssteigerung verbundener Geschäftsprozesse. Außerdem führt ein KI-unterstütztes, agiles Performance Management zu einer besseren Komplexitätsbewältigung als die traditionellen Ansätze.

Da das Wissensmanagement eine Grundlage für den Einsatz von KI-Technologien bildet, möchte ich zunächst die Entwicklung des Themas Wissen von der griechischen Antike bis zur Wissensgesellschaft skizzieren.

 

Von der griechischen Antike zur Wissensgesellschaft

In der griechischen Antike diskutierten der Philosoph Platon und sein Schüler Aristoteles im 3. Jahrhundert vor Christus die Frage, ob deduktive oder empirische Erkenntnistheorien zum Wissenserwerb führen.

Zu Beginn der Neuzeit propagierte Rene Descartes (1596-1650) eine Trennung zwischen dem Subjekt des Wissenden und dem Objekt des Wissens. Diese sogenannte kartesianische Spaltung sollte die Wissenschaft noch lange beschäftigen.

Der deutsche Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) versuchte eine Synthese. Dabei wirken logisches Denken und Erfahrung zusammen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beschäftigte sich der amerikanische Pragmatismus mit Vertretern wie William James mit der Beziehung zwischen Wissen und Handeln.

1969 prägte Peter Drucker den Begriff einer durch Wissensarbeit und Knowledge Worker geprägten Wissensgesellschaft.7

Von großer praktischer Relevanz waren dann seit Ende der 1970er Jahre die Arbeiten von Chris Argyris und Donald Schön zum Single Loop und Double Loop Learning,8 die die Grundlage für das Konzept einer lernenden Organisation bildeten.

Erstaunlicherweise spielte das Thema Wissen in der Anfang der 1990er Jahren entstandenen ressourcenorientierten Sichtweise des strategischen Managements keine entscheidende Rolle.

Aus heutiger Sicht definieren wir Wissen als Ressource und Ergebnis von Lernprozessen, die Menschen im Austausch mit Teams, Organisationen und Künstlicher Intelligenz gestalten.

 

Schaffung von neuem Wissen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen

Für die Schaffung von neuem Wissen ist der Begriff des impliziten oder stillen (tacit) Wissens von Bedeutung, den der Naturwissenschaftler und Philosoph Michael Polanyi bereits seit den 1950er Jahren geprägt hat.9 Beim stillen Wissen weiß jemand, wie es geht, aber sein Wissen steckt implizit in seinem Können. Es ist schwer verbal oder schriftlich in Form von explizitem Wissen zu dokumentieren.

Die japanischen Wissenschaftler Nonaka und Takeuchi haben Mitte der 1990er Jahre beschrieben, wie neues Wissen als Quelle von Wettbewerbsvorteilen aus den folgenden vier Formen einer Wissensumwandlung entsteht:10

  1. Von implizit zu implizit (Sozialisation)
  2. von implizit zu explizit (Externalisierung)
  3. von explizit zu explizit (Kombination) und
  4. von explizit zu implizit (Internalisierung).

Diese Formen der Wissensumwandlung sind für den Erfolg von Hidden Champions entscheidend. Dort hat die Verbindung von Wissen, Können und Handeln eine lange Tradition. Die Schaffung von neuem Wissen, die Entwicklung von Fähigkeiten und die Umsetzung in praktisches Handeln erfolgen häufig in Lernprozessen bei denen – ähnlich wie im Sport – das Vormachen und Nachmachen eine wichtige Rolle spielen. Diese Lernprozesse sind z.B. mit Videos dokumentier- und skalierbar.

Lernprozess Innovationsstrategie

Hieraus ergeben sich neue Impulse für die Anwendung von wissensspezifischer Künstlicher Intelligenz.

 

Hype und Ernüchterung beim Wissensmanagement

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahren erlebte das Wissensmanagement eine Hype-Phase, der aber eine Ernüchterung folgte. Auslöser des Hypes war vor allem das Buch The Knowledge Creating Company von Nonaka und Takeuchi, das das Wissensmanagement japanischer Unternehmen behandelt.

Letztlich ist die Bedeutung von implizitem Wissen „im Westen“ aber nicht wirklich verstanden worden. Der Schwerpunkt von Unternehmen und Beratern lag bei der Extraktion und Zusammenführung des vorhandenen expliziten Wissens („wenn HP wüsste, was HP weiß…“). Dies hat sich als schwierig und kostspielig erwiesen und in den 2000er Jahren zu einer Ernüchterung beigetragen.

Ein pragmatischer Ansatz, der Wissen, Können und Handeln verknüpft, spielte in den Publikationen dieser Zeit keine große Rolle.

 

Wissensbasierte Wertschöpfung, Wertsteigerung und KI-basierte Geschäftsmodelle

Eine wissensbasierte Wertschöpfung, Wertsteigerung und Verbindung mit digitalen Geschäftsmodellen behandelt unser 2001 erschienenes Buch WissensWert.11 Die Arbeiten hierzu haben Mitte der 1990er Jahre angeregt durch die zunehmende Bedeutung des Wissensmanagements begonnen. Sie knüpfen an die „Reengineering-Welle“ und IT-basierte Innovationen bei Routineprozessen an. Unsere Ausgangsthese war, dass eine wissensbasierte Wertschöpfung und die Wertsteigerung mit Wissen neue Möglichkeiten zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen eröffnen.

Zur gleichen Zeit sind mit den Internet-Technologien zunächst im Online-Handel (Electronic Business) neue digitale Geschäftsmodelle entstanden. Nach dem Zusammenbruch der New Economy haben Start-ups wie Amazon, Google und Facebook führende Marktpositionen erreicht und sind zu den wertvollsten Unternehmen der Welt geworden.

Europa ist bei digitalen Geschäftsmodellen in eine starke Abhängigkeit geraten. Im Rückblick ist es erstaunlich, wie wenig man hier bemerkt hat, dass seit der Jahrtausendwende Geschäftsmodell-Innovationen entstanden sind, die auf KI-Anwendungen basieren.

In den frühen 2000er Jahren begann die damalige Princeton-Informatikprofessorin Fei-Fei Li mit dem Aufbau der größten Datenbank der KI-Forschung (Computervision, später ImageNet). Ein Anwender war der Online-Buchhändler Amazon. Das 1994 gegründete Unternehmen gilt als Erfinder KI-basierter persönlicher Produktempfehlungen.12 Seit 2003 verwendet Amazon hierfür die Methode des Item-to-Item Collaborative Filtering.

Ein weiterer KI-Anwender war Facebook mit einem sozialen Netzwerk, das maschinelles Lernen nutzt, um Leute zusammenzubringen („matching“), die Gemeinsamkeiten haben. Maschinelle Lernmodelle sortieren personalisierte Werbung nach der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit und begründeten so innovative Geschäftsmodelle, wie die Suchmaschine von Google und deren RankBrain-Algorithmus. Auf dem KI-basierten Prinzip persönlicher Empfehlungen bauen auch das Musikstreaming-Geschäftsmodell von Spotify, das Videostreaming von Netflix und die Kurzvideoplattform der chinesischen Bytedance-Tochter TikTok auf.

Viele Menschen haben also bereits seit der Jahrtausendwende täglichen Kontakt mit KI-Anwendungen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Europa steht gegenwärtig vor der Herausforderung, die sich bietenden neuen Chancen beim Thema KI besser zu nutzen als in der Vergangenheit.

 

Fazit

  • Angesichts der extremen Wettbewerbsdynamik bei der Künstlichen Intelligenz muss Europa aufholen und seine Anhängigkeit verringern
  • Eine Möglichkeit hierzu eröffnet die Verbindung von unternehmens-spezifischem Wissen mit innovativen KI-Technologien wie dem Tokenizer-Free-Ansatz
  • Der Erfolg der heutigen Tech-Giganten seit der Jahrtausendwende basiert auf einer kreativen Anwendung von KI
  • Eine wissensspezifische Künstliche Intelligenz könnte an die Erfolgsgeschichte der europäischen Hidden Champions anknüpfen und diese fortsetzen.

 

Literatur

[1] Sommer U., USA dominiert wie nie. In: Handelsblatt, 27./28./29. Dezember 2024, S.1, 6-8

[2] Gusbeth, S. et al., Sputnik-Moment. In: Handelsblatt, 31. Januar, 1./2. Februar 2025, S. 50-55

[3] Holzki, L., Bis zu 400 Prozent leistungsfähiger. In: Handelsblatt, 22. Januar 2025, S. 23

[4] Holzki, L., 54 Millionen für eine Europa-KI. In: Handelsblatt, 4. Februar 2025, S. 18-19

[5] Bomke, L., Knees, L., Wo Europa Chnacen im KI-Rennen hat. In: Handelsblatt, 10. Februar 2025, S. 20-21

[6] zu Fürstenberg, J., „Wir brauchen viel mehr Kapital, das auch mal ins Risiko geht“ (Interview), In: Handelsblatt, 31. Januar, 1./2. Februar 2025, S. 32-33

[7] Drucker, P.F., The Age of Disconinuity – Guidelines to our Changing Society Butterworth-Heinemann 1969

[8] Argyris, L., Schön, D.A., Organizational Learning – A Theory of Action Perspective, Addison Wesley 1978

[9] Polanyi, M., Implizites Wissen, Suhrkamp 1985

[10] Nonaka, I., Takeuchi, H., The Knowledge-Creating Company – How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation, Oxford University Press 1995

[11] Palass, B., Servatius, H.G., WissensWert – Mit Knowledge Management erfolgreich im E-Business, Schäffer-Poeschel 2001

[12] Meckel, M., Steinacker, L., Alles überall auf einmal – Wie Künstliche Intelligenz unsere Welt verändert und was wir dabei gewinnen können, Rowohlt 2024

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