Digitale Evolution ausgehend von der Provinz | Competivation

Muss Deutschland sich am Silicon Valley orientieren, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen? Oder gibt es für unser Land einen eigenständigen Weg? Wir plädieren dafür, die Chancen einer digitalen Evolution zu nutzen, die sich z.B. den zahlreichen Hidden Champions bieten. Viele dieser erfolgreichen Unternehmen haben ihren Stammsitz in der Provinz.

 

Alle Kräfte auf Berlin konzentrieren?

Die vor kurzem erschienene und mit dem Preis als bestes Wirtschaftsbuch ausgezeichnete Publikation „Silicon Germany“ von Christoph Keese ist ebenso spannend wie sein 2014 erschienener Bericht aus dem Silicon Valley. Es ist nur zu hoffen, dass von diesem Buch Weckrufe für die deutsche Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ausgehen. 1

Einem Punkt jedoch möchte ich widersprechen. Keese schreibt, dass unserem Land und seinen Unternehmen am besten geholfen wre, wenn sich alle Kräfte auf Berlin konzentrieren. Als Begründung führt er an, dass es nicht möglich sei, drei oder vier Digitalisierungscluster gleichzeitig bauen zu wollen. 2

Hierbei übersieht Keese, dass es neben der vor allem von Startups ausgehenden digitalen Disruption ein zweites Muster gibt, das man als digitale Evolution bezeichnen kann. Diese beiden Muster unterscheiden sich deutlich voneinander. Was ausgehend vom Silicon Valley in atemberaubender Weise funktioniert, ist digitale Disruption. Hieran orientiert sich die Startup-Szene in Berlin. Andere deutsche Großstädte versuchen, diesen Weg nachzuahmen. Die digitale Evolution etablierter Unternehmen sollte hingegen von deren Stammsitzen ausgehen. Damit würde gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung unserer traditionellen Industrieregionen geleistet.

 

Digitale Disruption und digitale Evolution folgen unterschiedlichen Mustern

Ein typisches Beispiel für digitale Disruption sind Musikdownload und Musikstreaming. Selbstfahrende Autos hingegen sind ein Beispiel für digitale Evolution. Bei der Disruption werden vorhandene Geschäftsmodelle verdrängt, Kompetenzen verlieren an Bedeutung und die vorhandene Wertschöpfung wird nicht mehr benötigt. Im Unterschied dazu zielt die digitale Evolution auf eine Weiterentwicklung vorhandener Geschftsmodelle ab, Kompetenzen bedürfen der Ergänzung und die vorhandene Wertschöpfung wird verbessert. Für ein Unternehmen ist es daher von entscheidender Bedeutung zu verstehen, welches der beiden Muster in der jeweiligen Situation vorliegt.

 

 

Die digitale Disruption nach dem Silicon-Valley-Muster entfaltet gegenwärtig ihre Wirkung vor allem bei Endkunden, also im B2C-Bereich. Häufig sind es neue, junge Kunden, die als erste die innovativen Geschftsmodelle ausprobieren. Die Chance einer digitalen Evolution für etablierte Unternehmen liegt demgegenüber auch bei Industriekunden, d.h. im B2B-Bereich. Es kommt darauf an, diese vorhandenen Kunden auf ihrer Digitalisierungsreise mitzunehmen.

Entsprechend unterschiedlich sind die Schlüsselakteure: Startups, Venture Capital-Unternehmen und Beteiligungsmanager spielen bei der digitalen Disruption eine wichtige Rolle. Bei der digitalen Evolution sind es Innovations-, Geschäftsfeld- und Produktionsmanager.

 

Neue Organisationsformen

Sowohl die Disruption als auch die Evolution erfordern neue agile Arbeitsformen, die sich an Startups orientieren. Die von etablierten Unternehmen gegründeten Innovation Labs, die relativ selbstständig agieren, erscheinen eher für eine digitale Disruption geeignet. Bei einer digitalen Evolution ist hingegen die duale Organisation Erfolg versprechend, bei der Schlüsselpersonen die Verbindung zwischen effizienzorientierter Hierarchie und agilem Netzwerk herstellen. 3

Während es bei der Disruption sinnvoll sein kann, Innovation Labs in rumlichem Abstand zur etablierten Organisation z.B. in Berlin anzusiedeln, funktioniert die digitale Evolution besser bei räumlicher Nähe. Die Hidden Champions in der Provinz sollten digital-affinen Stellensuchenden die Chancen kommunizieren, die die digitale Evolution bietet und mit Hochschulen in ihrer Region kooperieren. Vielleicht gelingt so der digitale Wandel made in Germany ausgehend von der Provinz.

 

Literatur

  1. Keese, C.: Silicon Germany – Wie wir die digitale Transformation schaffen. München: Knaus, 2016
  2. Ebd., S. 212
  3. Servatius, H.G.: Organisatorische Umsetzung von Innovationen. In: Competivation Blog, 20. September 2016 

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