Das Nachhaltigkeitssystem eines Unternehmens entsteht aus dem Zusammenwirken verschiedener Bausteine. Dies erfordert eine ganzheitliche Sichtweise.
Konzeptioneller Rahmen für das Nachhaltigkeitsmanagement
Nachhaltigkeit ist für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens unverzichtbar. Dennoch sehen eine kritische Öffentlichkeit und auch viele Führungskräfte bei der Ausgestaltung dieser Managementaufgabe Verbesserungsbedarf. Eine Ursache hierfür liegt darin, dass häufig ein konzeptioneller Rahmen für das Nachhaltigkeitsmanagement und seinen Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens fehlt. Unser Ansatz eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsmanagements liefert einen solchen Rahmen. Dieser ist ähnlich aufgebaut wie unser Ansatz zu Innovationssystemen. Ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich in verschiedene Bausteine gliedern (siehe Abbildung).
Das Nachhaltigkeitssystem eines Unternehmens entsteht aus dem Zusammenwirken dieser Bausteine. Nachhaltigkeitsmanager haben dabei die Rolle von Systemgestaltern.
Nachhaltigkeitsorientierte Forschung und Entwicklung
In Unternehmen der Umwelttechnik bildet F&E die Grundlage für technologische Innovationen, die nachhaltige Produkte, Systeme und Lösungen ermöglichen, z.B. für die Abwasserreinigung und Luftreinhaltung. In den letzten Jahrzenten verlief die Entwicklung von „End-of-the-Pipe-Technologien“ am Ende der Wertschöpfungskette zu geschlossenen Kreisläufen und einem Upcycling mit „Aufwärtsspiralen“. Am Anfang stehen dabei Innovationen des Produktdesigns nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip (von der Wiege zur Wiege). Neben der Umwelttechnik spielt F&E zunehmend auch in anderen Branchen eine wichtige Rolle, z.B. in der Automobilindustrie, wo die Hersteller strenge Klimastandards erfüllen müssen. Eine große Schwierigkeit liegt in der Beantwortung der Frage, welche „alternativen“ Antriebstechnologien sich durchsetzen werden, z.B. die verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien, Brennstoffzellen oder Metall-Luft-Batterien.
Nachhaltige Wertschöpfung
Eine ressourcenschonende, energieeffiziente und emmissionsarme eigene Wertschöpfung bildet den Kern des Nachhaltigkeitsmanagements. Die Umwelt- und Energiemanagementsysteme und ihre Normen haben sich am Qualitätsmanagement orientiert. Ein weiteres großes Thema ist Nachhaltigkeit in den Lieferantenbeziehungen. Im Zuge der Globalisierung wird es immer wichtiger, Nachhaltigkeitsaspekte bei der Gestaltung der gesamten Wertschöpfungskette (Supply Chain) zu berücksichtigen. In den letzten Jahren sind Aspekte einer sozialen Nachhaltigkeit immer mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Unternehmen, z.B. der Bekleidungs- und der Elektronikindustrie, stehen unter Druck, stärker auf die Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer zu achten.
Nachhaltigkeitsmarketing
Die Zielgruppe eines Nachhaltigkeitsmarketings ist einerseits breiter (Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Stakeholdern) und andererseits enger (potenzielle Kunden mit einem entsprechenden Interesse). Am Anfang steht der Aufbau einer vertrauenswürdigen Marke
Die Kommunikation der Vorteile von Nachhaltigkeitsinnovationen erfordert meist ein intensives Beziehungsmarketing. Ein Beispiel für eine gute Kombination aus Innovations- und Nachhaltigkeitsmarketing liefern die Produkteinführungen des i3 und des i8 von BMW. Häufig steht das Marketing aber auch in der Kritik „Greenwashing“ zu betreiben, um höhere Preise durchzusetzen.
Nachhaltigkeitsstrategie
Die Nachhaltigkeitsstrategie steht oft in einem engen Zusammenhang zur Vision und zum Leitbild (Mission) des Unternehmens. Sie kann primär auf die Verringerung negativer ökologischer und sozialer Wirkungen und zusätzlich auf eine Differenzierung beim Kunden abzielen. Einige Unternehmen übersetzen ihre Nachhaltigkeitsstrategie in Ziele, Initiativen und Leistungsmessgrößen und setzen dabei Sustainability Scorecards ein. Mit Hilfe der Nachhaltigkeitsstrategie gelingt es schrittweise, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu realisieren. In vielen Branchen gibt es Nachhaltigkeitspioniere („Ecopreneure“), wie z.B. den von Yves Chouinard in Kalifornien gegründeten Outdoor-Hersteller Patagonia.
Nachhaltigkeitsorientierte Kultur, Führung und Organisation
Eine nachhaltigkeitsorientierte Organisationskultur basiert auf einem Wertesystem, das durch eine ethisch verantwortliche Grundhaltung gegenüber Gesellschaft und Umwelt geprägt ist. Eine solche Kultur entsteht durch das authentische und glaubwürdige Führungsverhalten von Gesellschaftern und Managern. Bei der organisatorischen Umsetzung hilft eine Verankerung des Themas Nachhaltigkeit auf der Führungsebene in Form einer Ressortverantwortung oder eines Sustainability Boards. Deren Aufgabe ist es sicherzustellen, dass das Nachhaltigkeitssystem alle relevanten Bereiche durchdringt. Die operative Koordination erfolgt durch eine Abteilung Nachhaltigkeit, die häufig aus der Abteilung Umweltschutz hervorgegangen ist. Ein Unternehmen wie Henkel ist zwar Spitzenreiter bei Sustainability-Indizes, agiert beim Nachhaltigkeitsmarketing aber eher zurückhaltend.
Nachhaltige Wertsteigerung
Anfang der 1990er Jahre entstand das Konzept der Ökobilanzen von Produkten bestehend aus Sachbilanz, Wirkungsabschätzung und Auswertung. Hieraus hat sich das Stroffstrommanagement entwickelt, das den gesamten Lebenszyklus betrachtet.
Ein Nachhaltigkeitscontrolling verwendet nach Themenbereichen gegliederte Kennzahlen. Die Richtlinien der Global Reporting Initiative (GRI) sind bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung weit verbreitet. Ein ökologischer Fußabdruck (Footprint), z.B. der CO2e-Fußabruck, betrachtet nur einen umweltrelevanten Aspekt wie das Treibhausgaspotenzial eines Produkts. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt eine Erweiterung der Finanzberichterstattung dar. Sie hat sich aus der Sozial- und Umweltberichterstattung entwickelt. Den Beitrag des Nachhaltigkeitsmanagement zur Wertsteigerung kann man aus der Legitimitätstheorie ableiten (im Sinne einer Rechenschaftslegung gegenüber Stakeholdern).
Warum ganzheitlich?
Eine ganzheitliche Sichtweise betrachtet einen einzelnen Baustein im Zusammenhang mit anderen Bausteinen. Mit der Integration der Bausteine zu einem holistischen Muster entsteht etwas Neues auf einem höheren Niveau (Aristoteles: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile). Fitnessprogramme, die nur an einem einzelnen Baustein ansetzen, sind suboptimal. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für den Sport, sondern auch für das Nachhaltigkeitsmanagement. Ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement schafft Werte, die aus dem Zusammenwirken seiner Bausteine entstehen. Diese Art von Emergenz ist durch eine spezifische Form der Führung beeinflussbar, bei der Konzerne viel von den Nachhaltigkeitspionieren lernen können.