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Wie sich die Rolle des Chief Learning Officers verändert

Wie sich die Rolle des Chief Learning Officers verändert

Die Gewinnung von Talenten und die Förderung ihrer Lernprozesse im Unternehmen werden auch in Zukunft zentrale Aufgaben der Personalentwicklung sein. Im Zuge des digitalen Wandels verändern sich jedoch die Rollen der Learning & Development-Einheit und eines Chief Learning Officers.

 

Lernkonzepte in Unternehmen

Das Konzept einer lernenden Organisation, das vor allem durch den MIT-Forscher Peter Senge geprägt wurde,1 entwickelt sich im Rahmen des digitalen Wandels weiter. Damit einher geht eine Veränderung der Rolle des Chief Learning Officers – einer Position, die erstmals 1995 bei GE geschaffen wurde – und der Einheit Learning & Development, die man in Deutschland meist Personalentwicklung nennt.2

Bei der Gestaltung von Lernkonzepten in Unternehmen kann man zwischen der Angebots- und der der Nachfrageseite unterscheiden. In der Vergangenheit war die Nachfrageseite der Lernenden vor allem durch individuelle Initiativen gekennzeichnet. Dabei wendete sich der Einzelne z.B. nach einem Zielvereinbarungsgespräch an die Personalentwicklung, die ihn bei der Auswahl geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen unterstützte. Personalentwickler koordinierten diese Aktivitäten und pflegten die Beziehungen zu externen Trainingsanbietern. Wenn die Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern überhaupt durch Learntech-Lösungen unterstützt wurde, setzte man Learning Management Systems (LMS) ein, die bei der Organisation und Verwaltung von Lerninhalten helfen.3

 

 

Sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite von Lernkonzepten zeichnen sich gegenwärtig gravierende Veränderungen ab.

 

Zunehmende Bedeutung von Learning Experience Platforms

Ermöglicher dieser Veränderungen sind die neuen Learning Experience Platforms (LXP), die die traditionellen Learning Management Systems ergänzen oder ersetzen und den 200 Milliarden Dollar großen weltweiten Corporate-Training-Markt aufmischen. Im Zentrum dieser Entwicklung stehen persönliche Lernerlebnisse und der Bedarf nach in die Arbeit integrierten Formen eines Mikrolernens. Die seit 2010 gegründeten Anbieter wie Grovo, Axonify, Degreed, Pathgather und EdCast ignorierten die Lösungen der LMS-Anbieter und konzentrierten sich auf die Integration von Videos, Artikeln, Podcasts und anderen digitalen Inhalten in ein On Demand Learning. Die weitere Entwicklung ist gekennzeichnet durch persönliche KI-basierte Empfehlungen, wie man sie im Privatbereich von Netflix und Spotify kennt. Und natürlich greifen auch die etablierten Anbieter diesen Trend auf und arbeiten an neuen Learntech-Lösungen.4

 

Qualifizierung für den digitalen Wandel

Daneben gibt es eine zweite Entwicklung und diese geht von den Veränderungen des Arbeitsmarktes aufgrund des digitalen Wandels aus. Hier stellt sich für die Personalentwicklung die Aufgabe, die vorhandenen MitarbeiterInnen soweit möglich für die sich abzeichnenden neuen Aufgabenfelder zu qualifizieren. Dies erfordert strategische Rahmenprogramme für ein Makrolernen, das aber wirtschaftlich darstellbar sein muss. Auch diese Programme werden sich an den individuellen Bedürfnissen der Lernenden orientieren. Die Zukunft der Lernplattformen wird daher durch eine Verknüpfung von Mikro- und Makrolernen für eine große Anzahl von Lernenden gekennzeichnet sein. Diese Entwicklungen sind ein wichtiger Treiber für die Disruption in der Management Education.5

 

Gestaltung von internen Lernplattformen

Für Chief Learning Officers und Learning & Development-Einheiten bedeuten diese Weiterbildungstrends, dass sich ihre Rolle in Richtung auf die aktive Gestaltung von unternehmensinternen Lernplattformen verlagert. Wie bei Plattform-Geschäftsmodellen im Markt kommen auf einer Lernplattform unterschiedliche Akteure zusammen. Auf der einen Seite sind das die Lernenden als Nutzer der Plattform. Auf der anderen stehen interne und externe Anbieter von Lerninhalten. Silicon Valley Companies haben die Bedeutung der eigenen Mitarbeiter als Lehrende erkannt. So laufen über das Programm Googler-to-Googler (g2g) 80 Prozent der internen Trainings des Unternehmens.6 Daneben steht die Plattform ausgewählten externen Anbietern von Lerninhalten zur Verfügung. Eine Einheit Learning & Development hat die Aufgabe, geeignete Partner für Learntech-Lösungen auszuwählen, die die erforderliche Infrastruktur liefern. Der Chief Learning Officer trägt die Verantwortung für die Orchestrierung der Akteure und ihren Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens. Auf diese Weise entwickelt er das Konzept einer lernenden Organisation für das digitale Zeitalter weiter.

 

In unserer praktischen Arbeit unterstützen wir Unternehmen bei der Gestaltung von Lernplattformen. Wichtige Impulse kommen dabei aus unserem laufenden Erfahrungsaustausch mit Learning & Development-Einheiten.

 

 

Literatur

  1. Senge, P. M.: The Fifth Discipline – The Art and Practice of the Learning Organization, New York 1990
  2. Elkeles, T., Phillips, J.: The Chief Learning Officer – Driving Value Within a Changing Organization Through Learning and Development, New York 2007
  3. Baker, K. M.: The LMS Selection Checklist – Questions to Ask When You Choose a Learning Managing System, Los Angeles 2018
  4. G2: Best Learning Experience Platform Software in 2019
  5. Servatius, H.-G.: Disruption in der Management Education. In: Competivation Blog, 29.05.2019
  6. Vibons: Learning & Development Best Practices from the Top Silicon Valley Companies, 21.05.2018
Disruption in der Management Education

Disruption in der Management Education

Beim digitalen Wandel spielt die Managementaus- und -weiterbildung eine entscheidende Rolle. Auch hier gewinnen disruptive Ansätze an Bedeutung.

 

Angriffsflächen für Disruptionen in der Aus- und Weiterbildung von Managern

Spätestens seit den Buch-Publikationen des Harvard-Professors Clayton Christensen haben disruptive Ansätze1 auch die Managementaus- und -weiterbildung erreicht.2 Dabei bildet die traditionelle Management Education vier große Angriffsflächen für Disruptionen:

  1. Die überwiegend akademische Erfahrung von Universitätsprofessoren der Betriebswirtschaftslehre
  2. die Dominanz des Präsenzunterrichts an Hochschulen und bei Seminaranbietern
  3. die rein textbasierten Lehrmittel von Buch- und Fachzeitschriften-Verlagen sowie
  4. die relativ geringe Verbreitung innovativer Learntech-Lösungen.

Deshalb überrascht es nicht, dass wichtige Disruptionen in der Aus- und Weiterbildung vor allem durch neue Anbieter, wie den 2011 vom früheren Stanford-Professor und Google X Labs Founder Sebastian Thrun gegründeten Startup Udacity, erfolgen. Udacity bietet neben Massive Open Online Courses (MOOCs) zu Technologiethemen weitere Services an, wie ein persönliches Coaching und Unterstützung bei der Jobsuche.

Inzwischen sind auch in Deutschland eine Reihe von Dienstleistern entstanden, z.B. die XU Exponential University, Masterplan, Neue Fische und die Shiftschool, die versuchen, sich im milliardenschweren Markt für Technologie- und Management Education zu positionieren.3 Der Schwerpunkt dieser Organisationen liegt bei der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten zum digitalen Wandel, die von den traditionellen Hochschulen lange vernachlässigt worden sind.

 

Disruption mit neuen Lernformen

Die Disruption in der Management Education erfolgt vor allem mit neuen Lernformen für unterschiedliche Lehrinhalte. Dabei kann man bei den Lehrinhalten unterscheiden zwischen

  • theoretischen und konzeptionellen Grundlagen, die traditionell im Rahmen von Vorlesungen und Übungen vermittelt werden sowie
  • Fallstudien, die man mit Hilfe von eigenen oder zugekauften Cases lehrt

 

 

An diesen beiden Lehrinhalten setzen die disruptiven Lernformen an, die wir kurz erläutern wollen.

 

Von der traditionellen Vorlesung zu neuen Formen unternehmensspezifischer Programme

Es ist erstaunlich, wie lange sich die traditionelle Kombination aus Vorlesung und Übung als vorherrschende Form der Vermittlung von Lehrinhalten in der Management-Ausbildung gehalten hat. Seit Ende der 1990er Jahre gewinnt das E-Learning mit digitalen Medien an Bedeutung. In der Praxis erfolgt das häufig mit einfachen Lernvideos, bei denen der Lehrende in die Kamera blickt und vor einem grünen Hintergrund mit animierten Grafiken (Motion Design) agiert. Diese Lernvideos ähneln also Vorlesungen, bieten aber nicht die Abwechslung eines realen Klassenraumes. Daher empfinden die meisten Lernenden das Anschauen derartiger Videos nach kurzer Zeit als langweilig.

Unternehmen fordern seit langem, dass die Weiterbildung an ihre spezifischen Bedürfnisse angepasst sein sollte. Viele Business Schools bieten daher Customized Programs an. Die führenden Anbieter solcher unternehmensspezifischen Programme waren 2018 IESE in Barcelona, Duke in North Carolina, IMD in Lausanne, die London Business School und HEC in Paris. Auf die Top-90-Liste der Financial Times haben es nur drei deutsche Hochschulen geschafft, die die Plätze 23, 38 und 80 belegen.4 Es bleibt abzuwarten, ob es deutschen Anbietern gelingt aufzuholen. Für die Mehrzahl der kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) sind derartige Kurse aber vermutlich ohnehin nicht der richtige Weg zur Bewältigung des digitalen Wandels.

Eine Disruptionsmöglichkeit sind neuartige Formen unternehmensspezifischer Programme kombiniert mit professionellen Lernvideos. Dieser Ansatz verbindet eine Customization vor Ort mit interaktiven Videoformaten, die Mitarbeiter wirklich zum Lernen motivieren. Diese Programme werden inhaltlich von spezialisierten Dienstleitern gestaltet, die unter Nutzung der weltweit besten aktuellen Lehrinhalte ein auf die Herausforderungen des Unternehmens zugeschnittenes Lehrprogramm entwickeln. Das Training findet sowohl vor Ort als auch online in Microlearnings statt. Der Vorteil für das Unternehmen ist, dass das Lernen besser mit der individuellen Arbeit einer größeren Anzahl an Mitarbeitern verknüpft werden kann, die nicht zu einer weit entfernt liegenden Hochschule reisen müssen. Nach diesem Prinzip haben wir auch unseren Kurs Innovationsmanagement konzipiert, den wir kontinuierlich weiterentwickeln.

Der Vorteil professioneller Lernvideos gegenüber dem Präsenzlernen ist, dass man mehr Menschen jederzeit und an jedem Ort erreichen kann. Gegenüber dem textbasierten Lernen haben gut gemachte Videos den Vorteil, dass Bilder und Musik eine stärkere emotionale Wirkung entfalten können. Deshalb sollte man anstreben, Lehrtexte in eine Bildsprache zu übersetzen und das Video nicht mit Inhalten zu überladen.5 Professionelle Lernvideos ergänzen also die anderen Lernformen und stärken den Zusammenhalt in der Community der Lernenden.

 

Von zugekauften Case Studies zum erfahrungsbasierten Projektlernen

In der angelsächsischen Management Education dominiert seit langem die Fallstudienmethode. Deren Ursprung liegt in der Ausbildung von Jura-Studenten an der Harvard Law School. 1920 begann die Harvard Business School mit den ersten Case Studies für Wirtschaftsstudenten. Daraus ist inzwischen ein weltweiter Markt geworden, in dem vor allem amerikanische Business Schools Fallstudien für die Studierenden und Teaching Notes für den Lehrenden produzieren. In den letzten Jahren hat jedoch die Kritik an dieser Lernform zugenommen.6 Neben nicht mehr relevanten Inhalten, einem großen Leseaufwand und der fehlenden Vermittlung von praktischen Fähigkeiten kann man bemängeln, dass sowohl die Lehrenden als auch die Lernenden über etwas diskutieren, das sie nicht selbst erlebt haben. Daher bleiben die Cases immer relativ weit von der persönlichen Erfahrung entfernt.

Eine disruptive Lernform, die zugekaufte Cases zumindest ergänzt, ist das erfahrungsbasierte Projektlernen. Eine Möglichkeit besteht darin, in der Lehre stärker auf Praktiker zu setzen, die ihre persönlichen Projekterfahrungen einbringen und neben dem Wissen auch die erforderlichen Fähigkeiten vermitteln. Eine solche erfahrungsbasierte Lehre ist in der Regel umfassender und eher in der Lage, die Komplexität einer persönlich erlebten Situation zu erfassen.

Die zweite Möglichkeit ist das Lernen im Rahmen von realen Projekten. Eine verbreitete Variante ist das Entsenden von Studenten in Unternehmen, die dort unter Anleitung Abschluss (Capstone-) Projekte bearbeiten.7 Einer der Vorteile für die Unternehmen besteht darin, so mögliche neue Mitarbeiter kennenzulernen. Eine weitere Variante ist die Bearbeitung von realen Lernprojekten durch die Mitarbeiter des Unternehmens. Diese Variante erfordert ein klares Commitment der Führung und den Einsatz qualifizierter Trainer, die die Verbindung zwischen dem Projekt und den relevanten konzeptionellen Grundlagen herstellen.

Unsere Arbeit zeigt, dass sich mit dem erfahrungsbasierten Projektlernen für Unternehmen ein besseres Preis-Leistungsverhältnis erzielen lässt als mit der Entsendung einzelner Mitarbeiter an Business Schools oder der Delegation des digitalen Wandels an hoch bezahlte Berater. In Verbindung mit professionellen Lernvideos entsteht so ein New Blended Learning, das allmählich seine disruptive Wirkung entfaltet.

 

Literatur

  1. Servatius, H.G.: Woran erkennt man ein disruptives Gesellschaftsmodell? In: Competivation Blog, 27.07.2016
  2. Christensen, C.M., Eyring, H.J.: The Innovative University – Changing the DNA of Higher Education From the Inside Out, San Francisco 2011
    Christensen, C.M., Horn, M.B., Johnson, C.W.: Disruptive Class – How Disruptive Innovation Will Change the Way the World Learns, New York 2008
  3. Micijevic, A., Schröder, M.: „Man muss bereit sein für permanente Veränderung“. In: Handelsblatt, 06.03.2019, S.22-23
  4. Financial Times: Executive Education – Customised, 2018
  5. O’Neill, E.: How to Accelerate Employee Training and Development – The Essential Guide, 2019
  6. Jack, A.: Why Harvard’s Case Studies are Under Fire. In: Financial Times, 29.10.2018
  7. Levy, J.: A Look into Project-Based Learning in Business Education, 17.03.2017

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