Evolution zu einem Connective Management | Competivation

Das seit einem halben Jahrhundert dominierende Paradigma des strategischen Managements bedarf der Weiterentwicklung. Wir skizzieren, wie auch in etablierten Unternehmen die Evolution zu einem neuen Connective Management gelingt.

 

In diesem Blogpost erläutern wir, wie Sie eine verbesserte Verbindung zwischen dem strategischen Machtzentrum des Unternehmens und der Arbeit von agilen Teams herstellen können.

 

Beispiel Automobilindustrie

Die Automobilbranche steht stellvertretend für eine Situation, die auch in vielen anderen Branchen zu beobachten ist. Unternehmen, die über Jahrzehnte mit inkrementellen Verbesserungen erfolgreich waren, sehen sich neuen Wettbewerbern gegenüber, die mit digitalen und disruptiven Innovationen die vorhandenen Geschäftsmodelle bedrohen. Noch ist offen, wie dieser Wettlauf um die Zukunft der Mobilität ausgeht. Bereits heute ist jedoch absehbar, dass er nicht allein mit dem traditionellen strategischen Management zu gewinnen ist. Dieser Ansatz, der ausgehend von den USA seit den 1970er Jahren auch in Europa zum vorherrschenden Management-Paradigma geworden ist,1 scheint der Anpassung an ein verändertes Umfeld zu bedürfen. Die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) mit digitalen Technologien als Game Changern braucht ein neues Managementkonzept.

 

Lücke zwischen Strategie und Agilität

Die Wurzeln des strategischen Managements liegen im Militärsektor. Ein Brückenschläger zur Welt der Wirtschaft war der Franzose Henry Fayol mit seinem 1916 publizierten Buch Administration Industrielle et Générale.2 Über amerikanische Business Schools erreichte dieses Command-and-Control-Paradigma zunächst vor allem Großunternehmen und später den Mittelstand. Trotz der immer wieder beklagten „Umsetzungsprobleme“ von Strategien änderte sich lange Zeit nichts an dem jährlichen Ritual bürokratischer Planungs- und Budgetierungsprozesse mit ihrer kulturprägenden Wirkung. Die großen Strategieberater nutzten diese systemischen Defizite, indem sie das Top Management und die operativ Verantwortlichen bei der Arbeit unterstützten. Die Zahl etablierter Unternehmen, denen mit diesem Ansatz ein erfolgreicher digitaler Wandel gelingt, ist jedoch bislang begrenzt.

Einen Gegenentwurf zum Command-and-Control-Paradigma des strategischen Managements stellen agile Methoden wie Design Thinking und Scrum dar. Sie setzen stärker auf selbstorganisierte Teams und ein iteratives Vorgehen, um komplexe Probleme zu bewältigen. Obwohl der Begriff Design Thinking bereits 1959 an der Stanford University geprägt3 und später durch das Design-Unternehmen IDEO bekannt wurde, stoßen entsprechende Projekte auch heute noch in vielen etablierten Unternehmen auf eine Kulturbarriere. Ähnliches gilt für die Scrum-Methode, deren Wurzeln in der Softwareentwicklung liegen.4

Zwischen dem strategischen Management und dem agilen Management besteht eine konzeptionelle Lücke. Daher gelingt etablierten Unternehmen die Verbindung zwischen diesen beiden unterschiedlichen Management-Paradigmen häufig nicht wirklich gut. Eine Ursache für diese Lücke liegt darin, dass die agilen Methoden bei ihrer Beschreibung der Anforderungen an die Führung und Organisation von Unternehmen relativ vage bleiben. Es fehlt häufig an Brückenschlägern, die eine Verbindung zwischen dem strategischen Machtzentrum etablierter Unternehmen sowie Start-ups und neu gebildeten Digitaleinheiten herstellen. Das Ergebnis sind massive Probleme bei der Bewältigung des digitalen Wandels und enttäuschte Erwartungen der Stakeholder.

Lernprozess Innovationsstrategie

Daher stellt sich die Frage, wie Unternehmen diese Lücke zwischen den beiden Management-Paradigmen schließen können.

 

Verbindung des strategischen Machtzentrums mit agilen Teams

Unsere Best-Practice-Analysen und praktischen Projekterfahrungen zeigen, dass Unternehmen zwischen ihrem strategischen Machtzentrum und der Arbeit von agilen Teams eine Verbindung herstellen müssen, die die unterschiedlichen Management-Paradigmen synchronisiert. Eine solche Verbindung schafft das Connective Management mit einigen klar definierten Ansatzpunkten, die wir kurz erläutern wollen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Der erste Schritt besteht in einer Kombination aus Führungskräfte-Entwicklung und
-Mentoring. Das Ziel ist neben der Methodenvermittlung eine Weiterentwicklung des Mindsets der Verantwortlichen in Richtung Agilität.5 Das strategische Machtzentrum sollte sich dem agilen Management-Paradigma annähern und die den agilen Methoden zugrunde liegenden Werte verinnerlichen, so wie es auch erfolgreiche Start-ups und die Internetgiganten getan haben. Damit wird eine tragfähige Grundlage für die weitere Arbeit gelegt.

Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Schaffung einer besseren Verbindung zwischen dem Innovationsstrategie-Prozess und agilen Prozessen zur Produkt-, Service- und Geschäftsmodell-Innovation.6 Ein verbindendes Element kann die Umsetzung eines transparenten Performance Managements mit der Objective and Key Results (OKR-) Methode sein, die von der obersten Führungsebene praktiziert und vorgelebt wird.

Parallel dazu stehen viele etablierte Unternehmen vor der Aufgabe, ihre IT-Architektur weiterzuentwickeln. Das Ziel ist die Unterstützung datenorientierter Geschäftsmodelle und einer Künstlichen Intelligenz (KI-) basierten Wertschöpfung. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung einer Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als zeitgemäßer Organisationsform geschaffen.7

 

Evolutionärer Wandel

Die konsequente Umsetzung dieser Punkte führt zu einem evolutionärem Wandel, der in eine neue Synthese zwischen dem strategischen und dem agilen Management einmündet. Obwohl sich die Notwendigkeit einer solchen Entwicklung seit langem abzeichnet,8 befindet sich die praktische Umsetzung immer noch im Experimentierstadium. Wir laden Sie daher herzlich zu einem Erfahrungsaustausch zu diesem spannenden Thema ein.

 

Paradigma für einen neuen digitalen Mittelstand

Interessanterweise stammen die agilen Ansätze zur Bewältigung komplexer Probleme überwiegend von Naturwissenschaftler, Ingenieuren und Informatikern. Vielleicht kann das Connective Management einen Impuls für das weltweit berühmte German Engineering liefern, seine Erfolgsgeschichte im digitalen Zeitalter fortzuschreiben. Auf jeden Fall könnte dieser Managementansatz aber zum Paradigma für einen neuen digitalen Mittelstand in Europa werden.

Vermutlich liegt die größte Chance für eine Erneuerung der europäischen Wirtschaft in einer Verbindung von Hidden Champions mit digitalen Start-ups. Ein Erfolg versprechendes Beispiel für diese Symbiose liefert die von Bertelsmann initiierte Founders Foundation, die Marktführer aus Ostwestfalen-Lippe (OWL) mit Jungunternehmern zusammenbringt.

Der digitale Vordenker dieser Idee ist Sebastian Borek, der mit der Hinterland-of-Things-Konferenz 2018 ein Get-together von Mittelstand und Gründern geschaffen hat.9 Einen ähnlichen Weg verfolgt die Stiftung des Lidl-Eigentümers Dieter Schwarz, die in Heilbronn die Initiative Campus Founders startet. Auch hier geht es um neue „Connections“ zwischen altem Kapital und jungen Ideen.

Solche Verbindungen sind dringend nötig, wenn Europas Wirtschaft nicht den Anschluss verlieren will. Diese Gefahr besteht nicht nur für die Automobilindustrie.

 

Fazit

  • Das traditionelle strategische Management stößt bei der Bewältigung des digitalen Wandels an seine Grenzen
  • In vielen etablierten Unternehmen gibt es Defizite bei der Verbindung des strategischen Machtzentrums mit der Arbeit von agilen Teams
  • Diese notwendige Verbindung schafft das neue Connective Management mit einigen klar definierten Ansatzpunkten
  • Auf diese Weise gelingt es etablierten Unternehmen, ihre Fähigkeit zu digitalen, disruptiven und radikalen Innovationen zu verbessern
  • Das Connective Management ist das Paradigma für einen neuen digitalen Mittelstand in Europa

 

Literatur

[1] Ansoff, I.: From Strategic Planning to Strategic Management, Hoboken 1976

[2] Fayol, H.: General and Industrial Administration, 1949 (englische Übersetzung der 1916 erschienenen französischen Fassung)

[3] Arnold, J.E.: Creative Engineering – Promoting Innovation by Thinking Differently, Stanford 1959

[4] Sutherland, J.J.: The Scrum Fieldbook, New York 2019

[5] Servatius, H.G.: Wege zu einem agilen Mindset. In: Competivation Blog, 09.08.2018

[6] Kaufmann, T., Servatius, H.G.: Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, Wiesbaden 2020, S. 51 ff.

[7] Servatius, H.G.: Die Ressourcen-Plattform mit agilen Teams als neue Organisationsform. In: Competivation Blog, 12.01.2021

[8] Servatius, H.G.: Vom strategischen Management zur evolutionären Führung – Auf dem Wege zu einem ganzheitlichen Denken und Handeln, Stuttgart 1991

[9] Banze, S.: Dicke (OW) Lippe. In: Manager Magazin, Februar 2021, S. 112-117

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