GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster | Competivation

Die fünfte Entwicklungsstufe eines konnektiven strategischen Managements verfolgt das Ziel, dass Organisationen und Staaten digitaler, nachhaltiger und resilienter werden. In dieser Stufe richten Vorreiter-Unternehmen ihre Strategieprozesse neu aus. Im Mittelpunkt stehen dabei GenAI-basierte strategische Lernschleifen als verbindendes Prozessmuster. Dieser innovative Ansatz hat das Potenzial zu einer besseren Bewältigung von Komplexität. Auch hier ist die generative Künstliche Intelligenz (KI) ein Treiber und Game Changer. Mit Hilfe von KI entwickeln Strategieteams ihre individuellen Führungsstärken weiter und nutzen die Chancen der neuen Technologien. Gleichzeitig gilt es, die mit diesen Technologien verbundenen Risiken einzudämmen. Ein hierzu geeigneter Containment-Ansatz existiert gegenwärtig erst in Ansätzen. Eine Alternative zu den immer mächtiger werdenden Digitalgiganten entsteht gegenwärtig in Deutschland.

 

Im ersten Teil dieses Blogposts erläutere ich, warum das Konzept der strategischen Lernschleifen von zunehmender Bedeutung für den Unternehmenserfolg ist.

 

Disruption mit GenAI made in Germany

Wenn man nach erfolgreichen Strategieprozessen in Deutschland sucht, ist die Schwarz Gruppe, die den Discount-König Dieter Schwarz zum reichsten Bürger des Landes gemacht hat, ein interessantes Lehrstück. Zunächst einmal ist die Entwicklung der Discounter Lidl und Kaufland ein Erfolgsbeispiel für nachfrageseitige Disruption.1 Darauf aufbauend begann die Schwarz Gruppe mit der Eigenproduktion von Lebensmitteln und dem Aufbau einer Recycling-Tochtergesellschaft.

Mit der auf digitale Souveränität ausgerichteten Sparte Schwarz Digits erreicht die Disruptionsstrategie der Gruppe eine neue Dimension. Das Portfolio der Digitalsparte besteht gegenwärtig aus den folgenden strategischen Geschäftsfeldern und Beteiligungen:

  • Stackit bietet eine souveräne Cloud-Lösung mit technischer Infrastruktur in Deutschland und Österreich an
  • Das Start-up Aleph Alpha arbeitet an einer unabhängigen und transparenten Künstlichen Intelligenz
  • XM Cyber deckt Sicherheitslücken mit der Macht der Angriffssimulation auf
  • und schließlich liefert Wire als Vorreiter bei Datenschutz und Verschlüsselung eine sichere Kommunikation.

Für dieses Bündel strategischer Geschäftsfelder werden weltweit die größten Wachstumsraten prognostiziert.2 Eine souveräne, vertrauenswürdige KI made in Germany3 könnte sich als Ergänzung zu den Angeboten der Digitalgiganten erweisen, mit denen natürlich auch Kooperationen möglich sind.

Walter Wolf, Vorstand von Schwarz Digits, betont die Bedeutung von spezifischem Wissen für den Unternehmenserfolg, das es zu schützen gilt. Im Oktober 2024 hat das Unternehmen außerdem seine Partnerschaft mit SAP vertieft, sodass Stackit-Kunden das umfassende Angebot von RISE with SAP nutzen können.4

Die von der Schwarz Gruppe geförderten Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Start-ups bilden den Kern eines Innovationsökosystems5 in der Region um Heilbronn und Heidelberg, das für Partner aus ganz Europa eine hohe Anziehungskraft hat.

Mit dem Data Hub Europe schafft Schwarz Digits nun gemeinsam mit der Deutschen Bahn eine Datenplattform für das Training von spezifischen, unternehmenseigenen und vertraulichen KI-Modellen.6 Das Beispiel zeigt, dass auch in Deutschland von Unternehmern ausgehende, erfolgreiche Strategieprozesse für digitale Innovationen möglich sind.

In unserem 2020 erschienenen Buch „Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer“ haben wir beschrieben, dass es dabei auf eine mit strategischen Lernschleifen realisierte Verbindung von zentralen und dezentralen Prozessen ankommt.7 Die zentralen Strategieprozesse laufen auf der Ebene des gesamten Unternehmens ab. Auf der dezentralen Ebene arbeiten agile Strategieteams, die sowohl untereinander als auch mit der zentralen Ebene und deren IT-Architektur vernetzt sind.

In den folgenden Abschnitten möchte ich erläutern, wie Unternehmen heute das Potenzial von Strategieprozessen besser ausschöpfen können. Beginnen werde ich mit einigen Grundlagen.

 

Verschiedene Strategiebegriffe, Verhaltensmuster und Strategieschulen

Der Begriff Strategie hat unterschiedliche Bedeutungen. Henry Mintzberg nennt in seinen berühmten 5P den Plan, die List (Ploy), das Verhaltensmuster (Pattern), die Wettbewerbsposition (Position) und das Bewusstsein (Perspective).8 Aus heutiger Sicht besonders relevant sind die verschiedenen Verhaltensmuster, die bei bestimmten Unternehmenstypen und in spezifischen Situationen auftreten. So unterscheiden sich das visionäre Muster von innovativen Unternehmen, das klassische Muster von etablierten Großunternehmen, das agile Muster von Start-ups und das Skalierungsmuster von Unternehmen mit einem digitalen Plattform-Geschäftsmodell deutlich voneinander. Hinzu kommt das Kostensenkungsmuster von Unternehmen, die sich in der Restrukturierung befinden.

Lernprozess Innovationsstrategie

Von Mintzberg und seinen Co-Autoren stammt auch die 1999 erschienene Beschreibung von zehn Strategieschulen, die seit den 1960er Jahren entstanden sind.9 So betrachtet z.B. die von Beratungsunternehmen und dem Harvard-Professor Michael Porter propagierte Positionierungsschule die Strategieentwicklung und -umsetzung primär als analytischen Prozess. Als diese Schule in den 1970er und 80er Jahren nach Deutschland kam, stieß sie vor allem in etablierten Großunternehmen auf eine relativ große Akzeptanz.

Die vielen, in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannten Weltmarktführer, für die Hermann Simon 1990 den Begriff „Hidden Champions“ geprägt hat,10 praktizierten eher eine Kombination aus der unternehmerischen Schule sowie der Lern- und der Kulturschule. Aus Sicht der Lernschule entstehen Strategien und vor allem auch Innovationen aus der komplexen Interaktion einer Vielzahl von Akteuren. Ein solcher sich herausbildender Prozess ist auch in vielen Digital-Unternehmen ein wichtiger Erfolgsfaktor.11

Lernprozess Innovationsstrategie

Die ersten drei der zehn Schulen haben einen präskriptiven Charakter, das heißt sie versuchen zu beschreiben, wie Strategieprozesse ablaufen sollten. Die neueren sieben Schulen, zu denen auch die Lernschule gehört, sind deskriptiv. Ihr Anspruch ist zu beschreiben, wie Strategieprozesse tatsächlich ablaufen.

Meine Erfahrung aus der Strategieberatung von vielen DAX-Unternehmen und von noch mehr „Hidden-Champions“ ist, dass Strategieprozesse in der Praxis noch wesentlich komplexer sind und meist verschiedene Strategieschulen verknüpfen. Dies gilt insbesondere bei der Verbindung verschiedener Verhaltensmuster z.B. im Rahmen von Beteiligungen und Akquisitionen.

Ein wichtiges, aber lange Zeit nicht gut verstandenes Konzept zur Bewältigung der Komplexität von Strategieprozessen sind strategische Lernschleifen und deren Entstehung aus verschiedenen Themenfeldern.

 

Entstehung von strategischen Lernschleifen

Das Konzept der strategischen Lernschleifen ist aus zwei Themenfeldern entstanden, die sich relativ getrennt voneinander entwickelt haben. Das erste Themenfeld sind Strategieprozesse – erstaunlicherweise ein nach einer Vielzahl früher Arbeiten von der Managementwissenschaft und -praxis vernachlässigtes Gebiet, in dem es kaum Fortschritte gegeben hat. Diese Defizite beschäftigen mich seit langem.

Nach meiner Dissertation zum strategischen Technologie-Management im Jahr 198512 hatte ich gehofft, dass die in den USA erfolgreiche Umsetzung von technischen Innovationen mit Hilfe eines Corporate Venture Managements auch in Deutschland auf eine breite Zustimmung stoßen würde. Leider stimmte das Timing bei meiner Buchpublikation 1988 zu diesem Thema nicht.13 Es sollte noch über ein Jahrzehnt dauern, bis die Beteiligung von etablierten Unternehmen an Start-ups auch in Deutschland allmählich an Bedeutung gewann. Aufgrund der Erfahrung aus einer Vielzahl von Beratungsprojekten mit Defiziten bei Strategieprozessen begann ich, nach den Ursachen für diese Schwierigkeiten zu suchen. Dabei konnte ich auf dem aufbauen, was ich in der Zwischenzeit über die Themen Innovationskultur und strategischer Wandel gelernt hatte.

In meiner 1991 erschienenen Habilitationsschrift habe ich mich dann kritisch mit dem traditionellen strategischen Management „nach Feldherrenart“ auseinandergesetzt. Der Gegenentwurf ist eine evolutionäre Führung lernender Organisationen.14 Erfolgreiche Digital-Start-ups haben diesen Paradigmenwechsel im strategischen Management von mechanistisch zu komplexitätsbewältigend vollzogen und sind zu den wertvollsten Unternehmen der Welt geworden.15

Schon seit den 1980er Jahren waren Probleme bei der Umsetzung von Strategien stärker in den Mittelpunkt des Interesses gerückt und es entstanden verschiedene Ansätze des Performance Managements. Der Halbleiterpionier Intel entwickelte die Objectives and Key Results (OKR-) Methode, die vor allem Start-ups wie Google anwendeten.16 In Deutschland wesentlich bekannter wurde die aus einer Best Practice-Studie von Robert Kaplan und David Norton hervorgegangene Balanced Scorecard-Methode, die ein eher traditionelles Top-down-Konzept verfolgt.17

Das zweite Themenfeld sind Lernschleifen (Learning Loops), deren Wurzeln im Action Research liegen, das der Sozialpsychologe Kurt Lewin bereits in den 1940er Jahren entwickelt hat.18 Ein solches Vorgehen in Form einer Spirale aus sich wiederholenden Schleifen ist zu einer wichtigen Methode der Organisationsentwicklung geworden, die ein Bottom up-Vorgehen präferiert. Die Denkmuster der Strategen und der Organisationsentwickler hatten lange Zeit aber wenig Berührungspunkte. Dies änderte sich erst mit der zunehmenden Bedeutung des strategischen Wandels.19

Die große praktische Relevanz von Lernschleifen liegt heute darin, dass sie zum grundlegenden Vorgehenskonzept bei agilen Methoden wie Design Thinking, Scrum und Lean Start-up gehören.20 Diese agilen Methoden haben entscheidend zum Erfolg von Digital-Unternehmen beigetragen, stoßen in vielen etablierten Unternehmen aber immer noch auf Widerstand. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Scrum-Methode auf der Grundlage der Theorie komplexer adaptiver Systeme entstanden ist. In agilen Organisationen besteht die Aufgabe von Führungskräften vor allem darin, einen geeigneten Rahmen für mehr Selbstorganisation zu schaffen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Eine Verbindung dieser beiden Themenfelder mit generativer Künstlicher Intelligenz als Treiber ermöglicht nun eine grundlegende Neuausrichtung (Realignment) von Strategieprozessen.21

 

Neuausrichtung von Strategieprozessen

Vorreiter-Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, verfolgen bei dieser Neuausrichtung ihrer Strategieprozesse die folgenden drei Ansätze:

  1. Eine Gliederung der Prozesse in die Phasen Denken, Handeln sowie kommunikative Verbreitung und Wandel mit strategischen Lernschleifen als einem verbindenden Prozessmuster
  2. die Verbesserung der relevanten strategischen Fähigkeiten von Projektteams ausgehend von individuellen Führungsstärken sowie
  3. die Nutzung der Chancen einer unternehmensspezifischen, generativen Künstlichen Intelligenz (GenAI) und Eindämmung ihrer Risiken.

Im Folgenden werde ich auf unsere Erfahrungen mit den ersten beiden Ansätzen näher eingehen. Der letzte Punkt ist dann Gegenstand des zweiten Teils dieses Blogposts.

 

Prozessphasen und strategische Lernschleifen

Ein Defizit der traditionellen Top-down-Strategieprozesse ist die Trennung zwischen den Phasen

  • eines kreativen strategischen Denkens, das zur Entwicklung oder Entstehung von Strategien führt und
  • eines praktischen strategischen Handelns zur Umsetzung der Strategien in Form von Programmen und Projekten, die neben dem operativen Tagesgeschäft ablaufen.

An der Schnittstelle zwischen der Strategiegenerierung und der -umsetzung arbeiten in etablierten Unternehmen Stabstellen für Unternehmensentwicklung, die bei anspruchsvollen und unangenehmen Aufgaben häufig von ehrgeizigen externen Beratern unterstützt werden. Die empirische Forschung zur Erfolgsquote dieses Ansatzes ist zwar begrenzt. Sich häufende negative praktische Beispiele zeigen jedoch, dass dieses traditionelle Prozessverständnis einer Erneuerung bedarf.22

Zu diesen beiden Phasen kommt eine dritte Phase hinzu, bei der die Mängel in bürokratischen Organisationen besonders ausgeprägt sind. In dieser Phase geht es um die kommunikative Verbreitung von Strategien und einen als Lernprozess gestalteten Wandel.

In den letzten Jahrzehnten sind wichtige Impulse hierzu von Start-ups und erfolgreichen Digital-Unternehmen ausgegangen. Die Softwareentwicklung erfolgt dort seit langem nicht mehr nach der Wasserfall-Methode sondern mit einem agilen Mindset.23 Die Grundlage bildet der erwähnte Paradigmenwechsel im strategischen Management von mechanistisch zu komplexitätsbewältigend. Eine wichtige Rolle spielen strategische Lernschleifen, die zunehmend GenAI-basiert ablaufen.

Lernprozess Innovationsstrategie

Das von der Lean Start-up-Methode bekannte Grundprinzip einer strategischen Lernschleife ist: Annahmen (Hypothesen) formulieren, etwas gestalten (designen, z.B. ein weiterentwickeltes Geschäftsmodell), die Annahmen testen, aus den Testergebnissen lernen und gegebenenfalls einen Richtungswechsel (pivot) vornehmen. In der digitalen Welt sind diese Lernschleifen das kleine Einmaleins erfolgreichen Managements. Verkrustete und beratungsresistente Silo-Organisationen in der Wirtschaft, Verwaltung und Politik wehren sich dagegen aber mit einer hohen emotionalen Intensität.

Die Erfolgswirkung von strategischen Lernschleifen liegt darin, dass sie die drei beschriebenen Phasen von Strategieprozessen verbinden. Auf diese Weise entsteht ein komplexitätsbewältigendes Prozessmuster, das den traditionellen Ansätzen deutlich überlegen ist. Die disruptive Wirkung dieses Prozessmusters bildet für etablierte Unternehmen mit „Führungskräften der alten Schule“ eine schwer zu überwindende Barriere.

 

Bestätigung in der Aus- und Weiterbildung

Eine interessante Erfahrung aus der Hochschullehre in dualen Programmen, in denen Menschen, die in unterschiedlichen Unternehmen arbeiten, die Gelegenheit haben, in einem „angstfreien Raum“ ihre Erfahrungen auszutauschen, ist die folgende: Während die eine Gruppe der Studierenden das verbindende Prozessmuster strategischer Lernschleifen als alltägliche Arbeitsrealität erlebt, ist für die andere Gruppe dieses Muster eine fremde Welt, in der der Versuch zu einer Veränderung von innen als zwecklos oder gefährlich wahrgenommen wird.

Bei der Frage an die zweite Gruppe, ob denn eine externe Intervention durch Berater, Trainer oder Coaches Erfolg versprechend wäre, sind die Meinungen geteilt. Die eine Untergruppe glaubt, auch das habe bestenfalls eine Alibifunktion. Die andere Gruppe meint, es gebe eine gewisse Offenheit für professionelle Change Agents, weil sich die Krisensignale verstärken und daher ein Wandel notwendig sei.

Diese persönlichen Erfahrungen über einen relativ langen Zeitraum bestätigen die These, dass Europa in zwei Managementwelten geteilt ist. Hieraus ergeben sich Anregungen zur Beantwortung der Frage, wie Strategieteams ihre relevanten Fähigkeiten verbessern können.

 

Verbesserung der strategischen Fähigkeiten

Wie in Mannschaftssportarten bestehen auch erfolgreiche Strategieteams aus Akteuren mit unterschiedlichen Stärken. Kreative strategische Denker, analytisch begabte Planer, tatkräftige Umsetzer, kommunikationsstarke Verbreiter und einfühlsame Veränderer agieren im Idealfall im Team als Strategieprozess-Champion. Viele Unternehmen schöpfen aber die Möglichkeiten zur Verbesserung der Teamleistung bei Strategieprozessen nicht aus, obwohl es hierfür bewährte Methoden gibt.

Ein bekannter Ansatz ist das StrengthFinder-Konzept, das persönliche Führungsstärken in die Kategorien strategisches Denken, Umsetzung, Einfluss auf andere und Entwicklung von Beziehungen gliedert.24 In der Abbildung ist die auf der Forschung von Don Clifton basierende Zuordnung von 34 identifizierten Stärken zu diesen Kategorien dargestellt.

Dieses Konzept eignet sich für ein Assessment von Führungskräften, die Zusammenstellung von leistungsfähigen Teams und die zielgerichtete Weiterentwicklung von individuellen Fähigkeiten.

Mit dem Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz ergeben sich nun neue Möglichkeiten. Dabei zeigt sich wieder einmal die Relevanz des 1995 von der Gartner-Beraterin Jackie Fenn geprägten Begriffs „Hype-Zyklus“.25 Der Verlauf des Medienrummels (Hype Cycle) bei neuen Technologien erfolgt häufig in den Abschnitten

  • Grundlagenforschung
  • technologischer Auslöser
  • überzogene Erwartungen bis zu einem Gipfelpunkt
  • Ernüchterung bis ins Tal der Enttäuschung
  • Pfad zu einer realistischen Einschätzung und schließlich
  • einem Plateau der Produktivität.

Hierauf und auf neue Entwicklungen bei der Anwendung von generativer KI in Strategieprozessen werde ich in zweiten Teil dieses Blogposts eingehen.

Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt das Beispiel Porsche.

 

Veränderte Spielregeln durch KI in der fließenden Organisation von Porsche

Sajjad Khan, der IT-Vorstand von Porsche, vertritt die Auffassung, KI sei die nächste große Welle, die die Spielregeln des Wettbewerbs grundlegend verändere. Dieser Game-Changer-Effekt liege in den Möglichkeiten von Small and Large Language Models, Software schneller zu entwickeln. Das Ziel müsse der Übergang vom traditionellen Hardware first- zu einem Software first-Ansatz sein. Um dies zu erreichen, müsse sich der Mindset ändern. Sein Ziel sei es, eine Liquid Organization zu schaffen, in der alles im Fluss ist und die im Turbomodus arbeite. Die Kunst einer entsprechenden Führung sei dabei der enge Austausch mit den Mitarbeitenden.26

Die Vorstellung von einer flüssigen (liquid) oder fließenden (fluid) Organisation fasziniert mich schon lange. Der Untertitel meines 1994 erschienenen Buchs „Reengineering-Programme umsetzen“ lautet „Von erstarrten Strukturen zu fließenden Prozessen“. In der Publikation habe ich versucht, die damals dominierende Sichtweise von IT-getriebenen Prozessinnovationen27 um Aspekte wie Schnittstellenkompetenz, eine Fluidisierung von Organisationen und den hierzu notwendigen mentalen Wandel zu erweitern.28 Was seit dieser Zeit boomt, ist die Implementation von Ressourcenmanagement- und Kundenbeziehungsmanagement- Software. Der als Lernprozess gestaltete strategische Wandel zu fließenden Organisations- und Führungsformen gelingt leider nur wenigen etablierten Unternehmen. Es ist daher zu hoffen, dass diese die gegenwärtige KI-Welle besser meistern als die früheren Digitalisierungswellen.

 

Fazit

  • Das Konzept der strategischen Lernschleifen ist aus der Verbindung von zwei Themenfeldern entstanden, die sich relativ getrennt voneinander entwickelt haben: Erstens der Lernschule von Strategieprozessen und zweitens dem Action Research als Grundlage für agile Methoden.
  • Strategische Lernschleifen sind ein verbindendes Prozessmuster, das eine Neuausrichtung (Realignment) von Strategieprozessen ermöglicht.
  • Mit der generativen Künstlichen Intelligenz (GenAI) haben Digital-Unternehmen ein mächtiges Werkzeug entwickelt, das große Chancen eröffnet, aber auch erhebliche Risiken birgt. Dieses Werkzeug hat auch für Strategieprozesse eine Game-Changer-Wirkung.
  • Das Ziel von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft eines resilienten Europas sollte es sein, bei der Entwicklung einer souveränen, vertrauenswürdigen GenAI und deren Anwendung in Strategieprozessen eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

 

Literatur

[1] Servatius, H.G., Woran erkennt man ein disruptives Geschäftsmodell? In: Competivation Blog, 27.06.2016

[2] Scheppe, M., Diese Industrien prägen die Wirtschaft 2040, in: Handelsblatt, 24.Oktober 2024, S.22-23

[3] Fokuhl. J., Bomke, L., KI „made in Germany“, in: Handelsblatt, 22. Oktober 2024, S.6-7

[4] Wolf, W., „Viele halten die datensouveräne Cloud für eine Utopie“, in: Trend Report, November 2024, S.12

[5] Fransman, M., Innovation Ecosystems – Increasing Competiteveness, Cambridge University Press 2018

[6] Holzki, L., Fokul, J., Bahn und Schwarz-Gruppe planen Daten-Marktplatz, in: Handelsblatt, 25./26./27. Oktober 2024, S.24

[7] Kaufmann, T., Servatius, H.G., Das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz als Game Changer – Wege zu einem Management 4.0 und einer digitalen Architektur, SpringerVieweg 2020, S. 56 ff.

[8] Mintzberg, H., The Strategy Concept – Five Ps for Strategy, in: California Management Review, 1987, S.11-24

[9] Mintzberg, H., Ahlstrand, B., Lampel, J., Strategy Safari – Eine Reise durch die Wildnis des strategischen Managements, Ueberreuter 1999

[10] Simon, H., Hidden Champions des 21. Jahrhunderts – Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Campus 2007

[11] McAfee, A., The Geek Way – The Radical Mindset That Drives Extraordinary Results, Macmillan Business 2023, S.103 ff.

[12] Servatius, H.G., Methodik des strategischen Technologie-Managements – Grundlage für erfolgreiche Innovationen, Erich Schmidt Verlag 1985

[13] Servatius, H.G., New Venture Management – Erfolgreiche Lösung von Innovationsproblemen für Technologie-Unternehmen, Gabler 1988

[14] Servatius, H.G., Vom Strategischen Management zur Evolutionären Führung – Auf dem Wege zu einem ganzheitlichen Denken und Handeln, C.E. Poeschel Verlag 1991

[15] Servatius, H.G., Von erfolgreichen Digital-Unternehmen lernen, in: Competivation Blog, 12.07.2024

[16] Doerr, J., Measure What Matters: OKRs – the Simple Idea That Drives 10x Growth, Portfolio Penguin 2018

[17] Kaplan, R.S., Norton, D.P., The Execution Premium – Linking Strategy to Operations for Competitive Advantage, Harvard Business Press 2008

[18] Krizanits, J., Einführung in die Methoden der systemischen Organisationsberatung, Carl-Auer 2013, S.9 ff.

[19] Tichy, N.M., Managing Strategic Change – Technical, Political, and Cultural Dynamics, John Wiley & Sons 1983

[20] Ries, E., The Lean Startup – How Today’s Entrepreuners Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses, Crown Currency 2011

[21] Servatius H.G., Dreifache strategische Neuausrichtung, in: Competivation Blog, 07.06.2024

[22] Mazzucato, M., Collington, R.H., Die große Consulting-Show – Wie die Beratungsbranche unsere Unternehmen schwächt, den Staat unterwandert und die Wirtschaft vereinnahmt, Campus 2023

[23] Servatius, H.G., Wege zu einem agilen Mindset, in: Competivation Blog, 09.08.2018

[24] Rath, T., Conchie, B., Strengths Based Leadership – Great Leaders, Teams, and Why People Follow, Gallup Press 2008

[25] Fenn, J., Raskino, M., Mastering the Hype Cycle – How to Choose the Right Innovation at the Right Time, Harvard Business Review Press 2008

[26] Hucko, M., „KI verändert die Spielregeln komplett“ (Interview mit Sajjad Khan), in: Manager Magazin; November 2024, S.66-68

[27] Davenport, T.H., Process Innovation – Reengineering Work through Information Technology, Harvard Business School Press 1993

[28] Servatius, H.G., Reengineering-Programme umsetzen – Von erstarrten Strukturen zu fließenden Prozessen, Schaeffer-Poeschel 1994

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