Personalführung im Zeitalter eines Connective Managements
Die Wurzeln eines Connective Managements liegen in der Personalführung. Eine Bewältigung komplexer Aufgaben wie Digitalisierung und Klimawandel erfordert von Führungskräften erweiterte Verhaltenspräferenzen bei der Zielerreichung.
In diesem Blogpost erläutern wir, warum viele Managementaufgaben mit einer „verbindenden“ Führung besser zu meistern sind.
Führung nach alter Schule
Wenn der Vorstandsvorsitzende eines großen Unternehmens mit dem Aufsichtsrat über seine Vertragsverlängerung streitet, sich gar in einem „Kulturkampf“ mit dem Betriebsrat sieht, so lässt dies Rückschlüsse auf seine Verhaltenspräferenzen bei der Zielerreichung zu.
Dieses Beispiel mag heute kein Vorbild mehr für gutes Management sein.1 Es zeigt jedoch, wie Führung nach alter Schule lange Zeit funktioniert hat. Im Zentrum des Verhaltens erfolgreicher Führungskräfte stand eine ausgeprägte Macht- und Wettbewerbsorientierung, die durch die Managementausbildung verfeinert und von Vorgesetzen gefördert wurde.
Es gibt jedoch seit langem eine bessere Alternative: Die konnektive Führung, die unterschiedliche Verhaltenspräferenzen bei der Erreichung von Zielen verbindet.
Zunehmende Bedeutung einer konnektiven Führung
Das Konzept einer konnektiven Führung basiert auf den Arbeiten der US-Wissenschaftlerin Jean Lipman-Blumen, die an der zur Claremont Graduate University gehörenden Drucker School of Management in Kalifornien gelehrt hat. Connective Leadership integriert drei grundlegende Muster mit jeweils drei Verhaltenspräferenzen beim Erreichen von Zielen.2 Diese Muster sind die direkte, die instrumentelle und die beziehungsorientierte Führung.
Die Verbreitung von Verhaltenspräferenzen hängt auch von der Führungskultur eines Landes ab. So dominiert z.B. in den USA das Muster einer direkten Führung, bei der eine Person eigene Ziele und Aufgaben gerne ohne Einschaltung eines Vermittlers verfolgt. Bei der Verhaltenspräferenz der Wettbewerbsorientierung steht der Wunsch, sich an externen Standards zu messen und zu gewinnen im Vordergrund. Bei der Machtorientierung geht es darum, die Führung zu übernehmen, zu dominieren, zu koordinieren und Ressourcen zu kontrollieren.
Ingenieure, Innovatoren und Start-up-Unternehmer sind häufig stärker intrinsisch orientiert. Bei ihnen stehen die innere Begeisterung für eine Aufgabe und eigene Leistungsstandards im Vordergrund. Zwischen Personen mit intrinsischer Verhaltenspräferenz und solchen mit ausgeprägter Macht- und Wettbewerbsorientierung kommt es nicht selten zu Konflikten.
Die Forschung zeigt nun, dass zur Bewältigung komplexer Probleme eine Erweiterung eigener, zu enger Verhaltenspräferenzen Erfolg versprechend ist. Hierbei kommen eine instrumentelle und eine beziehungsorientierte Führung ins Spiel. Instrumentell bedeutet, dass man neben der eigenen Person Netzwerke und Ressourcen als Mittel in einem politischen Prozess nutzt. Beziehungsorientierte Führungskräfte verbinden eigene Ziele mit den Zielen anderer, mit denen man sich identifiziert und so Brücken baut. Eine konnektive Führung spielt quasi auf der gesamten Klaviatur der Verhaltenspräferenzen und setzt diese situativ richtig ein.
Trotz des unmittelbar einleuchtenden Nutzens ist Connective Leadership in der Praxis europäischer Unternehmen bislang ein relativ wenig bekanntes Konzept. Dennoch beruht der Erfolg vieler Hidden Champions auf der zumindest unbewussten Anwendung einer stärker instrumentellen und beziehungsorientierten Führung.
Stärker instrumentelle und beziehungsorientierte Führung
Bei der instrumentellen Führung unterscheidet man zwischen den Ausprägungen einer persönlichen, sozialen oder anvertrauenden Führung. Die persönliche Führung setzt auf Eigenschaften wie Charisma, Symbole oder auch selbstironischen Humor und Überzeugungskraft. Personen, die eine soziale Führung praktizieren, legen Wert auf den Aufbau und die Pflege von informellen Netzwerken und Kontakten. Bei der anvertrauenden Führung wird Verantwortung ausgewählten Personen übertragen, die die Umsetzung übernehmen.
Wieder etwas andere Schwerpunkt legt die beziehungsorientierte Führung mit den Ausprägungen kooperativ, beitragend oder stellvertretend. Eine kooperative Führung bündelt Kräfte, um Konflikte zu lösen und gemeinsame Visionen zu erreichen. Der Begriff beitragend meint, anderen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen. Eng damit verwandt ist die stellvertretende Führung, bei der Personen eine Mentorenrolle für andere übernehmen.
Personalentwicklung mit einem individuellen Mentoring
In Zeiten erhöhter Unsicherheit und Mehrdeutigkeit steigt die Bedeutung einer verbindenden Führung. Gleichzeitig werden die Defizite einer zu engen direkten Führung deutlich. Jeder kennt Situationen, in denen es einen Mismatch gibt zwischen dem eigenen Verhalten und
– einer vorherrschenden Organisationskultur
– der jeweiligen Rolle in der Organisation
– dem Verhalten anderer Teammitglieder oder
– einer Interpretation des eigenen Verhaltens durch andere.
Gute Führungskräfte haben gelernt, mit solchen Situationen angemessen umzugehen. Eine wichtige Aufgabe der Personalentwicklung liegt darin, das Ausmaß derartiger Nichtübereinstimmungen zu reduzieren. Dies kann z.B. mit Hilfe von erfahrenen Mentoren geschehen, die ihren Mentees helfen, die Implikationen des eigenen Verhaltens besser zu verstehen. Das Ziel eines solchen individuellen Mentorings ist die angemessene Erweiterung der eigenen Verhaltenspräferenzen in komplexen Situationen.
Verbindungen zwischen den Bausteinen von Humansystemen
In unserem letzten Blogpost habe ich erläutert, warum das aus digitalen Architekturen entstandene neue Organisationskonzept der Ressourcen-Plattform mit agilen Teams ein Connective Management erfordert.3 Diese Überlegung lässt sich verallgemeinern. Seit langem gliedert man Managementsysteme in die Bausteine normatives, strategisches und operatives Management. Im Rahmen von Führungssystemen unterscheidet man zwischen den Bausteinen Personalführung, Kultur und Klima in Unternehmen und der Organisationsform. Ein konnektives Management betont die Verbindungen und Rückkopplungen zwischen diesen Bausteinen von Humansystemen. Die zunehmende Bedeutung eines Managements, dessen Kernkompetenz darin besteht, Bausteine zu verknüpfen, resultiert auch daraus, dass sich die klassischen Bausteine des Führungs- und des Managementsystems weiterentwickelt haben.
Eine wichtige Aufgabe des normativen Managements besteht heute darin, relevanten Stakeholdern einen gemeinsamen Sinn (Purpose) zu vermitteln.4 Ein neuer Schwerpunkt des strategischen Management ist es, das Portfolio der bestehenden und neuen Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.5 Im Mittelpunkt des operativen Managements stehen wie erläutert digitale Architekturen, aus denen eine neue Organisationsform hervorgegangen ist. Die Organisationskultur und das Organisationsklima sollen stärker als es in vielen etablierten Unternehmen in der Vergangenheit geschehen ist, Innovationen fördern.6 Bei all diesen Aufgaben kommt es auf Connective Leadership an, also eine Form der Führung, die es möglicherweise bei europäischen Hidden Champions schon lange gegeben hat, die wir aber wieder neu entdecken und an komplexe Herausforderungen anpassen müssen.
Ein konnektiver Manager ist ein Gestalter von Humansystemen, der Systembausteine und Menschen verbindet. Dies war der Gedanke, der uns bei der Gliederung des Innovations- und des Nachhaltigkeitssystems von Unternehmen in Bausteine geleitet hat.7 (Eine Erläuterung dieser Bausteine finden Sie hier) Die Herausforderung in beiden Disziplinen, die immer stärker konvergieren, liegt im Zusammenspiel der einzelnen Bausteine. Connective Leadership kann einen wichtigen Beitrag leisten, dass das Zusammenspiel besser funktioniert.
In zahlreichen Innovationsprojekten haben wir die Erfahrung gemacht, dass sowohl Wissenschaftler als auch Praktiker dieser Erkenntnis bislang zu wenig Beachtung schenken. Hieran scheitert in vielen Unternehmen der digitale Wandel. Umso wichtiger ist es, sich von einer Führung nach alter Schule allmählich zu verabschieden.
Fazit
- Das Verhalten vieler Führungskräfte ist auf wenige Präferenzen bei der Zielerreichung begrenzt. Eine verbindende Führung integriert zusätzliche Verhaltenspräferenzen
- Mit einem individuellen Mentoring unterstützt die Personalentwicklung angehende Führungskräfte bei einer Erweiterung ihrer Verhaltenspräferenzen
- Viele komplexe Aufgaben, wie z.B. der digitale Wandel lassen sich mit einem Connective Management besser bewältigen als mit traditionellen Ansätzen
Literatur
[1] Fockenbrock, D.: Ein schlechtes (Vor-)bild. In: Handelsblatt, 03. Dezember 2020, S. 26
[2] Lipman-Blumen, J.: Connective Leadership – Managing in a Changing World, Oxford 2000
[3] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021
[4] Servatius, H.G.: NachhaltigkeitsinnovationNen als Wertreiber in der Purpose Economy. In: Competivation Blog, 05.10.2020
[5] Servatius, H.G.: Analyse von Geschäftsmodell-Portfolios und Verbesserung des Risikomanagements. In: Competivation Blog, 19.11.2020
[6] Servatius. H.G.: Förderung einer Innovationskultur durch die Führung. In: Competivation Blog, 07.01.2020
[7] Servatius, H.G., Piller, F.T. (Hrsg.): Der Innovationsmanager – Wertsteigerung durch ein ganzheitliches Innovationsmanagement, Düsseldorf 2014